Montag, 5. März 2012

Nackigkeit und Kunst

Um die Nackigkeit in der Bildenden Kunst ist es merkwürdig bestellt. Fotografiert ist ein nackertes Manns- oder Weibsbild Schweinkram, so was konnte man sich früher als seriöser Mensch nur zuhause bei zugezogenen Vorhängen anschauen. Gemalt oder aus Marmor gehauen ist ein Nackedei dagegen Kunst, da konnte auch ein Tugendbold öffentlich ein Auge riskieren.

(Achtung, die Skulptur ist eine raffinierte Fälschung. Das Bild enthält sieben sachliche Fehler, wer sie findet, darf solange essen, bis er auch so schön ist wie Dickelangelos Mavid.)

Heute, in den Zeiten des Internets, da Pornographie nur einen Klick weit vom eigenen Schreibtisch entfernt ist, sollte man eigentlich durch pure Gewöhnung die Sache mit der Nackigkeit (weiblich oder männlich) etwas gelassener sehen als damals.
Denkt man, und wahrscheinlich denkt man im Großen und Ganzen auch richtig.
Dann aber wieder findet man Merkwürdigkeiten.

Der Herr, der sich hier einen Teller Spaghetti übers Haar gekippt hat und dazu etwas grenzdebil grinst, ist nicht der Linsmaier Mamp mit zwei Promille im Bierzelt. Ich weiß, der Linsmair macht solche Sachen, wenn er 10 Maß gestemmt hat, deswegen sage ich es ja, daß er es nicht ist.
Der Herr ist vielmehr Schauspieler und er tut nur so, als wäre er etwas wirr im Hirn. Wer jetzt errät, welches klassische Stück der europäischen Theatergeschichte hier inszeniert wurde, dem bescheinige ich eine profunde Kenntnis der Literatur. Anschließend (vielleicht kommt jetzt jemand drauf) streifte sich der grinsende Herr auch noch das Unterhoserl ab, steckte sich ein Würschtl ins Arsenloch und bot dann dem feinsinnigen und kunstverwöhnten Publikum der Berliner Schaubühne seinen naturbelassenen Unterleib samt halb im Ars versenktem Würstchen dar. Er habe damit, so las man, den Weltekel seiner Bühnenfigur Alceste darstellen wollen. Ars gratia artis.

Auf der Website www.nachtkritik.de entspann sich auf eine Kritik der Premiere hin eine Diskussion (unter anderem) über Nackigkeit auf dem Theater im Besonderen und in der Kunst im Allgemeinen.
Um meine oben schon geäußerte Unterscheidung zwischen Photographie und Malerei zu illustrieren, hatte ich im Laufe dieser Diskussion zwei Bilder weiblicher Unterleiber samt Kommentar auf meine Website gegeben und einen Link auf diese Seite gesetzt. Der Link wurde von der Redaktion der "nachtkritik" entfernt. Als Begründung wurde (erst auf Anfrage) angegeben, die Redaktion halte "die verschiedentlich geposteten Ausführungen zu privaten und weniger privaten Vorkommensweisen der Nacktheit (samt Links zu Bildbeispielen unübersichtlicher Natur) nicht für alle Leser in gleichem Maße relevant". Und es waren doch die Bilder, behaupte ich.
Nun sind Leser und Schreiber in der "nachtkritik" Leute vom Fach oder doch regelmäßige Theatergänger (außer mir, natürlich). Und wer heutigentags regelmäßig ins Theater geht, der ist in puncto Nacktheit zwangsläufig ziemlich abgebrüht.
Was für schweinöse Bilder muß also dieser Heinrich da auf seine Website gegeben haben, so schweinös, daß sogar Leute vom Theater rot werden!
Nun sollte ich endlich anmerken, daß ich beide Bilder der Online-Ausgabe der Tageszeitung "Die Welt" entnommen habe, einer Zeitung also, die im Hinblick auf optische Sensationen doch wesentlich betulicher ist als ihr Schwesterblatt BILD.
"Die Welt" hat auf ihrer Website unter dem (etwas merkwürdigen) Titel "Die Vulvalogie - Das Geheimnis des weiblichen Sexualorgans" eine Folge von zehn Bildern zum Thema.
Die "schärfste" Photographie zum Thema ist die hier:
 Das Beispiel aus der Malerei ist in dieser Serie (neben der Venus von Botticelli) das hier:

Da braucht jetzt keiner zusammenzuzucken, das Bild ist - so photorealistisch es bis ins kleinste Schamhaar hinein wirkt - tatsächlich gemalt.
Es trägt den Titel "Der Ursprung der Welt", ein ebenso treffender wie hinterfotziger (pardon!) Titel. Es wurde 1866 von Gustave Courbet gemalt, das Original hängt im Pariser Musée d'Orsay, "arte" hat dem Bild vor über 15 Jahren eine knapp halbstündige Dokumentation gewidmet.

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