14.7.20

Kurt'ls Imbiß

Im real,- in Regensburg-Reinhausen gibt's eine Spachtelecke mit dem schönen Namen "Bei Bistro Kurt'l".
Jahrelang dachte ich, dieser durch & durch türkische Imbiß habe einen deutschen Inhaber, eben den namengebenden Kurt. Der Eindruck wurde verstärkt durch den Umstand, daß der Chef Kurt'l [1] so gar nicht türkisch ausschaut, im Gegensatz zum übrigen Personal. Vor gar nicht langer Zeit mußte ich mich jedoch belehren lassen, daß "Kurt" in der Türkei ein durchaus üblicher Vor- und Familienname ist. Dem Vernehmen nach bedeutet er "Wolf". [2]
Im Tripadvisor fand ich dieser Tage einen Kommentar zum "Kurt'l", also zum Imbiß: "Beim Kurt'l", las ich da, "gibt's wirklich gute Sachen." Dann allerdings geht es weiter: "Es ist ztodschad, daß ich erst dann wieder Döner essen werde, wenn sie den abgehackten Kopf vom Sultan an einer Stange durch Istanbul tragen werden."
https://www.tripadvisor.de/ShowUserReviews-g187312-d5852892-r757842168-Bistro_Kurt_l-Regensburg_Upper_Palatinate_Bavaria.html
Mir stockte der Atem. [3] Das ist nicht nur eine Aufhetzung zum Döner- und Ayran-Boykott, das ist auch antitürkisch und dazu noch eine Billigung politischer Lynch-Justiz, wenn nicht gar die Aufforderung dazu.
Meine Resch-Ärschen ergaben, daß der Verfasser der Hetze ein gewisser Solvai Etwai ist. Weitere Nachforschungen ergaben, daß Solvai Etwai ich selber bin.
Empört wende ich mich von mir ab.



[1]   Der aufmerksame Beobachter merkt sehr schnell und 1deutig, wer in einem sozialen Umfeld der Chef ist und wer der Doldi.
[2]   Ich knirsche jedes Mal mit den Zähnen, wenn ich "Türke" und "Wolf" in einem Atemzug nennen höre. Dabei heiß ich selber "Wolfram", dabei hieß mein Onkel "Kurt", dabei bin ich inzwischen selber grau. Allerdings bin ich kein Türke! Das immerhin.
[3]   Jedem Dichter minderer Qualität stockt an dieser Stelle der Atem. Oder es gefriert ihm das Blut in den Adern, nachdem er wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen ist. Fertig-Poesie halt.

Ungefähre Wahrheit

Ein Ritter von der Traurigen Gestalt schrieb mir einst: "Wie sagt man's besser? 'Viele glaubhaft als Evidenzen dargestellte Behauptungen sind keine'. Nein, auch nicht, alleine wie das klingt."
"...alleine wie das klingt" - Genau das ist der Punkt. Manchmal hört sich die Wahrheit ganz einfach unbeholfen an, also formulierst du sie so, daß deine Aussage nur noch ungefähr richtig ist, dafür aber unheimlich schön klingt. Der österreichische Philosoph Paul Feyerabend hat mal geschrieben: "...z.B. kann eine physikalische Theorie harmonischer klingen als eine konkurrierende, wenn sie mit Gitarrenbegleitung vorgelesen wird."
Und dann war da noch das unsterblich schöne Lied aus "La Traviata" (auf deutsch: "Die Frau ohne Navi"): "Ich hab dein Knie gesehn, das durfte nie geschehn."
Der zweite Teil des Satzes ist natürlich weder Deutsch, weder schön. Eigentlich müßte man schreiben "...das hätte nie geschehen dürfen", aber sing da mal ein Lied drauf. Apropos "weder, weder". Altmeister Fack Ju Göhte dichtete einst "Bin weder Fräulein weder schön...", was bei jedem Deutschlehrer die Alarmglocken schrillen läßt. Aber... Die korrekte Form wäre "weder ... noch" gewesen, aber "Bin weder Fräulein noch schön" hätte den Rüttmus (bei dem ich immer müttmus) kaputt gemacht. Gut, "Bin weder Fräulein noch GAR schön..." (wie von mir seinerzeit vorgeschlagen) wäre zwar korrekt gewesen UND hätte den Rhythmus bewahrt, aber dergleichen Sprachgewandtheit war dem Altmeister nicht gegeben.
Besagter Ritter zieh mich dann noch der Schlamperei bei der Sprache. "...bei dir zwiebelt mich Schlampigkeit der Sprache besonders."
Gut gesprochen, aber was heißt schon "Schlampigkeit". Georg Christoph Lichtenberg, ein anderer  Altmeister, hat es mal so auf den Punkt gebracht: "Der große Kunstgriff, kleine Abweichungen von der Wahrheit für die Wahrheit selbst zu halten, worauf die ganze Differentialrechnung gebaut ist, ist auch zugleich der Grund unserer witzigen Gedanken, wo oft das Ganze hinfallen würde, wenn wir die Abweichungen in einer philosophischen Strenge nehmen würden."
Dies habt zum Gedächtnis.

(Vor allem sei dir die Musik ab 1:26 min. an's Herz gelegt)

Mittsommernachtsblues

Till Eulenspiegel wanderte einst - wie er das oft tat, da das Goggomobil noch nicht erfunden war - durch die Lande.
Wann immer ihn der Weg aufwärts führte pfiff Till fröhlich vor sich hin. Hei, wie war ihm das Wandern eine Lust. Schritt er hingegen abwärts, so grummelte und seufzte er, daß es nur so eine Art war. Einem Weggenossen fiel das auf und er fragte den Eulenspiegel, wieso er beim mühseligen Anstieg fröhlich pföffe, beim heiteren Abstieg dagegen Trübsal bliese. [1]

"Nun", antwortete ihm der Schalksnarr, "wenn ich bergwärts gehe weiß ich, daß am Scheitelpunkt des Weges dieser wieder bequem abwärts führen wird. Geht's dagegen abwärts dann weiß ich, daß der Weg irgendwann und unvermeidlicherweise auch wieder beschwerlich aufwärts gehen wird."
Warum ich diese verrückte Geschichte erzähle? Weil ich - selber verrückt wie Till Eulenspiegel - seit dem 21. Juni den Mittsommernachtsblues bluse.
Ein halbes Jahr lang habe ich mich - aus finsterster Weihnachtsnacht kommend - gefreut, weil die Tage mit jedem Tag ein wenig länger geworden sind, die Sonne jeden Tag ein Stückchen höher am Himmel gestanden hat.
Und jetzt... von jetzt an geht's bergab. Die Tage werden kürzer, die Sonne sinkt.
Jammer!
Ich geh jetzt weinen.




[1]   Wie sagte mal einer: "Es ist nicht alles Trübsal, was geblasen wird." Freilich, so wenig wie etwas mit zwei Backen ein Gesicht sein muß.