Wenn ich des nachts um drei Uhr aufwache - meist des
Harndrangs wegen -sind die ersten Gedanken, die mir durch den Kopf schießen:
* Wer bin ich?
* Wo komme ich her?
* Wo gehe ich hin?
* Was ist der Sinn des Lebens?
Nach zwei bis fünf Minuten stelle ich mit Erleichterung
fest, daß die aufgezählten Gedanken philosophische Fragen sind. Philosophische
Fragen können, das sagt mir meine Lebenserfahrung locker noch bis morgen oder
übermorgen oder bis zum St. Nimmerleinstag warten.
Mit fortschreitendem Alter und der damit verbundenen
Weisheit wird mir klarer und klarer, daß Philosophie was für Leute ist, die
viel zuviel Zeit haben. Beamtete Philosophen etwa.
Obzwar ich ein alter, verstockter Atheist bin liebe ich Sakrale
Musik.
Als ich noch ein junger, verstockter Atheist war, hat uns
der Musiklehrer eine jüngst von der Schule erworbene Platte vorgestellt. Dazu
muß man wissen, daß sich das Gymnasium Pfarrkirchen um diese Zeit rum eine HiFi-Stereo-Anlage
geleistet hatte. HiFi und Stereo waren in der Mitte der sechziger Jahre keine Selbstverständlichkeit,
sondern gerade im Kommen.
Was wir im Musikunterricht hörten war die Missa Luba.
Der Aufbau der Messe entspricht dem
traditionellen Ordinarium der Heiligen
Messe der römisch-katholischen Kirche.
Demgegenüber entstammt die Musik der Messe rein kongolesischer Tradition und
ist frei von Einflüssen des europäischen oder modernen Musikverständnisses."
Ich war sofort fasziniert, vor
wenigen Jahrenhabe ich die Missa Luba
wieder im Internetgefunden, genau die
Aufnahme von damals, von Les troubadours du Roi Baudouin.
Apropos König Baudouin. Beim Staatsakt zur Unabhängigkeit
des Kongo hat König Balduin eine Rede gehalten, in welcher er die Wohltaten der
Kolonialherrschaft für den Kongo betonte. "Kongos Unabhängigkeit stellt die Krönung des Werkes dar, das König
Leopolds eigenes Genie ersann, das er mit hartnäckigem Mut unternahm und an dem
Belgien unverdrossen weiter arbeitete. (...) Kein Wort zu den
unvorstellbaren Greueltaten an der kongolesischen Bevölkerung seit dem späten
19. Jahrhundert. Baudouin ergeht sich lieber in einem überschwenglichen Lob der
Kolonisierung. Die Kongolesen sollten das belgische Vermächtnis ehren,
fordert der König. Heute werde das Erbe seines Großonkels gekrönt. Leopold II.
sei schließlich nicht als Eroberer gekommen. Nein, er habe dem Kongo die
Zivilisation geschenkt. Deutschlandfunk
Der damalige (erste) Ministerpräsident des Kongo Patrice Lumumba
hat ihm unmittelbar geantwortet, indem er - höflich zwar, aber doch -
hervorhob, daß er, der König, eben ziemlichen Scheisendreck geredet habe.
Der König war, verständlicherweise, stinkegrantig, ein
halbes Jahr später war Lumumba tot, ermordet von einem Killerteam unter Führung
eines belgischen Offiziers.
Mehr über die Kolonialgeschichte des Kongo findest du hier
in der Dokumentation "Schatten über dem Kongo". Ein bisserl lang,
aber absolut lohnend.