11.2.21

Die liberalen Tierschutzgesetze der Nazis

Wenn dir früher nicht ganz wohl war, hast du zu einem Buch gegriffen, meist war es dieses: "Was die Omama rät - Handbuch der medizinischen Hausmittel". Wenn du was Unrechtes eingenommen hast, dann wurde dir dort als Brechmittel Kupfervitriol (Kupfersulfat) empfohlen. Der Opapa, der sich öfter im Internet rumtreibt, empfiehlt dir dagegen das österreichische Forum "Fisch und Fleisch". Lies einen Blogbeitrag und du wirst schpeim, kupfervitrioliger als nach jedem Kupfervitriol [1].

Da mußte man lesen: "Unter Nazideutschland wurde erstmals darüber nachgedacht, dass Tiere einen gewissen Respekt verdienen. Man erließ Tierschutzgesetze die teils rigoroser als heutige sind."

Du hockst da und denkst dir irgendwelche Satiren aus. Und dann kommen auf "Fisch und Fleisch" lallende Idioten unter ihrem Stein hervorgekrochen...

Aber klar, eines ist nicht zu leugnen: Dr. Josef Mengele, der Werksarzt des Ferienlagers Auschwitz-Birkenau, ist seinerzeit völlig vom Konzept barbarischer Tierversuche abgekommen.

"auch unser waffengesetz kommt aus der ecke. davor war es deutlich liberaler und all diese witzigen verschärfungen der braunen sind dinge denen heute die postmoderne linke zustimmt. (...) ich glaube dass sehr viele die heute grüne und rote ansichten haben damals vieles (nicht alles, aber vieles) der braunen abgenickt hätten."

Das mit den strengen Waffengesetzen der Nazis ist so eine Sache. Den Abschnitt aus der Wikipedia über das deutsche Waffenrecht im Faschismus zitiere ich sinnvollerweise komplett. Nur so erschließt sich die Liberalität der Braunen:

"Direkt nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Jahr 1933 wurde die Waffengesetzgebung der Weimarer Republik genutzt um politische Gegner zu entwaffnen oder unter dem fadenscheinigen Grund, „Waffen zu suchen“, Razzien und Hausdurchsuchungen durchzuführen. Als rechtliche Grundlage wurde das Waffengesetz von 1928 genutzt, welches der Polizeibehörde das Recht zur Erteilung und dem Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnis zubilligte. Beispielsweise verfügte der Polizeipräsident von Breslau am 21. April 1933, dass die Juden ihre Waffenscheine und Schützenbewilligungen sofort den Polizeibehörden übergeben müssen. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Albert Einstein, dessen Sommerhaus in Caputh am Schwielowsee im Frühjahr 1933 durchsucht wurde. Auch Großrazzien wie am 4. April 1933 im Scheunenviertel in Berlin wurden durchgeführt. Nachdem die jüdische Bevölkerung als nicht vertrauenswürdig eingestuft wurde, wurden auch keine Waffenscheine an sie ausgestellt.

Im Jahr 1938 wurde das Waffenrecht im Waffengesetz vom 18. März 1938 (RGBl. I S. 265) von den Nationalsozialisten umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz verfolgte das Ziel, Regimegegnern die Beschaffung von Waffen zu erschweren und andererseits die „Wehrhaftmachung des deutschen Volkes“ zu erleichtern. es lockerte die bisher bestehenden Vorschriften für Funktionäre der NSDAP und ihrer angeschlossenen Organisationen. Für diesen Personenkreis war gemäß den §§ 18 und 19 Waffengesetz kein Waffenschein mehr zum führen dienstlich gelieferter Schußwaffen erforderlich. Die Regelung begünstigte u. a. Unterführer der NSDAP ab Ortsgruppenleiter, der Sturmabteilung, der Schutzstaffel, des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps und auch der Hitlerjugend ab Bannführer aufwärts. Das Waffengesetz untersagte hingegen Zigeunern“den Waffenbesitz sowie allen Personen, denen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt waren oder die unter Polizeiaufsicht standen. Im Gesetz direkt wurde Juden untersagt sich an der gewerblichen Herstellung von Schußwaffen und Munition zu beteiligen. eine Erwerbsscheinpflicht war nur noch für Faustfeuerwaffen vorgeschrieben, während Langwaffen und Munition grundsätzlich wieder frei erworben werden konnten.

Unmittelbar nach der „Reichskristallnacht“ wurde Juden durch die Verordnung gegen den Waffenbesitz der Juden vom 11. November 1938 (RGBl. I S. 1573) jeder Waffenbesitz verboten. Im zeitgenössischen Bericht des Apostolischen Nuntius Berlin an Eugenio Pacelli über die Novemberpogrome heißt es dazu: "Auch wurden den Juden alle Waffen weggenommen; und obwohl der Zweck ein ganz anderer war, war das doch gut, denn die Versuchung zum Selbstmord muss bei manchen groß gewesen sein."

Die Repressalien gegen die Juden in den nationalsozialistischen Waffengesetzen nutzt die National Rifle Association und ihr nahe stehender Autor Stephen Halbrook als Argumentation gegen Verschärfungen des Waffenrechts. Waffenkontrolle wird dabei mit Nationalsozialismus gleichgesetzt; Personen die für Waffenkontrolle eintreten werden als Sympathisanten des Nationalsozialismus diffamiert."

 



[1]   Freilich, wenn du Pech hast, dann führt dich der Zufall auf einen der wenigen erleuchteten Blogbeiträge, so wie dieser einer ist.

Ein Lobgesang auf Walter Ulbricht

Eine uralte Weisheit dänischer Kapitalisten besagt: "Øre wem Øre gebyhrt". [1] Bei Gelegenheit der Erwähnung dieser urkapitalistischen Weisheit möchte ich anmerken, daß ich meine relativ gute Ausbildung dem Genossen Walter Ulbricht verdanke.

Nein, ich bin nicht in der DDR aufgewachsen. Es verhielt sich vielmehr so:

In der alten Bundesrepublik begann im Laufe der sechziger Jahre eine ganz erstaunliche Bildungsoffensive, neue Universitäten wurden gebaut, bestehende Unis ausgebaut, vergleichsweise großzügige Stipendien  wurden eingerichtet. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz [2] (BAföG) ersetzte das "Honnefer Modell", oft auch "Honnef" genannt. Hatte man begriffen, daß für eine funktionierende Demokratie gebildete Staatsbürger notwendig sind? Natürlich nicht.

In den fünfziger Jahren hat Konrad Adenauer einmal gesagt, er sehe nicht ein, warum die Bundesrepublik Deutschland viel Geld in Universitäten investieren solle, solange es die Technische Hochschule Dresden gebe. Verdammt gut ausgebildete Chemiker, Ingenieure, Facharbeiter etc. pp. aus der DDR machten rüber und wurden mit offenen Armen aufgenommen. Und dann war auf einmal die Grenze dicht. Die einst überreichlich sprudelnde Quelle wurde zum Rinnsal, auf das man keine Ökonomie mehr bauen konnte. Nun mußte man auf einmal selbst für gut ausgebildeten Nachwuchs sorgen...

Danke, Walter, für die Mauer.

Womöglich war auch Walter Ulbricht ein Teil von jener Kraft, die oft [3] das Böse will und stets das Gute schafft.



[1]   Die einzige andere dänische Weisheit, an die ich mich erinnere ist "Smørrebrød, Smørrebrød, røm pøm pøm pøm"

[2]   Es sind Wörter wie diese, welche deutschlernende Ausländerinnen gelegentlich verzweifeln lassen.

[3]   "Stets", wie der Altmeister meinte, erscheint mir in diesem Zusammenhang etwas übertrieben.