Ich habe zehn Jahre lang mit meiner Familie in
Castellabate,
Provincia di Salerno, 120 km südlich von Neapel gelebt. An Vorinformation,
nenne es ruhig Vorurteil, habe ich mitgebracht, daß man im Süden Italiens die
jungen Frauen wenig schätzt, die Großmütter dagegen sehr. Der absolute Chef in
der Familie ist
la mamma. Wenn der
papà Streit mit dem, sagen wir mal,
pubertierenden Sohn hat, dann droht eventuell eine Prügelei zwischen beiden,
wenn jedoch
la mamma auch nur die
Augenbraue hebt, dann ist der widerspenstige Sohn ruhig, und zwar so was von.
Ganz am Anfang unseres Aufenthalts in Castellabate waren wir
anläßlich der festa della mamma - ich
muß mich korrigieren, es war nicht der Muttertag, sondern die festa della donna, also der Weltfrauentag.
Wir waren also anläßlich dieses Festtages in einem ristorante, außer uns nur Einheimische, unter anderem die
Gemüsefrau, die wir schon ein bißchen besser kannten, mit ihrer Familie.
Meine Frau, die für dergleichen Dinge einen sehr viel
schärferen Blick als ich hatte, sagte mir - auf deutsch, damit es keiner sonst
verstehe - sie habe noch nie, auch nicht in Deutschland, derart selbstbewußte
Frauen gesehen wie hier.
Der Eindruck verstetigte sich im Laufe der zehn Jahre.
Das mag noch wenige Generationen zuvor anders gewesen sein,
wirtschaftliche Not aber hat süditalienische Männer gezwungen, in Norditalien,
in Deutschland oder noch weiter nördlich Arbeit zu suchen. Die Frauen blieben
(vorerst?) zurück und sie mußten die Familie und die kleine Landwirtschaft
alleine managen. Sie haben gelernt, wieviel sie wert sind und sie haben das nie
wieder vergessen.