16.6.11

Kleine Typologie der Psychologen

Was ein Holzrücker ist, ein Zerspanungstechniker oder ein Kunststoffspritzgießer weiß kaum einer, der nicht selber Holzrücker, Zerspanungstechniker oder Kunst­stoff­­­spritz­­gießer ist. Wenn er aber, etwa im Internet, nachschlägt, findet er eine Definition dieser Berufe, die so klar ist, daß er sich was drunter vorstellen kann.
Bei einem Psychologen hast du es da nicht so leicht. Was der Psychologieprofessor an der Uni so macht, kannst du dir vielleicht noch ungefähr vorstellen. Der erforscht halt menschliches Verhalten und erkundet das Seelenleben (was immer das nun genau ist). Die Berufsfelder eines praktisch tätigen Psychologen aber sind sehr, sehr unterschiedlich, vom smarten Werbepsychologen über den gefürchteten MPU-Gutachter und den sanft säuselnden Psychotherapeuten bis zum Psychologen, der in der Sozialarbeit tätig ist.

Für mich hat es sich als zweckmäßig erwiesen, die praktisch tätigen Psychologen nach ihrer Arbeitskleidung einzuteilen. Da gibt es
- den Nadelstreif-Psychologen
- den Schnürlsamt-Psychologen und
- den Jeans-Psychologen

Den Nadelstreif-Psychologen mit Anzug und Krawatte findet man vorzugsweise in der Werbebranche oder bei großen Firmen in der Personalabteilung, wo er Bewerber um eine Stelle durch standardisierte Tests und gezielte Gespräche auswählt. Er spricht freundlich mit dir, der beinharte Klang in seiner Stimme aber sollte dich dran erinnern, daß mit ihm nicht gut Kirschen essen ist.
Der Schnürlsamt-Psychologe fühlt sich in der Psychotherapie am wohlsten. Zur Cord-Hose, der er den Namen verdankt, trägt er meist ein legeres Hemd mit offenem Kragen, gerne schaut auch ein locker gebundenes Halstuch aus dem Kragen. Er spricht stets sanft und verständnisvoll mit dir, was eine zeitlang wohltuend ist, auf Dauer aber wahnsinnig nerven kann.
Dem Jeans-Psychologen wirst du als in geordneten sozialen und finanziellen Verhältnissen lebender Mensch kaum begegnen, diesen Psychologen findet man in der Sozialarbeit, wo er zusammen mit Sozialarbeitern versucht, die gröbsten Gemeinheiten dieser Gesellschaft wenigstens ein bisserl zu lindern. Er trägt Jeans, ein buntes Hemd und lässige Schuhe, sprechen tut er wenig gepflegt, derbe Ausdrücke sind durchaus möglich, er paßt sich der Kundschaft an.

Wenn du im Zweifel bist, welche Art von Psychologe du vor dir hast, so gibt es einen aussagekräftigen Test: Du beschimpfst ihn als Arschloch.
Der Anzug-Psychologe wird dich böse anfunkeln und dir mit einer Anzeige wegen Beleidigung drohen. Das heißt, er wird nicht eigentlich damit drohen, sondern dir diese Anzeige ankündigen. "Von Ihnen lasse ich mich nicht beleidigen! Von Ihnen nicht. Sie hören von meinem Anwalt."
Der Schnürlsamt-Psychologe wird dich rückformulieren: "Sie haben den Eindruck, ich entspräche in meinem Verhalten nicht ganz Ihren Erwartungen". Und er wird auf neue Beleidigungen deinerseits so weitermachen, bis entweder du schließlich entnervt zusammenbrichst oder hinter der professionellen Fassade des Humanistischen Psychologen schließlich doch der Mensch hervor tritt. Dann aber solltest du laufen. Der Wutausbruch eines berufsmäßig sanftmütigen Menschen könnte fürchterlich sein.
Der Jeans-Psychologe wird dich ohne Umschweife ebenfalls ein Arschloch nennen. "Ob ein Arschloch wie du überhaupts das Recht hat, mich 1 Arschloch zu nennen?"

Lies bitte...

Im Usenet schrieb einst einer: "Ich verstehe die Frage in diesem Zusammenhang nicht. Und von was für einem Massenmord in Russland sprichst Du?" Und er erhielt von einem anderen die Antwort: "Lies bitte Solschenizyns neuestes Buch."

Ich antwortete darauf:
Das ist so eine Unsitte hier im Usenet [1]. Es scheint, als wären manche Leute völlig außerstande, irgendwie zu argumentieren. Statt zu antworten, konkret und sachbezogen oder meinetwegen auch unsachlich und witzig und schön beleidigend schreiben die Narren einfach hin: "Lies bitte Solschenizyns neuestes Buch" oder sie empfehlen die Lektüre der "Brunziwutz-Charta" oder der "KAKAKAK-FAQs" oder welchen Unfug auch immer.
Sage L.: Du hast doch Alexander Solschenizyns neuestes Buch gelesen. So du es verstanden hast, wäre es an dir, hier anzuführen, was daraus für deine Argumentation wichtig und bestätigend ist. Ansonsten empfehle ich dir dringend die Lektüre von "Wahnsinn, das. Sehr merkwürdig" von Otto Darmstadt.


[1]   Und überhaupts im Internet, so wäre zu ergänzen...