6.3.21

In einem Satz eine ganze Geschichte erzählen

"Das Haiku ist eine traditionelle japanische Gedichtform, die heute weltweit verbreitet ist. Das (oder der) Haiku gilt als die kürzeste Gedichtform der Welt. (...) Japanische Haiku bestehen meistens aus drei Wortgruppen von 5-7-5 Silben (Moren), wobei die Wörter in den Wortgruppen vertikal aneinandergereiht werden."

(Wikipedia)

Der Wikipedia-Artikel ist so kenntnisreich und gescheit, daß du als normaler Mensch nicht viel mehr als "Freibier" verstehst. Ich hab versucht, mir selber das Ganze anhand eines Beispiels klarzumachen.

Das Frosch-Haiku von Matsuo Bashō gilt eh als das meistzitierte Haiku der Welt.

1. Der alte Weiher: / Ein Frosch springt hinein. / Oh! Das Geräusch des Wassers

2. (Übersetzungsvariante) Uralter Teich. / Ein Frosch springt hinein. / Plop.

Wenige Wörter, aber es entsteht sofort eine Geschichte im Kopf. In jedem Kopf eine andere Geschichte, aber so ist das halt, das ist bei einem 1000‑seitigen Roman nicht anders.

Und dann gibt's da noch diese Tuschezeichnungen aus Japan oder China, ganz wenige Pinselstriche nur, aber du siehst einen Garten, eine Seerose oder einen Drachen. Es sieht aus wie mühelos hingekleckst und braucht doch so viel Konzentration und Übung.

Wer erkennt's? Dies ist die - zugegebenermaßen - raffinierte Fälschung eines japanischen Originals.

So was wollt ich immer können, hab's aber nie können gelernt. Also, Zeichnen sowieso nicht, aber auch mit Wörtern... Ich hatte immer schon den Ehrgeiz, eine ganze Geschichte in einem Satz erzählen zu können, aber ich hab's nie hingebracht. Auch jetzt nicht, im Alter, wo ich eigentlich gereift genug sein müßte. Die beiden folgenden Ja-wenn-das-so-ist-Kürzestgeschichten habe ich mir leihen müssen und ich weiß noch nicht mal von wem.

Ja, wenn das so is und Sie der Oberförster san, na stell ich den Christbaum glei wieder hi.

Ja, wenn das so is und de Sach fuchzg Markln kost, na ziag i mei Hosn glei wieder a.

Oberförster und andere Hochstapler

Da gibt's 1 angeblich wahre Geschichte:

Die Schwester von Friedrich Nietzsche - ja, genau die, die Nietzsches Philosophie in Richtung Blut und Boden und Rassismus gedreht hat - hatte einen Herrn Förster geheiratet und war mit ihm wie alle Deutschnationalen nach Südamerika gegangen. Nach Deutschland zurückgekehrt und glücklich verwitwet hatte sie ihrem Ehenamen Förster noch einen Bindestrich-Nietzsche drangehängt, um von der Prominenz ihres inzwischen verstorbenen Bruders zu profitieren.

Eines Tages war sie auf einen Empfang geladen, so richtig mit Schmackes, so wie's früher war, wir kennen das aus Hans-Moser-Filmen. Jeder der geladenen Gäste reicht dem Oberhofzeremonienmeister am Fuße der Treppe seine Visitenkarte und der Grüßgustav schmettert "Seine Durchlaucht Graf Robert von Cvrkal und Gemahlin", "Seine Exzellenz, Botschafter Franz Maeterlingk", "Medizinalrat Muthesius" etc. pp. Dann eine Visitenkarte "Frau Elisabeth Förster-Nietzsche". Der Oberhof erbleicht, droht zu verohn­machten, faßt sich dann aber wieder und ruft, zu retten, was zu retten war: "Frau Oberförster Nietzsche".

 

All die durchlauchtigsten Grafen, Exzellenzen und Medizinalräte sind - bedenken wir es wohl - doch auch nichts anderes als Hochstapler. In Österreich gibt es zwar längst keinen Hof mehr, wohl aber noch Hofräte, und - um den austriakischen Kaschperln die Krone (!) aufzusetzen gibt's noch Wirkliche Hofräte.

Gschamster Diener, Eier Gnoden.