Mittwoch, 31. März 2021

Ich kann das Wort "Corona" nicht mehr hören

Quelle: Farbfiguren

Der Schußkanal in der Inkontinenzwindel

Im Internet - du glaubst es nicht - findest du manchmal Sachen, die sind so interessant, da fallen dir die Augen aus den gleichnamigen Höhlen.

Vor wenigen Dingsen, ist noch gar nicht so lange her, habe ich einen Wahn­sinns-Kurzfilm gefunden, dessen Autor angeblich mehr als über zwanzig Abonnenten auf seinem YouTube-Channel hat. Bei dem Weg: Man sagt heute nicht mehr "Kurzfilm" [1] sondern Video-Clip. Man sagt übrigens auch nicht mehr "Wahnsinn".

In diesem Video erklärt ein schmuddeliger alter Mann der heranwachsenden Jugend, wie man sich mit einfachsten Mitteln einen Ball basteln kann.

Ich bin der Bauanleitung gefolgt und habe so jeden Tag einen neuen Ball. Wenn ich genug damit genug gespielt habe (es ist mit Sicherheit niewohvoller als das Lesen von "Fisch und Fleisch"-Blogbeiträgen mitsamt den Kommentaren) werfe ich die Bälle vom Balkong aus auf die Wiese, seit einem halben Jahr.

Bisher ist das Angebot von den hier wohnenden Kindern noch nicht angenommen worden, nur den Hausmeister hör ich gelegentlich fluchen, wenn er die Windelbälle aufsammelt, von Woche zu Woche flucht er lauter.

Die Windeln verhalten sich wie Bälle, klar, man kann sie sehr weit werfen, das heißt der Abwurfort ist schwer zu identifizieren. Es ist nicht wie im Fernsee: "Herr Kommissar, wenn ich vom Schußkanal in der Leiche ausgehe, dann muß der Schütze auf einem dieser beiden Balkone", deutet vage in eine Richtung, "gestanden haben." So bin ich sicher vor einer Strafverfolgung durch den Hausmeister.



[1]   Viele Österreicher hatten sich bei Dudens beschwert. Sie wollten wenigstens beim Videoclipanschauen nicht an ihren Bundeskanzler erinnert werden.

Open-Ehr-Festival

Jedes Jahr - also dieses und letztes Jahr nicht - finden im Sommer auf irgendwelchen Wiesen und Nürburgringen sogenannte Open-Ehr-Festivals statt, zur Lobpreisung der Alten Männer.

Habts ihr schon jemals was von einem Omen-Ehr-Festival gehört, die Alten Frauen zu ehren? Und ob man da nicht den Frauenbeauftragten der Staatsregierung informieren sollte...

Zeit - Alter - Zeitalter

Ach, wenn dieser Einstein nicht die Zeit erfunden hätte, wären wir heute alle höchstens halb so alt, wie wir sind.

 

"Zeit ist ein Trick der Natur, damit nicht alles gleichzeitig passiert."

Dieser Spruch wird gemeinhin Albert Einstein zugeschrieben. Verläßlich ist diese Zuschreibung allerdings nicht, denn bei allem, was irgendwie mit Zeit zu tun hat, steht Einstein als Autor in erster Reihe der Verdächtigen, noch vor Georg Christoph Lichtenberg, Oscar Wilde oder Mark Twain.

Worte nachschlagen

Wenn du ein Wort liest oder hörst und nichts mit dem Wort anfangen kannst, dann bist du früher zum Bücherregal rübergeschlurft und hast im Konversationslexikon nachgeschlagen. Heute hast du's noch einfacher. Du tippst das Wort bei Wikipedia oder Google oder wie ein und irgendein schlauer Mensch erklärt dir, was Sache ist. Bei Wikipedia kann's dir allerdings passieren, daß du nach dem Lesen dümmer bist als vorher, weil die Erklärung so kompliziert formuliert ist, daß du... Ach, es ist 1 Jammer.

Schlimm, im Sinne von "so rüchtich schlümm" wird es aber, wenn du ein Ding siehst, du aber keine Ahnung hast, wie man das Dings nennt, in keiner Sprache. Und du kannst niemandem dein Leid klagen, denn dir fehlen ja die Wörter für eine sachkundige Klage.

"Herrgottsnein, wie nennt man  jetzt dieses Dings? Sie wissen schon, das, mit dem die Bergwacht verletzte Skifahrer runterholt? Diese Kreuzung aus Rettungsbahre und Skiern, mit Stangen hinten und vorne und wo der Verletzte dann drinliegt und wo ihn die Bergwachtler irgendwie den Berg runterrutschen lassen? Wenn Sie selbst noch nie dringelegen haben, dann kennen Sies bestimmt vom Fernsehen her. Wenn nicht, ist es aber auch wurscht." (Mublobdob - Eine Geschichte von Leidenschaft und Zufall, Seite 30)

Jetzt schaugst du wirklich alt aus.

Dienstag, 30. März 2021

Es ist ein Ros entsprungen

Als ich noch der Waldbauernbub war hat man zu Whynachten gerne das Lied vom geflüchteten Pferd gesungen.

Ich mein, das Lied wird immer noch gesungen, schließlich ist es wunderschön. Aber wieso, so fragte ich mich als Bub, erzählt man die Geschichte eines entlaufenen Pferdes und was hat das mit Weihnachten zu tun?

Man kommt dem Rätsel teilweise auf die Spur, wenn man in Rechnung stellt, daß man bei uns in Niederbayern zum Pferd nicht "Ferd" sagt wie in weiten Teilen Deutschlands, sondern "Roß". Und dieses Wort spricht man nicht aus wie der Normal-Piefke, also mit wütend gebelltem kurzem "o" und dem ultraharten SS-Runen-"ß", sondern mit ganz weich hingehauchtem, langen "oo" und baiser-zartem "s" [1].

Was weiterhin rätselhaft bleibt - und das hat mir als Kind viel zu denken gegeben - ist das, was nach dem fliehenden Ferd kommt: "...aus einer Wurzel zart".

Was denn für eine Wurzel?

 


[1]   Baiser spricht man seinerseits nicht wie B-See aus, sondern wie Beiser.

Montag, 29. März 2021

Eberhard - Geschichten von einem Schwein

 Nachdem immer mal wieder, wenn auch eher selten, nach meinen Eberhard-Geschichten gefragt wird, sind sie nun komplett als PDF-Datei erhältlich.

Zwei Kostproberl:

Der Bratenfänger von Hameln

Verwunschen

Bevor einer frägt: Ich habe schon vor Jahren versucht, die Eberhard-Geschichten als e-Book anzubieten, gegen - man traut es sich kaum hinzuschreiben - Geld. Verdient habe ich damit keinen müden Cent, buchstäblich und wortwörtlich.

Hier gibt es jetzt also die Eberhard-Geschichten kotzenlos und für umeinsonst (ummasunst).

Urumtschi

Vor ein paar Tagen: Ich schlafe, irgendwann träume ich auch, wenn auch nicht so richtig, denn ich weiß im Traum, daß ich träume. Und im Traum sage ich plötzlich "Urumtschi". Nanu? Wer oder was ist "Urumtschi"? Ich weiß es nicht, weder im Traum, noch im Wachzustand, in den ich vor Schreck geraten bin. "Urumtschi" hört sich sehr nach irgendwelchen Phantasiewörtern an, die ich manchmal so vor mich hinbrabble und die sich viel zu oft als echt erweisen, Kyritz an der Knatter etwa, Ushuaia oder gar Wurmannsquick. "In der am Meer gelegenen Stadt Urumtschi lebte einst König Bulgur, der eine Tochter hatte, die liebreizende Soja. An einem linden Abend im blütenduftenden Mai stand Soja am Fenster und sah den roten Mond über den Hügeln aufgehen. Seufzend senkte sie ihren Blick und sah unten auf der Straße ein großes, dickes, rosafarbenes Schwein mit schwarzem Hut vorbeigehen. "Oh!", sagte Anna, die dergleichen noch nie gesehen hatte. Das Schwein, überrascht von dem Seufzer, blickte zu der Prinzessin auf. Und 'Oh!', sagte auch das Schwein, das dergleichen noch nie gesehen hatte." So etwa in der Art, man kennt das.

So sehr sich "Urumtschi" nach Quatsch anhört, so sicher war ich mir, es müßte irgendwo auf dieser Welt ein Urumtschi geben. Als der Laptop hochfuhr (ich habe Windows, so was zieht sich also) tippte ich auf Afrika. Ja, "Urumtschi" liegt im Inneren Afrika. Wikipedia aber meinte, Urumtschi liege in China, 300 km vom Eurasischen Pol der Unzugänglichkeit entfernt.

Donnerstag, 25. März 2021

Ihquäl pej

Die wenigsten werden es wissen [1], deswegen erzähl ich es hier: In Norwegen haben Frauen einen gesetzlich verbrieften Anspruch darauf, daß sie für gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten wie Männer. Ja, die Skandinavier, sind uns halt immer - oder doch oft - eine Nasenlänge voraus.

Der norwegische König Frederik, von dem dieses Gesetz stammt, herrschte damals auch über Dänemark, Schweden und - natürlich - Island. Damals, das war 1720. Das ist - versteht sich - eine Ällabäätsch-Information. Denn gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit gibt's längst nicht mehr, auch nicht in Skandinavien. Die Guten Alten Zeiten (GAZ®) sind lang vorbei. Die Guten Alten Zeiten waren, als Islands Fischer zu 30 bis 40 Prozent Fischerinnen waren, das blieb bis in die Hälfte des 19. Jahrhunderts so.

In der Nationenwertung der Equal-Pay-Olympiade liegt heute Norwegen auf Platz 8, nach den Philippinen, Thailand, Nepal, Vietnam, Namibia und Mosambik. Mit Abstand Spitzenreiter ist (Trommelwirbel) Burundi. In Burundi verdienen die Männer drei Viertel so viel wie ihre Frauen. Burundi ist das einzige Land der Welt, in dem das Einkommensverhältnis zwischen den Geschlechtern umgedreht ist. Norwegen liegt deutlich vor Deutschland oder gar Österreich.

Nun seid ihr natürlich schlaue Mäderlen und Buberlen und laßt euch von einem Schabernack-Gaudiburschen wie mir nicht für dumm verkaufen. Deshalb hier die Wahrheit über die Seawomen of Iceland. Gestern, auf der Bahnfahrt nach Weißenburg zu einem Kurs für Trunkenheitsfahrer habe ich mir eine Sendung über Þuríður Reynisdóttir und die anderen isländischen Seefrauen angehört. Den Podcast "Geschichten aus der Geschichte" kann ich im übrigen ganz allgemein wärmstens empfehlen.

 


[1]   Ich hab's auch erst gestern erfahren.

Mittwoch, 24. März 2021

Fremdenlegionäre und andere Künstler

Der Musikkritiker Ulrich Schreiber hat 1980 im Westdeutschen Rundfunk ein bemerkenswertes Experiment gemacht [1]. In einer Rundfunksendung wurden drei Interpretationen der 4. Sinfonie, der "Romantischen", von Anton Bruckner gespielt [2].

Die Hörer hatten die Möglichkeit, telefonisch ihre Meinung zu äußern, das heißt sie konnten die drei Interpretationen in eine Rangordnung bringen. Die einzelnen Aufnahmen wurden von kurzen musikkritischen Stellungnahmen eingeleitet, welche die verschiedenen Interpreten (Karl Böhm, Leonard Bernstein und Herbert von Karajan) stilistisch einordnen sollten und dabei ganz bewußt mit Klischees arbeiteten.

Der Haken war - es handelte sich jedesmal um die gleiche Aufnahme! Und: Sie stammte von keinem der drei vorgestellten Dirigenten. Im Verlauf der Sendung riefen 563 Hörer an, die neben einigen soziologischen Daten ihr Urteil in den Computer beim Sender einspeisten [3]. Dabei bezeichneten sich 65 Prozent der Anrufer als Klassik-Spezialisten. Das Ergebnis: 30 Prozent stimmten für Karajan, 28 Prozent für Bernstein und 23 Prozent für Böhm, 18 Prozent enthielten sich. Auf die Idee, daß hier manipuliert worden sein könnte, kam kein einziger, kein einziger Anrufer äußerte auch nur den Verdacht, es habe sich um identische Musikbeispiele gehandelt.

Ein bißchen Wortgeklimper zur Einstimmung und der angebliche Kenner sackt mit all seiner Sachkenntnis ein.

Ossian

Ein weiteres, noch interessanteres Beispiel, an dem sich zeigen läßt, daß nicht nur Musikexperten wirr im Hirn sind, sondern auch Literaturkenner, ist die Geschichte von Ossian. 1762 erschien in London die englische Übersetzung eines uralten keltischen Epos. Der Text wurde auf ca. 500 bis 600 nach Christus datiert, war damit deutlich älter als alle (bis heute) bekannten Sprach- und Literaturdokumente nord- und mitteleuropäischer Sprachen. Der Autor war ein keltischer Barde namens Ossian, der in seinem Epos in beeindruckend bildkräftigen Versen die Heldentaten seines Vaters und anderer keltischer Heroen besang. Das intellektuelle Europa - unter anderem der junge Goethe, der etwas später eine Übersetzung von Teilen des Ossian-Epos ins Deutsche anfertigte - war begeistert von diesen Versen, von der archaischen Wucht, die dem Leser entgegensprang.

In England blieb man weitgehend skeptisch, man wollte dem barbarischen Volk der Schotten eine solche Kulturleistung einfach nicht zutrauen. Das Mißtrauen wurde geschürt von dem Umstand, daß der Übersetzer, James McPherson, den von ihm entdeckten gälischen Originaltext nicht und nicht veröffentlichen wollte. Geraume Zeit später war dann ohne Zweifel erwiesen, daß James McPherson den Text nicht übersetzt, sondern verfaßt hatte. Pschschsch, eine Fälschung! Raus war der Zauber und die Verse waren plötzlich gar nicht mehr von archaischer Wucht (was sie immer noch hätten sein müssen, wenn die Beurteilung zuvor von Sachkenntnis geleitet worden wäre).

Das literarisches Kunstwerk und sein Autor

Das Kreuz nämlich ist, daß einerseits ein Text ein Text ist. Andererseits aber ist ein Text auch kontextabhängig. Wenn der Satz "Erwin Pachulke hat, das versichere ich hiermit als Augenzeuge, Herr Kommissar, um ca. 18.00 h den Juwelier Rembremmerding überfallen und erschossen" in einem Polizeiprotokoll steht, dann wird dieser Text nur solange belangvoll sein, bis sich erwiesen hat, daß Erwin Pachulke, ausweislich einer Videoaufzeichnung, um ca. 18.00 h, ca. 300 km vom Tatort entfernt sein Auto betankt hat. Oder bis Pachulke endlich gehängt ist.

Ist derselbe Satz dagegen Teil eines literarischen Kunstwerks, so verlieren weder der Satz als solcher, noch das literarische Kunstwerk an sich das geringste, wenn sich herausstellt, daß der ehdem geschätzte Autor ein - sagen wir mal - Serienmörder ist.

Künstler begehen eher selten Morde, das ist richtig, gelegentlich aber begehen Mörder Kunst. Was ich sagen will: Der Hinweis auf den Serienmörder ist kein ausgedachtes Beispiel. Der Österreicher Jack Unterweger [4] wurde wegen des Mordes an einer Wiener Prostituierten verhaftet und schließlich verurteilt. Während seiner Haftzeit startete Unterweger eine fulminante Karriere als Häfenliterat (in Deutschland würde man Knastpoet sagen), er wurde zum Liebling des österreichischen Feuilletons. Viele Prominente aus Kunst und Politik (unter anderem Elfriede Jelinek, Günter Grass, Erich Fried) setzten sich für seine Begnadigung ein. Unterweger wurde dann tatsächlich vorzeitig entlassen und setzte anschließend seine Karriere als Serienmörder fort.

Ein literarisches Kunstwerk wirkt aus sich heraus. Tut es das nicht, ist es kein Kunstwerk, sondern eine Zumutung. Der Text ist entweder gut oder er ist es nicht, und er wird nicht besser oder schlechter dadurch, daß ich irgendwas über den Autor erfahre.

Ich habe mal aus relativer Nähe heraus die Geschichte eines Journalisten erlebt, der unter anderem hochgelobte Bücher geschrieben und als Ghostwriter für einen hochrangigen Würdenträger gearbeitet hat. Dann ist er auf einmal verhaftet worden und wurde schließlich wegen einer sexuellen Straftat zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Als die Vorwürfe gegen ihn bekannt wurden [5], hat sich der Würdenträger sofort von ihm distanziert und heftig abgestritten, daß ihm der Mann die Reden geschrieben hätte, und die Bücher wollte auch keiner mehr kaufen. Hm. Wie ich oben sagte: Wenn die Texte vorher gut waren (ich fand sie nicht so toll, auch vorher nicht), dann sind sie es nach dem Skandal immer noch.

Der Text selbst kann seinen Charakter nicht mehr verändern, wenn er erstmal geschrieben ist. Was sich dagegen ändern kann, ist seine Wahrnehmung und Interpretation, wobei letztere, wie gesehen, sehr stark von dem Gewese und Getöse um den Text herum beeinflußt sein kann.

George Forestier, der falsche Fremdenlegionär

In den fünfziger Jahren erschien in Deutschland ein Band mit Gedichten, in denen George Forestier, ein ehemaliger Fremdenlegionär, seine erschütternden Erlebnisse und Leiden während des Indochina-Kriegs verarbeitete. Forestier wurde damals mit Ingeborg Bachmann in einem Atemzug genannt, einige stellten gar seine Gedichte über die ihren. Sie beeindruckten in ihrer Wucht und Authentizität.

1955 stellte sich heraus, dass das Leben und das Werk Forestiers von Karl Emerich Krämer frei erfunden worden waren. Krämer war alles mögliche (u. a. Nazi), aber er war weder in der Fremdenlegion gewesen, noch kannte er Indochina aus eigener Anschauung.

Batsch! Mit einem Schlag war der Zauber seiner Verse verflogen, niemand liest heute noch die Gedichte, in der Literaturgeschichte kommt Forestier allenfalls noch als Kuriosität am Rande vor.

Literatur arbeitet fast immer mit der Einfühlung, das heißt man erwartet von einem Schriftsteller nicht, daß er die dargestellten Ereignisse tatsächlich selber erlebt hat, auch wenn er als Ich-Erzähler auftritt. Karl May, der seinerzeit seine Geschichten ausdrücklich und beharrlich als selbsterlebt ausgegeben hat, hat man seinen Schwindel verziehen, George Forestier nicht.

Goya, der Stümper

Was der Louvre in Paris für Frankreich ist, das ist der Prado in Madrid für Spanien. Und was die Mona Lisa für den Louvre ist, das ist "Der Koloß" von Francisco Goya für den Prado. "Der Koloß" gilt als das Meisterwerk Goyas, der uns noch so viele andere Meisterwerke hinterlassen hat. Das Bild ist das Schmuckstück des Prado und es zählt zu einem der am häufigsten und intensivsten von der Fachliteratur behandelten Gemälde, nicht nur Goyas, sondern der Kunstgeschichte insgesamt.

Alles Vergangenheit, dies. Denn, wie es im Leben manchmal so geht: Vor einiger Zeit entdeckte man in einer Ecke des Bildes ein verstecktes Kürzel, das Experten als die Initialen "AJ" identifizierten. Das Bild ist inzwischen 200 Jahre alt und der Laie frägt sich natürlich, wieso diese Entdeckung nicht schon längst gemacht worden ist. Immerhin ist der Koloß eines der bestdokumentierten Werke der Kunstgeschichte. Legionen von Experten haben im Laufe von 200 Jahren das Bild sehr, sehr genau untersucht, kunstgeschichtlich, kunsttheoretisch und natürlich auch naturwissenschaftlich.

Wie auch immer:

Das Kürzel "AJ" deutet nicht auf Francisco Goya hin, das wurde selbst den Experten klar, sondern vielmehr auf Asensio Juliá, einen Schüler Goyas, der - klar - auch in Goyas Werkstatt gearbeitet hat.

Und nun gingen den Experten die Augen auf: Das Prado-Museum veröffentlichte ein Gutachten, das ein Team von Experten verfaßt hatte, welche den "Koloß" mehre Monate lang untersucht hatte (ntv-de vom 26.01.2009). Das Werk passe nicht zum Stil Goyas hieß es dort und: "Es gibt markante Unterschiede zwischen dem "Koloss" und den Meisterwerken Goyas, deren Urheberschaft dokumentiert ist. (...) Bei richtigem Licht betrachtet wird deutlich, dass die dürftige Technik, das Licht und die Farbtöne nicht dem Niveau Goyas entsprechen." Die Gutachter hoben ferner hervor, dass das Gemälde perspektivische Fehler aufweise, die einem Perfektionisten wie Goya niemals unterlaufen wären.

Das sind starke Worte, kühne Worte. Dem großen Meisterwerk Goyas, das zu den bedeutendsten Meisterwerken der Malerei gezählt wurde, wird nun auf einmal "dürftige Technik" nachgewiesen, man findet jetzt plötzlich Fehler in der Perspektive, die einem Perfektionisten wie Goya niemals unterlaufen wären. Waren die Leute vorher alle blind gewesen?

Dieses noch, leidlich zum Thema passend.



[1]   Die Informationen verdanke ich dem Artikel "Erkennen Sie den Interpreten?" von Reinhard Söll, Mittelbayerische Zeitung, 17.07.1982. Er wiederum gibt als Quelle den Artikel "Mystifikation in der Musik" aus der Zeitschrift "HiFi-Stereophonie" vom Januar 1981 an. Dort wurde das Experiment detailliert beschrieben, weitere Informationen zu diesem Artikel, geschweige einen Link habe ich nicht gefunden.

[2]   Es wurden anscheinend nur Auszüge gespielt. Die 4. Sinfonie von Bruckner dauert immerhin ca. eine Stunde.

[3]   PCs und Internet waren 1980 noch unrealistische Träume.

[4]   Der für einen Österreicher eher untypische Vorname Jack kommt von seinem leiblichen Vater, einem GI. Es ist kein Künstlername, obwohl Unterweger vor seiner literarischen Karriere Aktionskünstler war (Bankraub, Mord etc.).

[5]   Es wurde damals erst gegen ihn ermittelt, eine Anklage, geschweige eine Verurteilung war noch in weiter Ferne.

Montag, 22. März 2021

Runenstrümpfe


Nu sachma, bekommste mit solchen Strümpfen nich auch Lust, in Polen einzumarschieren? Oder läuft nur meine Phantasie heiß?

Sonntag, 21. März 2021

Sallust und die Coronazeitung

Nicht, daß ich die "Kronenzeitung" täglich läse - es gibt Grenzen des Wahnsinns. Gelegentlich aber werde ich von jemandem drauf aufmerksam gemacht, was in der "Kronenzeitung" gestanden hätte und jedesmal - je-des-mal - greife ich in den schandbarsten Schlamm. Schlimmer als die BILD-Zeitung, und das heißt was.

In einem von einer ungenannt bleiben müssenden Userin verlinkten Artikel lese ich: "Denn genau jener junge Mann (für ihn gilt die Unschuldsvermutung), der mit Van der Bellen und dem grünen Landesrat Anschober vor den Kameras stand, wird nun ein Fall für den Verfassungsschutz. Auf seiner Facebook-Seite soll sich der Flüchtling mutmasslich als Fan der libanesischen Terrororganisation Hisbollah gezeigt haben. Auch dem Iran-Regime sei er nicht abgeneigt."

Heißt: Ich weiß gar nichts, schreib's aber mal hin. Der Österreicher Johann Nestroy hätte geschrieben: "Dös is klassisch"

Wenn du in der Schul Latein gehabt hast, dann kennst du wahrscheinlich den Sallust. Wenn nicht, suchst du dir einen Querbalken und hängst dich dran auf. Ich nehme zum Exempel die alte Klatschtante Gaius Sallustius Crispus, weil der Fall Catilina inzwischen doch jede Tagesaktualität verloren hat:

Sallust nämlich schrieb einst: "Meines Wissens glaubten manche Leute, daß die Jugend, die in Catilinas Haus verkehrte, sich in entehrender Weise schamlos benommen habe; das wußte zwar niemand zuverlässig, doch aus verschiedenen Gründen hielt sich dieses Gerücht."

Das ist Berichterstattung nach Art der Kronenzeitung: Er ist sich nicht sicher (1. Stufe des Gerüchts), ob manche Leute glauben (2. Stufe des Gerüchts), daß die Jugend ... sich ... schamlos benommen habe (3. Stufe des Gerüchts). Dann betont er noch mal, daß das alles wilde Gerüchte seien und zieht schließlich die Trumpfkarte: "Doch aus verschiedenen Gründen hielt sich dieses Gerücht." Ich weiß gar nichts, nicht mal ansatzweise, aber ich erzähl's euch halt mal.

Sallust gilt unter Altphilologen immer noch als lateinischer Klassiker und zitierenswerter Geschichtsschreiber.

Ich mein, daß Gaius Sallustius Crispus als Mensch eine Drecksau gewesen sein muß (und zwar so drecksäuig, daß man ihn der Jugend zweitausend Jahre später definitiv nicht mehr zumuten sollte), ist eine Sache. Daß er als Schriftsteller (eigentlich ja Chronist seiner Zeit) ein Totalausfall war, unerachtet dessen aber immer noch hoch geschätzt wird, ist ausgesprochen betrüblich. Anscheinend gilt tatsächlich das Gesetz: Je länger ein Schriftsteller bereits tot ist, desto nachsichtiger sind wir in seiner Beurteilung.

Donnerstag, 18. März 2021

Vegane Schnitzel und andere Perversitäten

Beim real,- in Regensburg-Reinhausen haben sie im Kühlregal [1] ganz hinten, also ganz links und ganz unten zwei kleinere Fächer, in denen Produkte liegen, die in Bälde ihr Ablaufdatum erreicht haben werden. Gleich drüber werden vegetarische und vegane "Fleisch"-Produkte angeboten.

Immer mal wieder stehe ich vor den Fächern mit den Schnäppchen, immer mal wieder sehe ich fast zwangsläufig auch das Fake-Fleisch. Und jedes Mal wird mir dabei ganz melancholisch um's Herz, denn - klar - ein Vegetarier, der einen Veggie-Döner ißt, ist nur ein sogenannter Vegetarier. Wer ein vegetarisches Schnitzerl verspeist, trägt seine Lust auf Fleisch zur Schau. Ein Beispiel, um klarzumachen, was ich meine: Sähe ich einen trockenen Alkoholiker, der seinen Eistee aus dem Cognacschwenker schlürft, dann muß ich kein scharfsinniger Psychologe sein, um mir große Sorgen über die Dauerhaftigkeit seiner Abstinenz zu machen. In einer kleinen Stadt in den Abruzzen sah ich einst einen Mann, der während eines Gespräches einen Stift hielt, als wäre dieser eine Zigarette, der immer wieder einen Zug aus dieser fiktiven Zigarette machte und zwischendurch gedankenverloren die Asche vom Glimmstengel streifte. Der Mann hatte offensichtlich mit dem Rauchen aufgehört, allerdings erst vor kurzem und seine Abstinenz war alles andere als stabil. Seine Seele rauchte immer noch.

Der Umstand, daß fleischfreie Wurst hergestellt, verkauft und verzehrt wird gibt zu denken. Kannst du dir vorstellen, daß ein Fleischesser sich danach sehnt, sein Wienerl, optisch und geschmacklich als Karfiol gestaltet zu verzehren? Der Fleischesser mag entweder auch Blumenkohl, dann ißt er ihn, oder er mag ihn nicht, dann ißt er ein anderes Gemüse zur Wurst.

Wenn der Vegetarier vegetarisches Döner ißt, dann macht er damit dem Wolf in sich eine Freude. "Eigentlich würde ich jetzt am liebsten richtiges Döner essen", sagt er uns, "aber eine gottverschissene dreckige Möh­ren­müm­melideologie hindert mich daran."

Es liegt so viel Traurigkeit und menschliches Elend in einem Veggie-Burger. Alleine wenn ich mir vorstelle, wie viel künstliche Gewürze und Farbstoffe, wieviel Nahrungsmittelergänzungen man in einen Gemüsepapp geben muß, damit er optisch und geschmacklich so leidlich als Fleisch durchgeht,

In den sechziger Jahren gab es bei Tengelmann (ich denk jedenfalls, daß es Tengelmann war) Sojafleisch [2] zu kaufen. Ich bin in einem Metzgerhaushalt [3] aufgewachsen, Mein Vater war ein neugieriger Mensch und so gab es eines Tages Sojafleisch. Jeder hat gekostet und wir haben viel gelacht. "Schmeckt scheiße, das Zeug" war das einhellige Urteil. Wobei... so schlecht war das Zeug eigentlich gar nicht. Wäre es als Sojakügelchen oder wie oder was angeboten worden, man hätte sich damit anfreunden können. So aber mußte das arme Ding sich als etwas ausgeben, das es nicht war. Sojafleisch, ein Fleischersatz. (Fast) jeder Ersatz fällt gegenüber dem Original deutlich ab, außer vielleicht das Wichsen. Bei uns in Niederbayern hat man seinerzeit auf dem Bau  gesagt: "Ficken kann gar nicht so schön sein, wie du's dir beim Wichsen vorstellst." [4]

Denk da mal darüber nach.

P. S.: Hast du dir je klargemacht, daß Wodka und Wixi streng vegan sind, Stillen aber nicht? Prost!

Damits ihr allesamt nicht dumm sterbts, noch ein kleines Kapitelchen Kunstgeschichte. Der Österreicher Giuseppe Arcimboldo [5] hat anno seinerzeit ein Topferl Gemüse, das ihm seine Frau auf dem Markt von Prag oder wo gekauft hatte, gemalt.

Viele Jahrhunderte später erst hat ein Forscher-Team der Università Federico II. in Napoli herausgefunden, daß es sich in Wirklichkeit um das Porträt eines Vegetariers handelte.




[1]   regalo da culo sagt man auf Italienisch.

[2]   Kein Mensch wußte damals, was Soja ist, sowenig wie Jute. Als Zehnjähriger mußte ich beim Erlernen des Zehnfingermaschinenschreibens Geschäftsbriefe abtippen, in welchen einem Kunden Jutesäcke angeboten wurden. "Aha", sagte ich mir. Vorstellen, so richtig vorstellen konnte ich mir unter "Jute" aber nix.

[3]   Meine Mutter hat sich stets (und vergeblich) bemüht, mir Gemüse und Salat schmackhaft zu machen. "Iß, Junge, das ist sooo gesund."

[4]   Niederbayern sind grobschlächtig, Bauarbeiter auch... Nur damit du einen Begriff bekommst von der Grobheit niederbayerischer Bauarbeiter.

[5]   Arcimboldo wurde 1526, vielleicht auch erst 1527 in Mailand geboren. 1525 war Mailand habsburgisch geworden und blieb dies jahrhundertelang, bis 1866 ein gewisser Giuseppe Garibaldi erst den Schnellkochtopf und wenig später Italien erfunden hat.

Dienstag, 16. März 2021

 Auf Facebook gefunden:

Gewichtstsunami beim Dayton

Das aus dem amerikanischen Englisch (dayton) entlehnte Wort "daten" bedeutete zunächst nix anderes als "sich mit Irgendwem irgendwo zu irgendwas verabreden". Ich mein, anständige Leute haben natürlich nicht gesagt "Ich date den Erwin beim Unterwirt zum Schach", sondern sie drückten sich vornehmer aus: "I treff mi mim Erwin und den anderen Saufköpfen beim Unterwirt zum Schafkopfen."

Wörter verändern ihre Bedeutung durch Gebrauch. Inzwischen - seit längerem schon, wenn ich's genau bedenke - bedeutet "daten" soviel wie "ficken".

Und dann - so lange kann's noch nicht her sein - seh ich auf "Fisch und Fleisch" diese Anzeige:

"Nanu!", denke ich mir, "wie könnte jemand durch Pudern zunehmen?" Eigentlich, sagt mir der "Gesunde Menschenverstand®, sollte es doch umgekehrt sein. Pudern ist eine sportliche Veranstaltung, du verbrauchst dadurch Kalorien, deutlich mehr jedenfalls als du durch die Zigarette danach wieder drauflegst. Ein guter Hahn, sagt man, wird nicht fett. Wie also könnte jemand durch Daten zunehmen?

Ich erkläre es mir so: Auf dem Photo ist ein Männchen beim Balzfüttern eines Weibchens zu sehen. Balzfüttern ist ein durchaus verbreitetes Verhalten im Tierreich, Affen etwa, die einem Weibchen Früchte oder Fleisch abgäben, kommen deutlich öfter zum Schuß als Männchen, dies nicht tun. Balzfüttern ist die noch nicht so organisierte Vorstufe zur Prostitution. Karl Marx nannte eine Eheschließung, die in erster Linie der Versorgung der Frau diene, die "Bürgerliche Prostitution". Da hatte er mal wieder recht.

Wenn du heutigentags eine Frau anbaggerst, mußt du sie zum Essen einladen, sonst geht schon mal gar nichts. Sie frißt sich an, du frißt dich an und zum - kalorienreichen [1] - Saufen sollte auch ausreichend vorhanden sein. Klar wirst du fett und sie wird fett und die Leber ächzt. Ob's nicht sinn- und stilvoller wäre, eine Frau gradheraus zu fragen, ob sie Lust zum Knattern hätte? Gesünder wär's auf jeden Fall. Aber, wie gesagt, balzfütternde Männchen kommen deutlich öfter zum Schuß, nicht nur bei Affen.

Säufts.

P. S.:Der Franze hat gsagt, wenn er mit einer Schnepfen zweimal groß ausgehen muß, eh er sie flachlegen kann, dann, sagt er, käm ihn der Puff billiger.


[1]   0,7 l Weinbrand etwa enthalten ca. 1600 Kilokalorien.

Montag, 15. März 2021

Sicherheitskräfte

Bei Demonstrationen in Myanmar hätten - so lese ich es in der Süddeutschen Zeitung und anderen Medien - burmesische Sicherheitskräfte ca. 60 Menschen alleine in der alten Hauptstadt Rangun getötet. Die Zahl der Todesopfer im ganzen Land dürfte demnach erheblich höher sein.

Sicherheitskräfte...

Wie sich die burmesischen Unsicherheitskräfte aufführen, will ich gar nicht erst wissen.

Montag, 8. März 2021

Fremdenhaß

Meine Familie kommt aus dem Sudetenland, von ganz weit hinten, zwei Kilometer von der Grenze zu Schlesien entfernt. Der ganze Stamm bestand mütterlicher- wie väterlicherseits aus so was von Erzösterreichern, das glaubst du nicht. Da hatten sogar die Frauen einen Original-Kaiser-Franz-Joseph-Bart.

Mein Vater - im selben Jahr geboren da die "Titanic" unterging - hat erzählt, man habe sich zuzeiten zum Grenzfluß Oppa begeben und dort die Preisn (mein Vater sagte tatsächlich "Preisn", ein ganz weiches "s", während er andererseits von den "tummen Pauern" sprach) über den Fluß hinweg mit Steinen beworfen. Wozu braucht man Polen oder Tschechen, wenn man genau so gut auch die Schlesier hassen kann?

 

Das war jetzt mein Haßkommentar für dieses Jahr. Wer mehr Haß will, der muß bis 2022 warten. Oder er segelt mit der "Xarifa" auf die Malediven.

Wieso Rembrandt geschäftlich erfolgreicher war als ich es je sein werde

Der Punkt ist, daß ich nicht zeichnen kann, weder zeichnen noch malen noch Skulpturen aus Lehm oder was formen. Ich bin einfach zu ungeschickt. Wenn du mir sagst "zeichne einen Vogel", dann kann ich das nicht, bzw. der auf dem Papier entstehende Vogel wird so gottserbärmlich schematisch und uninspiriert sein, das glaubst du nicht.

Was bleibt mir also übrig? Wenn ich garantiert nicht an's Zeichnen denke, beim Telefonieren zum Beispiel, kritzele ich gedankenverloren auf einem Block. Irgendwas. Wenn ich das lange genug mache, erkenne ich schließlich - nicht immer, aber immer öfter - irgendetwas in meinem Gekrakel. Jetzt brauche ich nur noch Details in meine Grafik reinfummeln und fertig ist die Kunst. Es ist unglaublich, wieviel mir schon für meine Grafiken geboten worden sind, zehntausende, manchmal hunderttausende Euro, aber ich verkaufe sie natürlich nicht.

Der berühmte Maler Rembrandt [1] Harmenszoon van Rijn war geschäftlich viel erfolgreicher als ich, aber er hatte auch seine Frau Saskia, eine ungemein begabte Kulturmanagerin. Auf seine Einkünfte aus der Erfindung des Weinbrands

wäre er gar nicht angewiesen gewesen, so viel brachten ihm seine Bilder. Dabei war Weinbrandt auch nichts weiter als ein ganz gewöhnlicher Fleckerlmacher. Der hat ein Kleckserl Rot oder Braun oder Gelb oder wie oder was auf seinen Malerpinsel getan und dieses Kleckserl dann auf die Leinwand oder das Holz oder das wie oder was geschmiert. Das hat er geraume Zeit so gemacht und sich dabei gefreut wie ein Kind. Dann ist er zwei, drei Schritte zurückgegangen und hat gesagt "Nanu? Das bin ich ja ich."

In seiner berühmten Autobiographie "Viele Kleckserl und nur 1 Ich" hat Rembrandt geschrieben, daß er dies ständig so gemacht habe. Wenn er in der Kleckserei was erkannt habe, das ihm bekannt vorgekommen sei, habe er das Ding behalten und als Kunst weiterverkauft. Wenn nix draus geworden sei habe er das Zeug am Ende einfach verbrannt. Später habe er diese mißlungenen Klecksereien dann an einen Mann namens Poul Piekaso verschenkt, der sich darüber gefreut habe wie ein Honigkuchenpferd.


Dieser Poul Piekaso sei ein Spanier und überdies ein Spinner gewesen, der behauptet habe, er sei ein Zeitreisender aus der Zukunft. Aber mei, schreibt Rembrandt, gewundert habe ihn das nicht, denn Spanier seien bekanntermaßen Spinner.

 


[1]   Weil Rembrandt seine Geschäftsbriefe gerne mit Rembr. unterschrieb, dachte man häufig, er heiße Rembremerding und sei Baron.

Samstag, 6. März 2021

In einem Satz eine ganze Geschichte erzählen

"Das Haiku ist eine traditionelle japanische Gedichtform, die heute weltweit verbreitet ist. Das (oder der) Haiku gilt als die kürzeste Gedichtform der Welt. (...) Japanische Haiku bestehen meistens aus drei Wortgruppen von 5-7-5 Silben (Moren), wobei die Wörter in den Wortgruppen vertikal aneinandergereiht werden."

(Wikipedia)

Der Wikipedia-Artikel ist so kenntnisreich und gescheit, daß du als normaler Mensch nicht viel mehr als "Freibier" verstehst. Ich hab versucht, mir selber das Ganze anhand eines Beispiels klarzumachen.

Das Frosch-Haiku von Matsuo Bashō gilt eh als das meistzitierte Haiku der Welt.

1. Der alte Weiher: / Ein Frosch springt hinein. / Oh! Das Geräusch des Wassers

2. (Übersetzungsvariante) Uralter Teich. / Ein Frosch springt hinein. / Plop.

Wenige Wörter, aber es entsteht sofort eine Geschichte im Kopf. In jedem Kopf eine andere Geschichte, aber so ist das halt, das ist bei einem 1000‑seitigen Roman nicht anders.

Und dann gibt's da noch diese Tuschezeichnungen aus Japan oder China, ganz wenige Pinselstriche nur, aber du siehst einen Garten, eine Seerose oder einen Drachen. Es sieht aus wie mühelos hingekleckst und braucht doch so viel Konzentration und Übung.

Wer erkennt's? Dies ist die - zugegebenermaßen - raffinierte Fälschung eines japanischen Originals.

So was wollt ich immer können, hab's aber nie können gelernt. Also, Zeichnen sowieso nicht, aber auch mit Wörtern... Ich hatte immer schon den Ehrgeiz, eine ganze Geschichte in einem Satz erzählen zu können, aber ich hab's nie hingebracht. Auch jetzt nicht, im Alter, wo ich eigentlich gereift genug sein müßte. Die beiden folgenden Ja-wenn-das-so-ist-Kürzestgeschichten habe ich mir leihen müssen und ich weiß noch nicht mal von wem.

Ja, wenn das so is und Sie der Oberförster san, na stell ich den Christbaum glei wieder hi.

Ja, wenn das so is und de Sach fuchzg Markln kost, na ziag i mei Hosn glei wieder a.

Oberförster und andere Hochstapler

Da gibt's 1 angeblich wahre Geschichte:

Die Schwester von Friedrich Nietzsche - ja, genau die, die Nietzsches Philosophie in Richtung Blut und Boden und Rassismus gedreht hat - hatte einen Herrn Förster geheiratet und war mit ihm wie alle Deutschnationalen nach Südamerika gegangen. Nach Deutschland zurückgekehrt und glücklich verwitwet hatte sie ihrem Ehenamen Förster noch einen Bindestrich-Nietzsche drangehängt, um von der Prominenz ihres inzwischen verstorbenen Bruders zu profitieren.

Eines Tages war sie auf einen Empfang geladen, so richtig mit Schmackes, so wie's früher war, wir kennen das aus Hans-Moser-Filmen. Jeder der geladenen Gäste reicht dem Oberhofzeremonienmeister am Fuße der Treppe seine Visitenkarte und der Grüßgustav schmettert "Seine Durchlaucht Graf Robert von Cvrkal und Gemahlin", "Seine Exzellenz, Botschafter Franz Maeterlingk", "Medizinalrat Muthesius" etc. pp. Dann eine Visitenkarte "Frau Elisabeth Förster-Nietzsche". Der Oberhof erbleicht, droht zu verohn­machten, faßt sich dann aber wieder und ruft, zu retten, was zu retten war: "Frau Oberförster Nietzsche".

 

All die durchlauchtigsten Grafen, Exzellenzen und Medizinalräte sind - bedenken wir es wohl - doch auch nichts anderes als Hochstapler. In Österreich gibt es zwar längst keinen Hof mehr, wohl aber noch Hofräte, und - um den austriakischen Kaschperln die Krone (!) aufzusetzen gibt's noch Wirkliche Hofräte.

Gschamster Diener, Eier Gnoden.

Mittwoch, 3. März 2021

Deepfake - Flatfake

Allmählich scheint sich die Geschichte mit dem Deepfake zwar herumzusprechen, aber für die, die's noch nicht wissen oder nicht so genau wissen, sei es nochmal dargelegt, sicherheitshalber.

"Deepfakes (Kofferwort, zusammengesetzt aus den Begriffen „Deep Learning“ und „Fake beschreiben realistisch wirkende Medieninhalte (Foto, Audio und Video), welche durch Techniken der künstlichen Intelligenz abgeändert und verfälscht worden sind. Obwohl Medienmanipulation kein neues Phänomen darstellt, nutzen Deepfake-Methoden des maschinellen Lernens, genauer künstliche neuronale Netzwerke, um Fälschungen weitgehend autonom zu erzeugen.

(...)

Der erste und derzeit häufigste Einsatz von Deepfakes findet im Bereich des „face swapping“ statt. Hierbei wird in visuellem Material (z. B. Videos oder Fotos) das Gesicht einer Person mit einem generierten Gesicht einer anderen Person getauscht um eine Zielperson in einem anderen Kontext darzustellen. Die so entstehenden Inhalte haben großes destruktives Potential, wie zum Beispiel gefälschte pornografische Inhalte. Deepfakes gehen allerdings weit über die Anwendung des „face-swapping“ hinaus und beinhalten die Manipulation auditorischer Inhalte (z. B. „voice swapping“) und die als „body-puppetry“ bekannte Übertragung von Körperbewegungen auf andere Personen in Videomaterial."

(Wikipedia)

Mit der entsprechenden Software (angeblich leicht zu handhaben) kann (fast) jeder Depp die Mona Lisa zum Sprechen bringen oder Hitler und Stalin gemeinsam singen lassen. Das ist in diesen Fällen lustig, denn jeder weiß sofort, daß es sich hier um übermütigen Spaß handelt, aber wenn du zum Beispiel Hauptdarsteller einer Pornoszene bist, wirst du es vermutlich nicht mehr ganz so lustig finden.

Es gibt allerdings auch sehr viel einfachere Methoden, jemanden ganz schlecht aussehen zu lassen.

Da tritt etwa George W. Bush - 2006, als er noch Präsident war - vor die Kamera und lallt mit schwerer Zunge. Das wiegt umso schwerer, da allgemein bekannt ist, daß Bush (angeblich trockener) Alkoholiker ist. Craig Ferguson, der Moderator einer Late Night Show führt Bush vor, er macht ihn knallhart lächerlich (auch wenn die Lacher offensichtlich vom Band kommen). Vor Jahren habe ich dieses Video selber weiterverbreitet nach dem Motto "Was für ein Heuchler ist doch dieser Bush".

Und jetzt mach folgendes: Geh mit dem Cursor auf das Zahnradzeichen ganz unten, das vierte von rechts. Klicke drauf und es öffnet sich ein Menü, mit dem du unter anderem die Wiedergabegeschwindigkeit verändern kannst. Gehe von "Standard" auf 1,75fache Geschwindigkeit und schau dir den Clip nochmal an. Der Moderator spricht jetzt lächerlich schnell, während Bush plötzlich... normal spricht. Keine Anzeichen von Trunkenheit mehr in seiner Sprechweise.

Flatfake - so einfach kannst du jeden, auch dich selbst, als versoffenen Idioten hinstellen.

Dienstag, 2. März 2021

Dumm oder bösartig?

Vom Umgang mit den Quellen bei "Fisch und Fleisch"

In einem Blogbeitrag mit dem reißerischen Titel "Der Tod der Senioren nach der Impfung" schreibt ein User auf "Fisch und Fleisch":

"Weltweit gibt es Berichte über Todesfälle alter Menschen nach der Corona-Impfung, besonders in Altenheimen."

Nun, weltweit gibt es auch Berichte über Erscheinungen von Engeln, besonders im Falle von religiösen Menschen. Ein Argument für irgendwas ist das nicht, es ist lediglich leeres Wortgeklingel.

Es geht weiter: "113 Todesfälle wurden allein vom deutschen Paul-Ehrlich-Institut untersucht."

Im verlinkten Artikel des NDR heißt es: "Laut Paul-Ehrlich-Institut sind in Deutschland bislang 113 Menschen nach einer Corona-Impfung verstorben." Unmittelbar an diesen Satz anschließend heißt es weiter: "Nach Panorama-Recherchen gibt es aber nicht einen einzigen belegten Fall, in dem die Impfung zum Tod führte."

Dies ist eine Art der Argumentation, die wir bei den Super-Tschornalisten in "Fisch und Fleisch" Tag um Tag finden: Erwin oder Hildegunde wollen etwas belegen, von dem sie eh überzeugt sind. Sie verweisen auf eine Quelle, die ihre Behauptung nicht nur nicht stützt, sondern ausdrücklich verwirft! Entweder sind Hildegunde oder Erwin so was von dermaßen wirr im Hirn, das glaubst du nicht. Oder sie haben von ihrer Quelle lediglich die Überschrift gelesen ("Corona: Tod nach Impfung" ), die unmittelbar darunter stehenden Sätze aber schon nicht mehr. Oder sie vertrauen kackendreist darauf, daß eh keiner bei "Fisch und Fleisch" irgendwelche Quellen anklickt und aufmerksam durchliest.

Weiter im Text:

"Die Cayetano Heredia Universität, die eine Studie zum chinesischen Impfstoff Sinopharm durchführte, musste eine lokale peruanische Studie unterbrechen, nachdem ein Teilnehmer an einer COVID-19-bedingten Lungenentzündung gestorben war, wie Reuters berichtet.

Das kann man alles hier nachlesen:"

Richtig. Wiederum unmittelbar nach dem oben zitierten Satz heißt es bei der Deutschen Welle weiter: Nach der Entblindung der Studie - also der Offenlegung der Gruppenzugehörigkeit, welche Teilnehmer den Wirkstoff und welche ein Placebo erhielten - stellte sich heraus, dass der verstorbene Proband nicht mit dem Impfstoff geimpft wurde, sondern in der Placebogruppe war. In einer Erklärung sagte die Universität: "Es ist wichtig, festzustellen, dass der Tod der Teilnehmerin nicht mit dem Impfstoff in Verbindung steht, da sie das Placebo erhielt."

Es sind tatsächlich aberwitzig dumme Leute in "Fisch und Fleisch" unterwegs, vielleicht sind es aber nur extrem bösartige Menschen. "NUR bösartige Menschen" schreibe ich deshalb, weil bösartige Menschen theoretisch gutartig werden können, dumme Menschen dagegen nur äußerst selten klug.