Den "blizz",
eines der Regensburger Anzeigenblätter, nehme ich normalerweise nicht zur
Kenntnis ([1]).
Gestern aber sprang mir beim müßigen Blättern eine Meldung ins Auge:
Von Fahrrad getreten und geschlagen
Öha!, sagte ich mir, was für eine Roheit. Ein Passant ist
offensichtlich von einem Fahrrad überfallen und mißhandelt worden, was
sicherlich empörend ist. Endlich aber eine Mann-beißt-Hund-Nachricht,
endlich mal solide recherchierter Dschurnalismus, was erfreulich ist.
Es war aber dann doch ganz anders.
[1]Eine ausführlichere Blattkritik scheint mir
an dieser Stelle unangemessen.
Wenn meine Oma mir irgendwas gesagt oder etwas mich
betreffend getan hatte, das mich verärgert hat, so pflegte ich, der ich weder
mit Worten noch mit Taten einverstanden war, öfter mal unmittig auszurufen:
"Ach, Määänsch!" Was man halt in Niederbayern öfter mal so unmutig ausruft.
Jedes Mal hat meine Oma empört drauf reagiert und es sich
verbeten, von mir "Mensch" genannt zu werden (was sie definitiv war).
Ich hab es nicht verstanden, warum sich die Frau so aufgeregt hat. Jahrzehnte
und etliche Semester Kommunikationspsychologie mußten ins Land gehen, bis ich
verstanden hatte. Meine Oma war nämlich - wie meine ganze Familie, mich
eingeschlossen - Österreicherin, als Sudetendeutsche. In ihrer Jugend hatte sie
mehrere Jahre in Wien gelebt und im bairischen Sprachraum gibt es nicht nur das
Maskulinum "der Mensch",
sondern auch das Neutrum "das Mensch", Mehrzahl "Menscher" (siehe Men(t)scherkammer). "Menscher" sind aber nicht nur
weibliche Dienstboten auf dem Land, ein Mensch
war auch (im entsprechenden Zusammenhang) eine liederliche Weibsperson.
Früher konnte man erst dann heiraten, wenn man ein Gerstl beinander
hatte, was viele ein Lebtag lang nicht schafften, wodurch sich die
Liederlichkeit und die daraus entstandenen Bankerten zwanglos
erklärten.
In der ersten Klasse
Gymnasium, ich muß also so um die 10/11 Jahre alt gewesen sein, lasen wir ein
Gedicht von Mörike und der Deutschlehrer hat sich vor Begeisterung über dies
Gedicht geradezu überschlagen. Ich teilte seine Begeisterung nicht und zwar
ganz entschieden nicht und eine zeitlang hatt ich tatsächlich den Verdacht, der
Deutschlehrer sei selbst dieser Mörike. Anders nämlich konnte ich mir seine
Begeisterung nicht erklären...
Er war es aber doch nicht, was dich nicht überraschen wird.
Manches von Mörike mag
ich inzwischen übrigens sehr gerne...
UM MITTERNACHT
Gelassen stieg die Nacht ans Land,
Lehnt träumend an der Berge Wand;
Ihr Auge sieht die goldne Waage nun
Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn.
Und kecker rauschen die Quellen hervor,
Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.
Das uralt alte Schlummerlied
Sie achtet's nicht, sie ist es müd';
Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
Der flücht' gen Stunden gleichgeschwungnes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort,
Es singen die Wasser im Schlafe noch fort
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.
Vor Wut könnt ich
schreien, daß mir so was nicht
einfällt. Nie.
Uns ist ein
supertrockener und sehr heißer Sommer prophezeit worden. Zumindest war das
Anfang Juni so und im Deutschlandfunk. Heute (Donnerstag, 16. Juli 2020) hat's in
Regensburg um 16:01 h 17,6 ˚C. Bis vor kurzem hat's geregnet. Gestern
war's ebenso.
Das sind die Tage, an
denen sich der Deutsche nach Italien sehnt.
AUS MEINEM TAGEBUCH(authentisch):
21. März 2009 - Ah! Endlich ist es Frühling. Winterstürme wichen dem Wonnemond,
in mildem Lichte leuchtet der Lenz;
auf linden Lüften leicht und lieblich,
Wunder webend er sich wiegt;
Kann es schöneres
geben als den Frühling in Italien?
Ja.
Ganz entschieden. Ich wohne in Castellabate, 120 km südlich von Neapel. Es ist
jetzt 7.45 h morgens, die Sonne strahlt und das Thermometer zeigt -1º C. Gut,
da trägt der eisige Wind mit dazu bei, aber dennoch. Für heute sind uns
sensationelle 1º C (plus!) versprochen. Die Hügel oberhalb von Mercato Cilento
sind mit Schnee bedeckt, was sie noch nie waren in diesem Winter.
Verwundern darf das nicht, Mercato Cilento liegt nur 500 m über dem Meer und
ist bloß einige Kilometer Luftlinie vom Mittelmeer entfernt. Heute aber, zur
Feier des Frühlings, haben die Hügel ihr weißes Mützchen aufgesetzt und die
dahinterliegenden Berge sowieso.
Wanderer, kommst du in's Welschland - zieh dich warm an
(Lied der
Tiber-Schiffer)
Apropos Frühling. Es
wäre ausgesprochen erstaunlich, hätte der Franze ausgerechnet zu diesem Thema
nichts zu sagen.
Der Franze hat gsagt, er liebt den Frühling
sehr, aber er fänd es noch hübscher, wenn man ihn mehr in den Winter verlegen
würd. Dann, sagt er, könnt man mit dem Schlitten durch all die Blütenpracht fahren.
Im real,- in Regensburg-Reinhausen gibt's eine Spachtelecke
mit dem schönen Namen "Bei Bistro Kurt'l".
Jahrelang dachte ich,
dieser durch & durch türkische Imbiß habe einen deutschen Inhaber, eben den
namengebenden Kurt. Der Eindruck wurde verstärkt durch den Umstand, daß der
Chef Kurt'l [1]
so gar nicht türkisch ausschaut, im Gegensatz zum übrigen Personal. Vor gar
nicht langer Zeit mußte ich mich jedoch belehren lassen, daß "Kurt" in
der Türkei ein durchaus üblicher Vor- und Familienname ist. Dem Vernehmen nach
bedeutet er "Wolf". [2]
Im Tripadvisor fand ich dieser Tage einen Kommentar zum "Kurt'l",
also zum Imbiß: "Beim Kurt'l",
las ich da, "gibt's wirklich gute
Sachen." Dann allerdings geht es weiter: "Es ist ztodschad, daß ich erst dann wieder Döner essen werde, wenn sie
den abgehackten Kopf vom Sultan an einer Stange durch Istanbul tragen werden."
Mir stockte der Atem. [3]
Das ist nicht nur eine Aufhetzung zum Döner- und Ayran-Boykott, das ist auch antitürkisch
und dazu noch eine Billigung politischer Lynch-Justiz, wenn nicht gar die
Aufforderung dazu.
Meine Resch-Ärschen ergaben, daß der Verfasser der Hetze ein
gewisser Solvai Etwai ist. Weitere Nachforschungen ergaben, daß Solvai Etwai
ich selber bin.
Empört wende ich mich von mir ab.
[1]Der aufmerksame Beobachter merkt sehr schnell
und 1deutig, wer in einem sozialen Umfeld der Chef ist und wer der Doldi.
[2]Ich knirsche jedes Mal mit den Zähnen, wenn
ich "Türke" und "Wolf" in einem Atemzug nennen höre. Dabei
heiß ich selber "Wolfram", dabei hieß mein Onkel "Kurt",
dabei bin ich inzwischen selber grau. Allerdings bin ich kein Türke! Das
immerhin.
[3]Jedem
Dichter minderer Qualität stockt an
dieser Stelle der Atem. Oder es gefriert ihm das Blut in den Adern, nachdem er wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen ist. Fertig-Poesie
halt.
Ein Ritter von der
Traurigen Gestalt schrieb mir einst: "Wie
sagt man's besser? 'Viele glaubhaft als Evidenzen dargestellte Behauptungen
sind keine'. Nein, auch nicht, alleine wie das klingt."
"...alleine wie das klingt" - Genau
das ist der Punkt. Manchmal hört sich die Wahrheit ganz einfach unbeholfen an,
also formulierst du sie so, daß deine Aussage nur noch ungefähr richtig ist, dafür
aber unheimlich schön klingt. Der österreichische Philosoph Paul Feyerabend hat
mal geschrieben: "...z.B.
kann eine physikalische Theorie harmonischer klingen als eine konkurrierende,
wenn sie mit Gitarrenbegleitung vorgelesen wird."
Der zweite Teil des
Satzes ist natürlich weder Deutsch, weder schön. Eigentlich müßte man schreiben
"...das hätte nie geschehen dürfen", aber sing da mal ein Lied drauf.
Apropos "weder, weder". Altmeister Fack Ju Göhte dichtete einst
"Bin weder Fräulein weder schön...", was bei jedem Deutschlehrer die
Alarmglocken schrillen läßt. Aber... Die korrekte Form wäre "weder ...
noch" gewesen, aber "Bin weder Fräulein noch schön" hätte den Rüttmus (bei dem ich immer
müttmus) kaputt gemacht. Gut, "Bin weder Fräulein noch GAR
schön..." (wie von mir seinerzeit vorgeschlagen) wäre zwar korrekt gewesen
UND hätte den Rhythmus bewahrt, aber dergleichen Sprachgewandtheit war dem Altmeister nicht gegeben.
Besagter Ritter zieh
mich dann noch der Schlamperei bei der Sprache. "...bei dir zwiebelt mich Schlampigkeit der Sprache besonders."
Gut gesprochen, aber was
heißt schon "Schlampigkeit". Georg
Christoph Lichtenberg, ein anderer Altmeister,
hat es mal so auf den Punkt gebracht: "Der große Kunstgriff, kleine Abweichungen von der Wahrheit für die
Wahrheit selbst zu halten, worauf die ganze Differentialrechnung gebaut ist,
ist auch zugleich der Grund unserer witzigen Gedanken, wo oft das Ganze
hinfallen würde, wenn wir die Abweichungen in einer philosophischen Strenge
nehmen würden."
Dies habt zum Gedächtnis.
(Vor allem sei dir die Musik ab 1:26 min. an's Herz gelegt)
Till Eulenspiegel wanderte einst - wie er das oft tat, da das Goggomobil
noch nicht erfunden war - durch die Lande.
Wann immer ihn der Weg
aufwärts führte pfiff Till fröhlich vor sich hin. Hei, wie war ihm das Wandern
eine Lust. Schritt er hingegen abwärts, so grummelte und seufzte er, daß es nur
so eine Art war. Einem Weggenossen fiel das auf und er fragte den Eulenspiegel,
wieso er beim mühseligen Anstieg fröhlich pföffe, beim heiteren Abstieg dagegen
Trübsal bliese. [1]
"Nun", antwortete ihm der
Schalksnarr, "wenn ich bergwärts
gehe weiß ich, daß am Scheitelpunkt des Weges dieser wieder bequem abwärts
führen wird. Geht's dagegen abwärts dann weiß ich, daß der Weg irgendwann und
unvermeidlicherweise auch wieder beschwerlich aufwärts gehen wird."
Warum ich diese
verrückte Geschichte erzähle? Weil ich - selber verrückt wie Till Eulenspiegel
- seit dem 21. Juni den Mittsommernachtsblues bluse.
Ein halbes Jahr lang
habe ich mich - aus finsterster Weihnachtsnacht kommend - gefreut, weil die
Tage mit jedem Tag ein wenig länger geworden sind, die Sonne jeden Tag ein
Stückchen höher am Himmel gestanden hat.
Und jetzt... von jetzt
an geht's bergab. Die Tage werden kürzer, die Sonne sinkt.
Jammer!
Ich geh jetzt weinen.
[1]Wie sagte mal einer: "Es ist nicht alles Trübsal,
was geblasen wird." Freilich, so wenig wie etwas mit zwei Backen ein
Gesicht sein muß.