Wer über Rechten Radikalismus schreibt oder spricht oder
auch nur nachdenkt, muß sehr präzise unterscheiden zwischen rechtem Radikalismus und Rechtsradikalen. Rechtsradikale sind gar
nicht mal so selten Leute, die gedankenlos irgendwelchen Scheisendreck
nachplappern, den man ihnen ins Hirn geblasen hat. Ohne mit der Wimper zu zucken
verwenden sie beispielsweise das beleidigende Wort "Farbiger"
für einen Menschen dunklerer Hautfarbe.
"Farbiger" ist nämlich - merkt auf - alles andere
als politisch korrekt. Mit der Vokabel "Farbiger"
bezeichnet man gemeinhin nicht nur einen "Neger", wie dunkel oder
hell seine Haut immer sein mag, sondern jeden,
der kein Europäer vom "kaukasischen Typ"
ist, also Menschen aller möglichen Hautfarben und Varianten des Aussehens.
Damit teilt man die Menschheit in lediglich zwei Gruppen ein:
* Die Weißen
einerseits und
* andererseits die anderen, all die anderen.
Wir sind, das suggeriert uns das Wort "Farbiger",
die eigentlichen Menschen, die Referenz-Menschen, an denen alle anderen gemessen werden. Mit
anderen Worten: Wir sind die Normalen, all die anderen sind... eben farbig. Rassistischer
geht es nicht mehr.
Wie auch immer. Ich war selber mal rechtsradikal... Was brabbele
ich da beschönigend vor mich hin... ich war ein Nazi, so richtig einer. Da war
ich aber 13 und Nazi war ich auch nur für ein paar Wochen. Der Vater eines
gleichaltrigen Schulfreundes hatte als einer der örtlichen Honoratioren das
damals neu erschienene Buch "Der
deutsche Selbstmord"
von Kurt Ziesel
kostenlos zugeschickt bekommen, selber aber anscheinend weder die Zeit noch die
Lust gehabt, den Schinken zu lesen. Mein Freund hat es sich geschnappt, war
beeindruckt von dem Buch und hat es mir weitergegeben. Das Buch war mein erster
Kontakt überhaupt mit Politik und Zeitgeschehen (vorher kannte ich mich in der
Welt von Odysseus und Lucius Tarquinius Superbus
sehr viel besser aus als im Deutschland Adenauers) und ich war begeistert von
den Thesen gegen die Linksintellektuellen dieser Zeit. Okay, das hat sich, wie
gesagt, rasch gelegt, aber es hat dann doch noch eine zeitlang gedauert, ehe
ich über CSU (auch nur ganz kurz) und
SPD und einer liberalen Grundhaltung schließlich bei Marx gelandet bin. Mein
intellektuelles Immunsystem hat die Infektion niedergekämpft.
An der Uni habe ich mich dann in eine Marxistin verliebt,
dann in eine andere, in beide - versteht sich - unsterblich. Hormonell bedingt
habe ich mich damals mit dem Marxismus und schließlich auch mit Marx
beschäftigt. In die Bücher, die ich damals gelesen habe, habe ich eine Unmenge
kritische Randbemerkungen geschrieben. Einiges am Marxismus-Leninismus
sowjetischer Prägung erschien mir richtig, vieles andere dagegen als engstirnig
und dogmatisch.
Schließlich fiel mir der "Anti-Dühring" von Engels
in die Hand und eine neue Welt tat sich vor mir auf. Die ollen Klassiker, so
merkte ich, sind gar nicht so dogmatisch, wie das ihre Anhänger immer
behaupten. Vor allem Engels hat mich durch seinen Skeptizismus beeindruckt, der
auch vor der eigenen Meinung nicht halt macht. Ich schätze übrigens Engels
immer noch wesentlich höher als Marx, eben wegen seiner Skepsis und
undogmatischen Haltung.
Ab da war es um mich geschehen, ich bin seither nicht mehr
von der materialistischen (das Bewußtsein leitet sich aus dem Sein ab und nicht
umgekehrt) und dialektischen (alles ist in ständiger Bewegung, nichts bleibt, wie es ist) Sicht auf
die Dinge losgekommen. So habe ich Denken gelernt.
Als ich noch in der Straffälligenhilfe (ein Wort, das man
durchaus näher betrachten und kritisieren könnte) tätig war, habe ich mit einem
Haftentlassenen - Figur wie ein Türsteher, rechtsradikal wie die Sau und
mehrfach wegen Körperverletzung vorbestraft - eine längere Diskussion über
Patriotismus, Nationalismus und dergleichen Dinge mehr geführt. Ich habe ihm
erklärt, was es mit der ersten Strophe des Deutschland-Liedes eigentlich auf
sich hat und wieso der Autor damals in allen 36 deutschen Staates
steckbrieflich wegen Demagogie gesucht wurde. Diese Information hat anscheinend
die richtige Stelle in seinem Hirn berührt, er fing an, zu grübeln und trat
schließlich relativ kurze Zeit später in die SPD ein. Nein, er war dort kein
früher Sarrazin, sondern ein richtiger
Sozialdemokrat. Auf diese "Bekehrung" bin ich heute noch stolz.
Ich selber war übrigens niemals
in der SPD. Ende der sechziger Jahre wollte ich eintreten, dann aber wurde Willy
Brandt Bundeskanzler und ich verschob mein Vorhaben. Ich wollte nämlich
keinesfalls für einen Opportunisten gelten, der sich schnell mal den
siegreichen Bataillonen anschließt. Als ich dann bereit war einzutreten, wurde
Helmut Schmidt Bundeskanzler und es gab nicht mehr den mindesten Anlaß mehr für
einen SPD-Parteieintritt.
Die neue (Co)-Sprecherin der
Grünen Jugend in Deutschland, Sarah-Lee Heinrich (), ist in diesen Tagen wegen einiger krasser
Formulierungen als 13jährige in's Gerede gekommen. Was für ein Glück für mich,
daß es zu meiner Zeit noch kein Internet gab, ich also keine Gelegenheit hatte,
meinen Hirnmüll zu verbreiten. Die Gnade der frühen Geburt.
Was immer das sein mag.