3.11.25

Migrationshintergrund

Ein altes Scherzwort sagt: Jede vierte Person in Deutschland und erst recht in Österreich [1] hat einen Migrationshintergrund. Das ist nicht wirklich und grunz-sätzlich falsch, genaugenommen aber sind es natürlich sehr viel mehr als 25 %. Kriegsflüchtlinge oder Heimatvertriebene etwa, die vor 1948 in das Gebiet des heutigen Deutschland gekommen sind, wurden lange Zeit nicht als Zugewanderte eingestuft [2]. Seit 2016 ist das anders. "Die Vertriebenen des Zweiten Weltkrieges und ihre Nachkommen gehören nicht zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund, da sie und ihre Eltern mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren sind", heißt es seitdem im deutschen Recht.

Das ist natürlich eine kackendreiste Lebenslüge, denn die sudetendeutschen Heimatvertriebenen [3] etwa sind durch die Bank nicht als deutsche Staatsbürger geboren worden. Meine eigenen sudetendeutschen Vorfahren etwa waren allesamt österreichische und später dann tschechoslowakische Staatsbürger. Mein Vater, Jahrgang 1912, hat zum Beispiel in jungen Jahren noch gegen die Deutschen gekämpft. Sein Heimatort Braunsdorf (heute Brumovice) war zwei Kilometer von der Grenze zum seinerzeit noch deutschen Schlesien entfernt. Die damaligen Kinder haben sich immer mal wieder am Grenzfluß Oppa gegenüber gestanden, haben sich rituell beschimpft [4] und mit Lehmbatzen und dergleichen beworfen. So gesehen bin auch ich eine Person mit Migrationshintergrund, ebenso meine beiden Söhne, da auch die Familie meiner Frau komplett aus dem Sudetenland stammt. Was ich damit sagen will: Du brauchst keine Tschuschen, Polacken oder Kanacken um andere Leute zu hassen, in deinen eigenen Landsleuten findest du hinreichend Material, sie zu verachten und - ja, klar - zu hassen.

Es braucht weder eine andere Sprache oder Kultur oder Religion. Die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg haben viele Jahre gebraucht, mit den Einheimischen leidlich klarzukommen, trotz gemeinsamer Sprache, Kultur und Religion. Die Heimatvertriebenen bekamen Lastenausgleich, das heißt sie wurden für das verlorene Vermögen in der Alten Heimat entschädigt und natürlich wurden sie durch die Bank verdächtigt, ihr auszugleichendes Gütle im Sudetenland auf betrügerische [5] Art und Weise nach Ausländerart größer gemacht zu haben, als es früher jemals gewesen war.

In Eggenfelden (Niederbayern) - damals ca. 8.000 Einwohner - wurde am Bürgerwald eine eigene Siedlung mit bescheidenen Häuschen für die Neubürger erbaut, die dort lebenden Kinder wuchsen fast ausschließlich unter ihresgleichen auf und die wenigsten konnten sich so als Niederbayern integrieren, sie haben den örtlichen Dialekt nie erlernt. Mein Vater hatte eine Metzgerei mit Gastwirtschaft gepachtet, um uns rum weitläufig nur niederbayerische Einheimische, ich wußte als Kind lange Zeit nicht, daß ich eigentlich ein Fremdling war. Mit den anderen Kindern bin ich seinerzeit gegen die Bürgerwaldsiedlung gezogen, habe die dortigen Kinder beschimpft und mit Lehmbatzen beworfen. "Der Franze hat gsagt, wegen ihm bräucht's keine Ausländer zu geben. Er, sagt er, wäre sich selber fremd genug." In einem der frühen Asterix-Hefte findet sich der zitierenswerte Satz: "Ich habe nichts gegen Fremde, einige meiner besten Freunde sind Fremde. Aber diese Fremden sind nicht von hier."

Apropos "Migrationshintergrund": Der Begriff "Person mit Migrationshintergrund" wurde in den neunziger Jahren geprägt, um zunehmend als abwertend empfundene Wörter wie "Gastarbeiter", "Ausländer" etc. pp. zu ersetzen. Mit "Ausländer" meint man - und das bis heute - umgangssprachlich ja nicht Österreicher, Dänen oder Franzosen, sondern Türken, Araber oder Schwarze, also nur jene Ausländer, die aus den hochverdächtigen Ländern kommen. Früher war die hochverdächtige Himmelsrichtung der Süden (das fing schon mit Italien südlich von Rom an, wahlweise auch südlich von Rovereto), heute ist der Osten dazu gekommen, von der Slowakei bis nach (fast) Alaska.

Die Nationale Armutskonferenz hat eine Liste sozialer Unwörter erstellt. Darin taucht 2012 auch das Wort "Person mit Migrationshintergrund" auf, in einer Reihe mit "Sozialschmarotzer". Nicht einmal 20 Jahre hat es gedauert, bis aus dem schönen, manierlichen Ersatzwort für "Ausländer" seinerseits ein Unwort geworden ist. Die Euphemismus-Tretmühle war wieder mal wirksam geworden.

Was eine Euphemismus-Tretmühle ist? "Die Euphemismus-Tretmühle (engl. euphemism treadmill) ist eine sprachwissenschaftliche Hypothese. Sie besagt, dass jeder Euphemismus irgendwann die negative Konnotation seines Vorgängerausdrucks annehmen wird, solange sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht verändern. Häufig handelt es sich bei den betroffenen Ausdrücken um gesellschaftlich relevante und konnotativ aufgeladene Begriffe. So werden etwa ethnische Minderheiten wiederholt mit neuen Wörtern benannt, um negative Assoziationen zu vermeiden."

Der Begriff der „Euphemismus-Tretmühle“ wurde vom US-amerikanischen Psychologen Steven Pinker in die Wissenschaft eingeführt. Pinker hatte nämlich beobachtet, dass euphemistische Wortneubildungen alle negativen Assoziationen jener Wörter aufnahmen, die sie ersetzten, also eine Bedeutungsverschlechterung erlebten. Nach Pinker zeige die Euphemismus-Tretmühle, dass nicht Wörter wie variable euphemistische Bezeichnungen, sondern Begriffe im Geist des Menschen primär (vorrangig) seien. Deshalb bewirkten diese primären Begriffe die Bedeutungsübertragung auf die sekundären (nachrangigen) Bezeichnungen.

Ich werde es wahrscheinlich nicht mehr erleben, ansonsten würde ich eine Wette anbieten: In 15, spätestens 20 Jahren wird "Afro-Deutscher"/"Afro-Amerikaner" etc. pp. auf der Liste der zu vermeidenden Unwörter stehen.



[1]      Das, was heute unter dem Begriff "multikulti" läuft hieß noch vor 107 Jahren "österreichische k.u.k.-Donaumonarchie". In Bosnien-Herzegowina, das damals österreichisch war, gab es ein Siedlungsgebiet, das bis heute fast ausschließlich von Moslems bewohnt war. 1912 erließ die Regierung in Wien deshalb ein sogenanntes Islamgesetz, welches die Rechte und Pflichten von Moslems in Österreich regelte. Fun-Fact am Rande: Das Islamgesetz ist immer noch gültig. Jeder in Österreich lebende Moslem, hat demnach das Recht, ein bis zu 60 cm langes Messer (vulgo "Kurzschwert") mit sich zu führen. Tötet er damit einen nicht-islamischen Österreicher bleibt er straffrei.

[2]      In Österreich dürfte es nur unwesentlich anders gewesen sein.

[3]      Spontan fallen mir auch noch die Donauschwaben in Rumänien ein, die sich ebenfalls als schon eigentlich auch deutsch verstehen. Ach ja, daß ich die Wolga-Deutschen (seit der Zwangsumsiedlung durch Stalin auch Kasachen-Deutsche genannt) nicht vergesse.

[4]      Dummerweise haben sie die gleiche Sprache gesprochen, konnten also die gegenseitigen Beleidigungen verstehen, was nie gut ist.

[5]      Es waren ja Fremde, die meisten sogar Ausländer.

Wasser trinken - leicht gemacht

1. Öffne deinen Hals

1.1. Leg deinen Kopf in einem 45-Grad-Winkel zurück. Dein Hals sollte beinahe vertikal sein. Leg den Kopf so weit in den Nacken, dass das Wasser allein durch die Schwerkraft in deinen Magen fließt. So musst du keinen einzigen Muskel bewegen, um das Wasser aktiv zu trinken. Es läuft einfach in dich hinein und du solltest dadurch besonders schnell trinken können.

1.1.1. Lass den Kopf im Nacken, bis du mit dem Trinken fertig bist. Wenn du dich bewegst, während das Wasser noch durchläuft, könnte der Wasserfluss durch Muskelkontraktionen verlangsamt werden und du verschluckst dich.

1.1.2. Trink niemals im Liegen. In einer horizontalen Position fließt das Wasser wesentlich wahrscheinlicher in deine Luftröhre und du verschluckst dich.

Obigen Text habe ich mir natürlich nicht ausgedacht, so viel Phantasie hätte ich gar nicht. Der Text ist pures und echtes und wahres Internet.

Es ist unglaublich, was du in Internet-Tutorials alles lernen kannst und unterm Lernen frägst du dich, wie die Leute vor dem Internet so ganz ohne Wasser überlebt haben. Die Antwort ist leicht: All die vielen, vielen internetlosen Leute von früher sind in Wirklichkeit tot oder werden es in Kürze sein.

Ich habe bei Gelegenheit dieses Blogbeitrages im Umfeld rescherschiert und bin auf diesen lehrreichen Dokumentarfilm gestoßen. Wie oft hab ich mich nicht schon gefragt, wie man es anstellt, zwei Flüssigkeiten zusammenzugießen, jetzt weiß ich es.

Weiters bin ich noch auf diesen Dokumentarfilm gestoßen, der Hausfrauen (m/w/d) interessieren könnte. Ein wirklich faszinierendes Gericht, dieses Rührei. Leider konnte ich es nicht nachkochen, da ich in meinem süddeutschen Haushalt keine Fanne gepfunden habe. Der Schluß des Filmes ist insofern interessant, als der Lehrkoch anscheinend bislang noch nicht auf die Idee gekommen ist, das fertige Rührei auf den Teller gleiten zu lassen, indem er die Fanne schräg hält.

P. S.: Ich gehöre übrigens einer anderen Rührei-Sekte an, ich verquirle die rohen Eier vor der Fanne und schütte dann erst das Geschleime in die Fanne (in Süddeutschland - ich erwähnte es bereits - verwenden wir allerdings Pfannen, keine Fannen. Bei uns wird - anders als in Berlin oder Hannover - die deutsche Sprache gepflegt).

18.9.25

Gebackte Bienen


Vom Segen des Kotzbeckens

Oh, wie schön, ein Kotzbecken, die wahrscheinlich nützlichste Einrichtung seit der Erfindung des Arschenbechers (nein, Arschenbecher ist kein Tippfehler). Ich weise euch auf den links neben dem Becken montierten Haltegriff hin, mit dem verhindert werden soll, daß der sich Übergebende mit dem Gesicht im eigenen Erbrochenen landet. Solche Haltegriffe findet man auch gerne an den Becken der Pissoirs in Bierzeltnähe. Vor 40 Jahren habe ich dergleichen auch im Pissoir für Bedienstete in einer JVA (Gefängnis) gesehen.

Herr Kotzen auf Kotzen im Havelland,
In seinem Garten ein Kotzbecken stand.

 Jagdkotze


Gesund- und Weisheit

Eine stabile Gesundheit ist nur die langsamste Art des Todes.

UNBEKANNTER MEISTER

11.9.25

Warum muß er jobben?


Zwei Fragen bleiben:

1. Ist der Typ auf dem Plakat der Münchner Verkehrsbetriebe der Sohn oder der Enkel von Elon Musk?

2. Warum muß er sich bei dieser Verwandtschaft als Werbe-Model beim Anheuern von U-Bahn- und Trambahnfahrern verdingen?

Wie das Böse in die Welt kam und warum es blieb

In dem Schwarz-Weiß-Film "Der Haustyrann" aus dem Jahre 1959 spielt Heinz Erhardt einen gestreßten Kaffeehausbesitzer. Beim Mittagstisch macht der kleine Junge eine freche Bemerkung über seinen Vater und fängt sich dafür eine (eher symbolische) Watschn ein. Zu seiner Tante, die ihn trösten will, meint der Junge schluchzend: "Wenn ich mal groß bin, dann hau ich meine Kinder auch."

Viel mehr an Weisheit kannst du aus der Psychologie nicht herausholen.

Leander Grönlein und die Dichtkunst

Der Einfachheit halber zitiere ich aus einer wahrscheinlich autobiographischen Erzählung eines gewissen Leander Grönlein:

"Über seinen geliebten Büchern sitzend, träumte der achtjährige Korff davon, einst Dichter oder Schriftsteller zu werden. Den Unterschied zwischen beidem erhoffte er im Laufe seiner Karriere noch herauszubekommen.

Schon in der Volksschule hatte man entdeckt, daß er ganz wunderhübsche Aufsätze schreiben konnte, mit einem wirklich erstaunlichen Wortschatz für so ein Kind und überhaupt, diese Eleganz und dieser Einfallsreichtum im Ausdruck...

Die Aussicht, dereinst auf Lesungen bewundert und vom Fernsehen zu Diskussionen eingeladen zu werden, hatte für den fünfzehnjährigen Korff etwas ungemein Verlockendes. Die mit dem Beruf des Schriftstellers ‑ oder Dichters, den Unterschied hatte er immer noch nicht herausbekommen ‑ verbundene Möglichkeit, zuhause, und also an jedem beliebigen Ort der Erde arbeiten zu können, nahm er als zwar nicht wesentlichen, aber doch angenehmen weiteren Vorteil dieses Berufes mit in seine Phantasien auf.

Hei, was ein Traum, eines Tages ein schmales Suhrkamp-Bändchen mit dem eigenen Namen drauf in den Händen zu halten. Oder, genauso gut, fast noch besser ein dtv-Büchlein, das Cover (damals sagte man noch Umschlag) von Celestino Piatti gestaltet; Autorenname, Titel, Untertitel auf dem Deckblatt in Kleinbuchstaben und rechtsbündig ausgerichtet.

Korffs einziges Problem in jenen Jahren war lediglich dies, daß er nichts hatte, worüber er hätte schreiben können. Die Welt, in der er selber lebte, die er also gut kannte und hätte beschreiben können, erschien ihm ungemein öde und langweilig. In dieser Welt passierte nichts, bzw. das, was darin vorfiel, schien ihm in keiner Weise berichtenswert.

Geschichten, wirkliche und echte Geschichten passieren in der argentinischen Pampa oder in den Häuserschluchten von New York, im Rom der Cäsaren oder im Paris des Werweißwievielten Louis'. Korffs geographische und historische Kenntnisse waren zwar schon in diesen jungen Jahren beachtlich, dennoch nicht ausreichend, um einigermaßen glaubwürdig so interessante und jedermann bekannte Schauplätze skizzieren zu können; von plausiblen Handlungen, die darin passieren können, gar nicht erst zu reden.

Korffs Romane wanderten deshalb schon nach wenigen Seiten, oft schon nach einigen Absätzen, als Fragmente in die Schublade.

Kurzfristig verfiel Korff auf den Trichter, sich einfach eine Vergangenheit zu erfinden, die Geschichte also nicht im realen Mittelalter spielen zu lassen, sondern in einem erfundenen Land, in einer erfundenen, mittelalterartigen Zeit. Irgendwie aber ist nie was draus geworden, wahrscheinlich weil er dachte, so was würde kein Mensch je lesen wollen. Wenn er damals hartnäckiger an dieser Idee gebastelt hätte, hätte Korff in jungen Jahren schon den Fantasy-Roman erfunden."

Ach, wer so schreiben kann, der findet in jungen Jahren schon einen Verleger, der darf in reiferen Jahren am Literaturnobelpreis wenigstens riechen.

Bei mir jedenfalls ist nichts draus geworden, mir ist nix eingefallen. Ich hätte Architekt werden sollen, jeder Arschitekt freut sich einen Arch ab, wenn ihm nix einfällt.

Ich geh jetzt weinen.

Das Orakel von Selfie

 

Grönländer