Auf Facebook und in jedem anderen Medium, das
Buchstaben verwendet liest du manchmal Sachen, bei denen du den Kopf
gegen die Wand hauen könntest. Da schrieb eine Person, aus Gründen der
Höflichkeit seien keine Namen genannt: "
Ich bin auch gegen die
Todesstrafe... es gibt allerdings eine Ausnahmen.. und das sind
Pädophile... fass ein Kind an und du hast die Lebensberechtigung
verwirkt!"
Warum nur, frage ich, warum ist dieses
Brunzdumm-Tum nicht auszurotten? Mit Brunzdumm-Tum meine ich das
lineare, das heißt folgerichtig in eine Richtung denkende Denken. "Ein
Problem ist da, ich löse es, indem ich das Gegenteil tue, das heißt das
Problem-Tun verbiete."
Ach!
Als seinerzeit - in den zwanziger Jahren - das Baby von
Charles Lindbergh entführt und anschließend trotz Lösegeldzahlung tot aufgefunden wurde, verabschiedete der US-amerikanische Senat den sog. "
Little-Lindbergh-Act". Künftig war danach Kidnapping mit der Höchststrafe, also der Todesstrafe bedroht.
Der
naive Mensch denkt, damit wären künftig Kinder besser vor Entführung
geschützt. Der lebenserfahrene Mensch dagegen wendet ein, daß dieses
Gesetz eine Einladung an Kindes- oder überhaupt Entführer ist, ihr Opfer
in jedem Fall zu töten. Da nämlich bereits durch die Entführung die
Höchststrafe erreicht war, bestand künftig überhaupt kein Anreiz mehr,
den Entführten am Leben zu lassen und damit die Gefahr der eigenen
Entdeckung drastisch zu erhöhen. Den gleichen Effekt wirst du erzielen,
wenn du Kindesmißbrauch mit der Höchststrafe bedrohst.
Brunzdumm-Tum, wie gesagt.
Es
ist ganz ähnlich wie bei der Drogenpolitik. Drogen sind gefährlich,
keine Frage, also besteht verantwortliches Handeln darin, Drogen zu
verbieten, denkst du. Nach einer Weile ziehst du Bilanz und stellst
fest, daß das mit dem Verbot so recht nicht funktioniert. Das liegt
daran, denkst du, weil du nicht konsequent genug gegen den Drogenhandel
vorgegangen bist. Du verschärfst die Gesetze, verstärkst die Polizei.
Wenn du dann Bilanz ziehst stellst du fest, daß es immer noch nicht
funktioniert. Das geht eine Weile so und schließlich mußt du beobachten,
daß die Gefährlichkeit der Drogen durch das Verbot
gestiegen ist.
Von
Jaroslav Hašek - eh schon wissen, der Autor vom "Braven Soldaten
Schwejk", ein Alkoholiker der Sonderklasse - gibt es die Geschichte "
Eine Alkoholiker-Idylle".
Ein Mann aus Prag pflegt jeden Abend zum Feierabend ein Glas Bier zu
trinken. Seine Frau macht sich wegen dieser Regelmäßigkeit große Sorgen,
sie fürchtet, ihr Mann könnte zum Alkoholiker werden oder wäre es
vielleicht gar schon. (1) In einer Prager Tageszeitung findet sie die
Anzeige eines nicht minder Prager Apothekers, in welcher dieser
höchstprozentigen Alkohol als Heilmittel gegen die Abhängigkeit vom Bier
anpreist. Sie kauft das Mittel und schüttet fortan ihrem ahnungslosen
Manne einen gehörigen Schluck dieses Alkohols in das Bier. Der Mann
verkommt, verkommt immer mehr und endet schließlich tragisch.
Du
sagst, so einen Scheisendreck kann sich auch nur ein sarkastischer
Alkoholiker wie eben Hašek ausdenken. Ich aber, wahrlich, wahrlich ich
sage dir, 1898 brachte die Firma Bayer
das Wundermittel
Heroin
auf den Markt. Es wäre, so hieß es, unter anderem ein wirksames
Medikament gegen die Opiumsucht. Dazu muß man wissen, daß Heroin
konzentriertes Opium ist, sich also zu Opium verhält wie Schnaps zu
Bier. So wirr im Hirn wie ein tschechischer Alkoholiker ist die Firma
Bayer schon lange.
Als Heroin von der Firma Bayer auf den Markt
gebracht worden ist, wurde es oral eingenommen und galt als probates
Hustenmittel, auch und gerade für kleine und kleinste Kinder. Es wurde -
übrigens erst 1931, also 10 Jahre (!) nach dem Verbot von Cannabis -
schließlich verboten. Nun verschwindet eine Droge nicht einfach durch
ein Verbot, das lehrt uns die Lebenserfahrung. Solange es Bedarf danach
gibt, wird die Droge weiter gehandelt, nach einem Verbot halt auf dem
Schwarzmarkt. Die Preise steigen dadurch, und zwar drastisch, denn der
Handelsmann zahlt nun zwar keine Steuern mehr, aber er muß das Risiko
von Entdeckung und Sanktion kalkulieren. Wie reagiert der Konsument auf
die Preissteigerung? Er wird versuchen, mit einer kleineren Menge des so
kostbar gewordenen Stoffs mindestens die gleiche Wirkung zu erzielen,
klar. Er zerbröselt die Tabletten und schnieft das Heroin durch die
Nase. Ein anderer kommt auf die Idee, den Wirkstoff aufzulösen und ihn
sich direkt in die Vene zu injizieren, nochmalige Potenzierung der
Wirkung. Ah, jetzt ist das Heroin wirklich gefährlich geworden, ein
weiterer Grund, die Drogengesetze zu verschärfen.
Durch das Verbot
hat keine Aufsichtsbehörde mehr die Möglichkeit, die Qualität des in
den Handel gelangenden Stoffes zu kontrollieren, als Junkie kannst du
nur noch beten, daß dich der eben erworbene Stoff nicht umbringt. Damit
du dich als Junkie über die Runden bringst (das Zeug ist inzwischen
schweineteuer geworden), mußt du einbrechen, rauben, Apotheken
überfallen oder dich prostituieren -
Beschaffungskriminalität.
Du rutscht nahezu zwangsläufig in das gesundheitliche und soziale
Elend. Der Zugang zu Spritzen wird erschwert, du teilst dir die
Kostbarkeit mit anderen Drogenkonsumenten, infizierst dich und
krepierst. Die Droge selbst spielt dabei eine untergeordnete Rolle, viel
gefährlicher als die Droge ist das Betäubungsmittelgesetz.
Du
kennst die Sherlock-Holmes-Geschichten, in denen sich der
Meisterdetektiv Kokain spritzt, das er zuvor ganz legal erworben hatte?
Opium und alle seine Derivate waren bis vor über 100 Jahren noch ganz
legal zu erwerben. Der Lehrer Lämpel aus den Wilhelm-Busch-Geschichten
hat am Ofen behaglich seinen
Knaster geraucht. Knaster
hieß der Pfeifentabak deshalb, weil er mit Cannabis-Samen versetzt war,
die immer dann ein knasterndes Geräusch erzeugten, wenn sie von der
Flamme erreicht wurden. Zu Hegels Zeiten war der Schnupftabak mit
Cannabis versetzt (High durch Schmai!). Hegel konsumierte reichlich
davon, wodurch sich zwanglos seine... ich sag mal: merkwürdige
Philosophie erklären läßt. Das Christliche Abendland hat viele
Jahrhunderte lang mit den allermerkwürdigsten Drogen gelebt, ohne dran
unterzugehen. Anfang der zwanziger Jahre kamen dann fast gleichzeitig in
den westlichen Ländern die Betäubungsmittelgesetze. Und mit den
Betäubungsmittelgesetzen kam der Wahnsinn. Die vordem legalen und also
wohlfeilen Drogen wurden mit einem Mal schwer erhältlich und also teuer.
ZU teuer für einen Normalverdiener. Was muß er also machen? Er MUSS
kriminelle Handlungen begehen, um an das Zeug zu kommen. Er/sie muß sich
prostituieren. Der begehrte Stoff ist nur noch schwarz zu haben,
keinerlei Qualitätskontrollen mehr. Der Zugang zu Spritzen wird
erschwert, du teilst dir die Kostbarkeit mit anderen Drogenkonsumenten,
infizierst dich und krepierst.
Die Drogentoten verrecken zum geringeren Teil an der Droge, sie sterben vor allem am Betäubungsmittelgesetz.
Das Betäubungsmittelgesetz ist das Problem, dessen Lösung zu sein es vorgibt.
Ein wohlmeinender Irrer meinte einst, da die Gesellschaft unter Drogen leide, müsse 1 Grenze gezogen werden.
"Und
du hast den Eindruck, daß diese Grenze auch nur einigermaßen dicht
ist?" antwortete ich ihm. "Was für ein Kraut rauchst du? Seit vielen
Jahrzehnten werden in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen die
Drogengesetze verschärft - und es wird nichts, überhaubenz nix besser.
Die ganze Verbieterei bewirkt nichts, gar nichts."
Der austro-amerikanische Psychologe
Paul Watzlawick
hat mal das unglückbringende Gesetz "Mehr desselben" formuliert. Du
hast ein Problem, die Lösung scheint dir plausibel. Nach einiger Zeit
merkst du, daß die Lösung das Problem nicht löst, sondern eher noch
verschärft. Ist klar, deine Lösung ist nicht radikal genug, als mußt du
die Lösung verschärfen. Irgendwann stellst du fest, daß auch das nicht
zu einer Verbesserung führt, also verschärfst du neuerlich...
Auf die Idee, daß die Lösung von Grund auf ein Schmarrn ist, kommst du in deiner Einfalt nicht.
Was
wäre eventuell eine Lösung? Ich bin auch nicht dafür, Heroin in
Kaugummi-Automaten zu verkaufen. Aber... stell dir mal vor, du bist
Pusher und hast endlich die Hilde so angefixt, daß sie dein Zeug kaufen
muß. Toll. Jetzt aber geht die Hilde zum Gesundheitsamt, läßt sich dort
als Heroinabhängige registrieren und holt sich jeden Tag in der
nächstgelegenen Apotheke ihre Dosis Heroin ab, und das zu einem derart
günstigen Preis, daß du als illegaler Dealer niemals mithalten kannst.
Wenn ich der
capo di tutti i capi
der Drogenmafia wäre, würde ich Politiker, welche die Freigabe von
Drogen (mit Aussicht auf Erfolg) fordern, erschießen lassen. Stell dir
nur mal vor, ein ganz wesentlicher Geschäftszweig der Mafia würde
wegbrechen, weil der Apotheker an der Ecke den Job übernimmt...
Die
Alkohol-Prohibition in den USA hat uns gelehrt, daß dadurch die Mafia
so richtig fett geworden ist. Ein weiterer Effekt war, daß durch die
Prohibition der biedere Normalbürger auf die Herren von der
Organisierten Kriminalität angewiesen war, wenn er zur Hochzeit seiner
Tochter ein bisserl Sekt haben wollte. Der biedere Normalbürger hat also
in den zehn Jahren des Alkoholverbots gelernt, die Mafia als sinnvolle
Institution nicht nur zu akzeptieren, sondern auch wertzuschätzen.
Und
drittens, und das ist wirklich grauslig, ist der normale Bier- oder
Weintrinker auf Schnaps umgestiegen, denn bei Schnaps ist das Volumen
einer bestimmten Alkoholmenge deutlich geringer als bei Bier oder Wein,
also leichter zu schmuggeln. Und in der Tat war nach der Prohibition die
Anzahl der Alkoholiker in den Vereinigten Staaten erheblich höher als
zuvor.
Leute, das kommt von diesem gottverfluchten linearen
Denken. "Ich habe ein Problem, ich habe eine Lösung und fertig. Daß jede
Lösung ein neues Problem erzeugt, halte ich für marxistische
Propaganda."
Ein anderes Beispiel für die Unfähigkeit vernetzt zu
denken: Hast du schon mal irgendwas davon gehört, daß ein
Wissenschaftler mögliche Klimaveränderungen durch Windkraftwerke
durchgerechnet hat? Du lachst jetzt und frägst, was denn um Gottes
Willen Windkraftwerke am Klima verändern können. Na, die paar, die es
bis jetzt gibt, werden nichts Großartiges bewirken, schon klar. Aber
stell dir mal vor, was sein wird, wenn es sehr, sehr viele von diesen
Dingern gibt: Sie fangen den Wind ab und verwandeln seine Kraft in
elektrische Energie. Logischerweise müssen hinter den Windkraftwerken
andere Windverhältnisse sein als es ohne diese Flügel gewesen wären.
Ich
weiß nicht, welche Auswirkungen diese großräumigen
Strömungsveränderungen der Atmosphäre auf das Klima haben werden, ob
günstig oder verheerend, aber es müssen Veränderungen entstehen, es kann
gar nicht anders sein.
Macht sich einer darüber Gedanken? Jetzt,
wo man noch relativ einfach das Problem lösen könnte, ehe es wirklich
entsteht, indem man etwa die Verteilung der Windmühlen so gestaltet, daß
die Veränderung minimiert wird?
Es fehlt an der Phantasie.
(1)
Witzigerweise befindet sie sich damit mit gar nicht wenigen schlauen
Medizinern und Psychologen im gleichen Boot. Diese schlauen Mediziner
und Psychologen - man könnte auch sagen:
Narren -
belegen jeden, der täglich Alkohol (wie wenig auch immer) konsumiert mit
dem Bannfluch "alkoholabhängig". Wenn eines Tages deine Tochter kommt
und dir sagt, sie habe einen Psychologen kennengelernt und wolle ihn
heiraten, so verstoße sie.