Sonntag, 30. April 2023

Streßhäppchen

Ich bin mit Till Reiners und Moritz Neumeier auf Bude, weiß der Henker, warum das so ist. Die beiden sitzen zusammen und diskutieren über irgendwas. Einiges davon erscheint mir schief und ich möchte meine Meinung dazu einwerfen. Keine Chance, die beiden tun so als wär ich gar nicht da und diskutieren einfach ohne mich weiter. Ich leg mich hin, dreh mich zur Wand und möchte schlafen. Sie reden ziemlich laut, allmählich geht mir die Lautstärke auf die Nerven. Irgendwann bin ich grantig, ich richte mich auf zum Sitzen und sehe das IPad vor mir. Es läuft der Podcast "Stresshäppchen". Ich schalte das IPad aus und könnte jetzt ungestört einschlafen, wenn mich die ganze Affaire nicht so aufgeregt hätte, daß ich jetzt zum Schreibtisch gehe und den Laptop einschalte.

Mittwoch, 26. April 2023

Nazifressen

Am Sonntag wollte eigentlich mein Süßer mit mir Segeln gehn, sofern die Winde wehn, das wär so wunderschön... ichsachma: gewesen. Wer am Sonntag nicht wehte, das war die Windin, die Luft über dem See gehörte dem Flaut. Säuftsend sitz ich also vor dem Computer und versuche tränenden Auges, die Sportnachrichten zu ignorieren. Dann sehe ich auf einmal dieses Bild und bin hellwach.

Hl. Muttergottes von Tschenstochau! Ein Bild aus den dreißiger Jahren, mitten in der aktuellen Fußballberichterstattung. Und in Farbe. Bin ich durch ein Wurmloch zurückgefallen in die Vergangenheit? Was ich sehe ist eine Original-Nazifresse, von der geometrisch strengen Gasmaskenfrisur über den Entschlossenheit simulierenden Mund bis zum vorgereckten Kinn. Laß mich schweigen von der Körperhaltung, die...

Ich recherchiere ein wenig und die Reschärsche verrät mir, daß es sich um Ivan Prtajin handelt, einen Stürmer beim SV Wehen Wiesbaden, einem Verein, der schon im Vereinsnamen dem Geburtsschmerz der Frauen ein anrührendes Denkmal setzt. Prtajin, so erfahre ich weiter, kommt aus Kroatien. Das Schlimme für mich ist natürlich, daß das obige Bild mich an ein anderes Bild erinnert.

Es zeigt den jungen Adolf Eichmann während eines Sportfestes in Linz. Oder, warte mal... nein, nicht Eichmann ist auf dem Bild zu sehen, sondern ein anderer junger Mann auf einem Hitlerjugend-Sommerlager in den Dreißiger Jahren, in der Nähe von Österreich..

In Wirklichkeit war es natürlich ganz anders. Der Typ ganz rechts mit den weißen (!) Socken in den Sandalen bin nämlich ich und das Bild ist aus der Mitte der sechziger Jahre.

Donnerstag, 20. April 2023

Foodporn - Salat Alarieh

Ich mein, ein bisserl schaut dieser Fischerhirtensalat auf ostbayerische Art schon aus wie hingschbim. Aber geschmacklich ist  er 1a.

Donnerstag, 13. April 2023

"Plakatieren verboten" verboten?

Vorgestern war ich in ein japanisches Sushi-Restaurant eingeladen gewesen, in dem es, Konfusius sei Dank, auch chinesisches Essen gab. Obwohl das Lokal nicht mal einen Kilometer von meiner Wohnung entfernt liegt, habe ich es geschafft, mich zu verlaufen und mußte erst durch aufwendige Handy-Navigation (Wo bistn du jetz? - In der Vilsstraße, fast schon an der Donau, aber da is keine Schergenbreite...) nach An der Schergenbreite gelotst werden.

Wie auch immer, Willy Wimmer [1]... auf meinem Weg zur Schergenbreite kam ich an einem Maschendrahtzaun vorbei, an dem ein Plakat hing,

welches das Anbringen von Plakaten an diesem Zaun verbot. Was im Bürgerlichen Recht anscheinend alltäglicher Brauch ist möchte ich einmal im Richtigen Leben erleben, daß sich nämlich jemand selber mit dem in's Gesicht springt.



[1]   Willy Wimmer war einst Verteidigungspolitischer Sprecher der CDU im Bundestag, vom Volksmund und von der Tagesschau gerne als Wehrexperte Willy Wimmer bezeichnet.

Meine Medikamentenuhr

ER-WIN: So eine Medikamentenbox für die ganze Woche ist wirklich eine feine Sache.

SIE-WIN: Ah, geh.

ER-WIN: Oh ja, seit ich meine neue Medikamentenbox habe, weiß ich immer genau, wie spät es ist.

SIE-WIN: (skeptisch) Du kannst wirklich anhand dieser Plastikschachtel die genaue Uhrzeit ablesen?

ER-WIN: Das nicht, aber ich weiß dadurch immer genau, welcher Wochentag heut ist.

SIE-WIN: (geht schluchzend hinaus).

Mittwoch, 12. April 2023

Auf einer Glatze Locken drehen oder Wie man aus nichts was macht

Es ist erst wenige Tage her, daß ich aus den Augenwinkeln heraus die Nachricht las, es gebe Bilder, welche die Verhaftung Donald Trumps und dessen heftige Gegenwehr zeigten. Diese Bilder seien jedoch mittels Künstlicher Intelligenz gefälscht, bzw. der übermütige Spaß eines amerikanischen Tschurnalisten [1]. Auf diese sensationelle Nachricht hin kamen die Kulturkritiker und sonstigen Vielosofen unter ihren jeweiligen Steinen hervorgekrochen und warnten uns vor den Gefahren der KI. Diese KI sei inzwischen schon so weit entwickelt, daß sie synthetische Bilder täuschend echt herstellen könnte und uns damit eine Realität vortäuschen könne, die es so nicht gebe noch je gegeben habe.

Als ich das gelesen habe, habe ich in meiner kindlichen Einfalt geglaubt, es müsse sich bei den "Bildern" um einen mit der neuartigen Deepfake-Technik manipulierten Film handeln, denn um manipulierte Einzelbilder ein Aufhebens zu machen wäre doch ziemlich skurril. Manipulierte Einzelbilder gibt es schon fast so lange wie es Photos gibt und selbst "täuschend echte" nachgemachte Bilder gibt es schon sehr, sehr lange. Anfangs hat man sie mit Schere, Papier und Leim gemacht, dazu noch den Retuschierpinsel. In den Neunzigern wurden die Fälschungen dann "gephotoshoppt", also eingescannt und dann digital im Computer nachbehandelt. Das alles ist nix besonderes, lediglich eine Frage der Sorgfalt und der aufgewendeten Mühe. Gespenstisch, wirklich gespenstisch werden dagegen in sehr naher Zukunft gefälschte Filme sein.

 

Aber schauen wir uns doch mal die Bilder von Trumps Verhaftung an, die in den letzten Tagen und Wochen in den Medien kursierten und so viel Aufregung und tiefsinnige Analysen verursachten.

Daß auf diesem Bild der verhaftete Mann hinter den beiden Polizisten geht, die ihn festgenommen haben, ist so skurril und abseitig, daß ich es hier nur am Rande erwähne. Die beiden Cops scheinen Brüder zu sein, wahrscheinlich zweieiige Zwillinge; viel Mühe, etwas vorzutäuschen hat sich die KI nicht gemacht. Interessant ist das Gesicht von Trump.

Künstlich hergestellte Porträtbilder von dieser und auch wesentlich besserer Qualität gab es bereits lange vor KI, ich erwähne nur Rembrandt oder meinetwegen Porträts des Großadministrators des Solaren Imperiums Perry Rhodan.

Wenn ich in diesem Bild von Trumps Verhaftung Trumps Kopf und Halsansatz vergrößere, dann wird überdeutlich, daß Trumps Kopf auf einen anderen Körper nur aufgepappt ist, ganz normale und überdies schlecht gemachte Photomontage.

Mit einer derart schlampigen Photomontage hättest du schon in den fünfziger Jahren niemals die Gesellenprüfung im Photographenhandwerk bei der Handwerkskammer Niederbayern bestanden.



[1]   Damit's nicht in Vergessenheit gerät: Wer "Tschurnalist" sagt ist ein Tschurke.

Rattenscharf

Nix macht so absolut rattenscharf wie das Elend anderer Leute. Es sind für gewöhnlich vor allem Leute in einigermaßen bis sehr angenehmen Lebensumständen, die literarische Trauerspiele und Tragödien oder Theater- oder Filmtragödien (Arthouse) zu schätzen wissen. Wenn du dagegen auf der Scheißhausseite der Welt, dem weitaus größten Bereich unseres Planeten lebst, möchtest du wenigstens in der Kunst ein bisserl lachen.

Es gibt einen wunderschönen Film zu diesem Thema, Hollywood natürlich: "Sullivans Reisen".

"Der berühmte Hollywood-Komödienregisseur John L. Sullivan ist seines Genres überdrüssig und möchte neue Wege beschreiten. In einem sozialkritischen, dem Realismus verpflichteten Film will er das Elend der Ärmsten der Gesellschaft ungeschminkt auf die Leinwand bringen. Er kostümiert sich als Landstreicher, um das rauhe Leben ganz unten am eigenen Leib zu erfahren.

Durch eine Reihe unglückseliger Umstände wird er zu 6 Jahren Arbeitslager verurteilt. Im Arbeitslager muß er unter einem brutalen Aufseher Schwerstarbeit verrichten und lernt das Leben von seiner bittersten und ausweglosesten Seite kennen.

Eines Sonntags dürfen die Gefangenen in der Kirche einer afroamerikanischen Gemeinde einer Filmvorführung beiwohnen und erleben den aussichtslosen Kampf Plutos gegen ein besonders klebriges Fliegenpapier. Schon bald biegen sich die geschundenen Sträflinge vor Lachen, bis selbst Sullivan davon angesteckt wird. Er realisiert, dass eine Komödie mehr für die Armen tut als jegliches Betroffenheit heuchelnde didaktische Werk." (Wikipedia)

Ist sie nicht wunderbar herzerwärmend, so eine Tragödie wie etwa "Tristan und Isolde"? Tristan verzweifelt, Isolde nicht minder und der Deibel lacht sich ins Fäustchen. Ich aber verlasse mit meiner Begleiterin gut gelaunt das Opernhaus auf dem Grünen Hügel, beklage bei Prosecco und Lachsschnittchen die Brüchigkeit menschlicher Existenz und das Geworfensein des Menschen in eine kaltes Universum und kann damit rechnen, sie (das heißt meine Begleiterin) am Ende des Abends zum Beischlaf überredet zu haben. Mehr kann und mehr sollte man von Kunst nicht erwarten. Nichts macht, wie erwähnt, so absolut rattenscharf wie das Elend anderer Leute.

In Komödien sollte man nur mit Personen gehen, die einem eh schon angetraut oder sonstwie verpflichtet sind. Für einen Aufriß empfehle ich erschötternde Tragik. Schubi du.

Was den "Tristan" betrifft, so ist die Musik zwar göttlich, die Oper als Oper aber ist der hinterletzte Schund.

Kröten töten

Früher, als es noch Grüne gab, trugen die besonders grünen Grünen zu den jeweiligen Jahreszeiten Kröten über die Straßen, damit sie nicht von den Autos und Lastenfahrrädern überfahren werden. Dabei sind Kröten oder doch zumindest die krötigsten Kröten unter ihnen richtige Gfraster, die alles ficken, was ihnen vor die Eichel kommt.

Oberförster und andere Hochstapler

In diesen Zeiten der Fakenews ist es eine Wohltat, von einer angeblich wahren Geschichte zu lesen.

Die Schwester von Friedrich Nietzsche - ja, genau die, die Nietzsches Philosophie in Richtung Blut und Boden und Rassismus gedreht hat - hatte einen Herrn Förster geheiratet und war mit ihm wie fast alle Deutschnationalen nach Südamerika gegangen. Glücklich verwitwet und nach Deutschland zurückgekehrt hatte sie ihrem Ehenamen Förster noch einen Bindestrich-Nietzsche drangehängt, um von der Prominenz ihres inzwischen verstorbenen Bruders zu profitieren.

Eines Tages war sie auf einen Empfang geladen, so richtig mit Schmackes, so wie's früher war, wir kennen das aus Hans-Moser-Filmen. Jeder der geladenen Gäste reicht dem Oberhofzeremonienmeister am Fuße der Treppe seine Visitenkarte und der Grüßgustav schmettert "Seine Durchlaucht Graf Robert von Cvrkal und Gemahlin", "Seine Exzellenz, Botschafter Franz Maeterlingk", "Medizinalrat Muthesius" etc. pp. Dann eine Visitenkarte "Frau Elisabeth Förster-Nietzsche". Der Oberhof erbleicht, droht zu verohn­machten, faßt sich dann aber wieder und ruft, zu retten, was zu retten war: "Frau Oberförster Nietzsche".

Halt ein, der du gerade zum Lachen ansetzt: All die durchlauchtigsten Grafen, hochwohlgeborenen Exzellenzen und Medizinalräte sind - bedenken wir es wohl - doch auch nichts anderes als Hochstapler. In Österreich gibt es zwar längst keinen Hof mehr, wohl aber noch Hofräte, und - um den austriakischen Kaschperln die Krone (!) aufzusetzen gibt's noch Wirkliche Hofräte.

Gschamster Diener, Eier Gnoden.

Runenstrümpfe

Wenn du nicht aufpaßt, dann passieren dir im Internet die merkwürdigsten Dinge. Wenn du aufpaßt auch, so ist es nicht.

Ich war bei amazon unterwegs, um dort nach einem Original-SS-Ehrendolch zu suchen, passend zu meiner Original-SS-Sturmbannführer-Uniform. Da hieß es dann auf einmal "Kunden, die sich für einen Original-SS-Ehrendolch interessierten, interessierten sich auch für diese Strümpfe".

Nu sachma, bekommste mit solchen Strümpfen nich auch Lust, in Polen einzumarschieren? Oder läuft nur meine Phantasie heiß?

P. S.: Die Verknüpfung zwischen Dolch und Strumpf hat wahrscheinlich ein linksgrünversiffter Werkstudent oder Praktikant bei amazon veranlaßt. Typisch linksgrünversiffter Humor halt. Ekelhaft.

 

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Ach. Es gäbe oftmals ganz wunderhypsche Geschichten, die man erzählen könnte, wenn nur die Scheiß-Wahrheit nicht wäre.

Karamel

Karamelisier ihn mir, den Apfel. Das ist natürlich ein saudummer Satz, der sich auf Deutsch auch noch saublöd anhört. Wie anders dagegen klingt er auf italienisch:

Caramella me la, la mela.

Herrn Hitlers Nachtmahr

Daß Herr Hitler die Zeit bis zum Ende der Ewigkeit in der Hölle absitzen muß dürfte niemanden verwundern. In der Hölle zeigt man Adolf Hitler in Endlosschleife Videos von Skinheads und anderen skurrilen AfD-Anhängern, denn in der Hölle ist man nicht zimperlich. Hitler leidet seitdem neben erhöhter Temperatur auch unter Dauerschluchzen. "Das sind meine Nachfolger? Das habe ich nicht gewollt", schluchzt er immer wieder.

Montag, 10. April 2023

Gegenderte Christstollen

Die Frage ist natürlich, ob mit diesem Spruch das Gendern in bislang unbekannte Höhen des wayne sins vorgestoßen ist oder ob sich der Werbefuzzy einen kleinen Scherz zu Lasten der Freunde der geschlechtergerächten Sprache erlaubt hat.

Die Deutsche Bahn hat das Problem der Verspätungen gelöst

Als berufstätiger Rentner habe ich öfter mal in München zu tun. Seit die linksgrün versiffte Ampelkoalition Inlandsflüge verboten hat, bin ich gezwungen, mit der Bahn [1] nach München zu fahren. Ich mein, ich könnte natürlich auch mit dem Schraublhuber bis nach Kufstein fliegen und von dort aus...

Wie auch immer, ich fahre also mit der Bahn. Die Bahn ist seit geraumer Zeit berühmt-berüchtigt für ihre Verspätungen und Zugausfälle.

Und wenn du denkst, es geht nicht mehr,

Kommt irgendwo ein Lichtlein her.

Seit ein paar Wochen schaut der Hauptbahnhof Regensburg so aus:

Erst hab ich nur blöd gekichert, dann kam mit mehrwöchiger Verzögerung die Erkenntnis: Die DB hat - zumindest für ihren Bereich - die Zeit abgeschafft. Das ist zwar Hardcore-Einstein, hat aber immerhin den Vorteil, daß es hinkünftig keine Verspätungen bei der Deutschen Bahn mehr geben wird.



[1]   Das Auto kommt wegen meines ökologischen Gewissens natürlich nicht in Frage und zum Radfahren bin ich zu alt und zu faul.

Der große Mond

Vor ein paar Tagen schrieb mir meine Schwester, heute - also damals - solle der Mond besonders groß sein, da er sehr nahe an der Erde sei, Mondaufgang solle um 20:20 Uhr sein. Das ist natürlich ein eher seltenes Naturschauspiel, dergleichen lasse ich mir nicht entgehen. Als notorischer Bedenkenträger gab ich allerdings zu bedenken "Hoffentlich fallt er nicht runter! Auf der Autobahn passieren auch die grauslichsten Unfälle, wenn der eine zu dicht auf den anderen auffahrt."

Um halber Ölfe kam dann die schwesterliche Meldung, so groß sei der Mond gar nicht gewesen, kein Vergleich mit dem Vollmond von vor 20 Jahren; klar, früher war alles besser, auch der Vollmond war damals noch viel größer als wie heute.

Was für ein Glück, daß ich vergessen habe, hinzuschauen. Wenn nix los is, dann is halt nix los. Aber wenn man sich auch nix erwartet hat, ist alles natürlich noch viel, viel schöner. Das, Leute, ist Buddhismus oder sonst 1 Schmarrn.

Der Abbruch und ihm sein Verband

Freitag, 7. April 2023

Je Textverarbeitung desto Wissenschaft

Von Karl Marx stammt der berühmte Satz "Das Sein bestimmt das Bewußtsein". Gemeint ist damit, daß Ideen nicht einfach so entstehen, neue Ideen nicht einfach so aus alten Ideen entstehen. Ideen lassen sich vielmehr aus den materiellen Gegebenheiten ableiten, in denen Menschen leben. Menschen schnitzen sich jeweils die Ideologie, die zu ihren jeweiligen materiellen Lebensbedingungen paßt.

Das gilt für die großen Ideen und für die kleinen.

Wie sehr das menschliche Denken und Handeln von ganz elementaren Bedürfnissen und Zwängen gesteuert wird, dafür gibt die Geschichte der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU)ein eindrucksvolles Beispiel.

In den Siebzigern und bis in die Achtziger Jahre hinein war die Medizinisch-Psychologische Untersuchung zum Thema Alkohol ein Papiertiger. Eine Positivquote von 80 bis 90 Prozent ließ die MPU in den Köpfen der Menschen fast zu einer bloßen Formalität werden. Wenn der Alkoholmißbrauch bislang noch keine schwerwiegenden medizinischen Schäden hinterlassen hatte, wenn der Kandidat sich einigermaßen reuig und änderungsbereit gab, war der MPU-Gutachter optimistisch und schrieb ein positives Gutachten.

Diese Zeiten sind vorbei. Seit Mitte der Achtziger Jahre ist die Positivquote sehr schnell gesunken und liegt heute bei ca. 20 bis allenfalls 30 Prozent.

Womit ist diese dramatische Veränderung zu erklären? Haben Medizin, Biochemie oder klinische Psychologie auf dem Gebiet der Alkoholforschung im Laufe von zehn, fünfzehn Jahren so gewaltige Fortschritte gemacht, daß dadurch dieser enorme Wandel in den Beurteilungskriterien plausibel würde?

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, was auch nicht weiter verwunderlich ist. Schließlich ist Alkohol in unserem Kulturkreis die verbreitetste Rauschdroge, Alkoholiker die besterforschten Betäubungsmittelkonsumenten. Man kennt die biochemischen, medizinischen und psychologischen Auswirkungen des Alkohols schon zu lange, als daß wirklich große Überraschungen noch zu erwarten wären.

Auch vor zwanzig Jahren schon wußte der Allgemeine und Klinische Psychologe sehr gut um die Effekte der Alkoholgewöhnung, um die Hartnäckigkeit von Gewohnheitsbildung und schließlich Sucht Bescheid. Nur der Verkehrspsychologe tat, als hätte er nie davon gehört und verbreitete in seinen Gutachten einen haarsträubenden Optimismus.

Die Erklärung für diese äußerst merkwürdige Gutgläubigkeit liegt in der Schreibmaschine.

In den Siebziger Jahren, als Computer noch Ungetüme von den Ausmaßen eines Schrankes waren und in der Preisklasse eines Mittelklassewagens lagen, war die elektronische Textverarbeitung für ein normales Büro absolut unerschwinglich. Eine IBM-Kugelkopfmaschine war noch Anfang der Achtziger Jahre das höchste an Schreibkomfort.

In der guten alten Zeit der MPU bestand ein Positivgutachten aus einem Formblatt, auf welchem der Gutachter lediglich einige Informationen anzukreuzen hatte, ergänzt durch ein, zwei frei formulierte Sätze. Mehr Platz war auf dem Formblatt für eine individuelle Beurteilung nicht. Auch mit einer Schreibmaschine war ein positives Gutachten innerhalb weniger Minuten fertig geschrieben.

Das Negativgutachten war im Gegensatz dazu eine wirklich individuell abgefaßte mehrseitige maschinegeschriebene Beurteilung. Zwar standen ganze Absätze dieser Beurteilung fertig formuliert in einem Aktenordner zur Auswahl vor, aber auch diese immer wiederkehrenden Floskeln und Standardformulierungen mußten von einer Schreibkraft jeweils neu abgetippt werden.

Eine Heidenarbeit, die insgesamt Stunden in Anspruch nahm.

Seit Mitte der Achtziger Jahre wurde die elektronische Textverarbeitung mittels PC in den Medizinisch-Psychologischen Untersuchungsstellen des TÜV eingeführt. Für die vorgeschriebenen Formeln, die Floskeln und die immer wiederkehrenden Argumentationslinien gab es nun Textblöcke, die aus dem Computer mit wenigen Kennbuchstaben abzurufen waren. Negativgutachten waren jetzt (fast) genauso schnell und ökonomisch zu schreiben wie Positivgutachten. Und die Beurteilungskriterien verschärften sich.

Eine Negativquote, wie sie jetzt üblich ist, wäre mit der Technologie der Kugelkopfschreibmaschine nicht zu schaffen gewesen. 70/80 Prozent negative Gutachten oder Gutachten mit Kurszuweisung - die Arbeit einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchungsstelle wäre zusammengebrochen.

Kein praktisch tätiger Verkehrspsychologe hätte sich vor 15 oder 20 Jahren die heute gängigen Erkenntnisse über Alkoholmißbrauch und Rückfallgefahr leisten können, denn diese Erkenntnisse wären nicht in praktische Arbeit umzusetzen gewesen. Man konnte sich damals die heutigen Erkenntnisse nicht leisten - also leistete man sie sich ganz einfach nicht.

Von der Struktur her ist das derselbe Mechanismus, den wir beim Trinker finden, der sein Alkoholproblem vor sich selbst verharmlost. Würde ich mir mein Alkoholproblem schonungslos klarmachen, müßte ich etwas dagegen unternehmen. Für Gegenmaßnahmen bin ich momentan aber noch zu schwach, also gibt es kein Alkoholproblem bei mir.