Sonntag, 25. Januar 2009

Motorradfahrer

Motorradfahrer sind pervers!
Wer etwas anderes sagt, lügt oder ist selber einer - also pervers, wie gesagt.
Wo der gewöhnliche Autofahrer danach strebt, so bequem und störungsfrei wie nur möglich von einem Punkt A zum Punkt B zu gelangen, ist dem zünftigen Motorrad-fahrer mit solchem Komfort wenig gedient. Wo alle Bemühungen des Pkw-Schofförs in der Ankunft vor Ort ihren vornehmsten Zweck erfüllt finden, ist dem Zweiradraser das Eintreffen am Ziele eher eine peinliche Verlegenheit, jäher Abbruch des eigentlichen Vergnügens. Das Fahren an sich und als solches ist ihm letzter, heiliger Zweck allen Seins. Ein so genanntes "Ziel" dagegen ist allenfalls ein - gelegentlich kunstvoll konstruierter - Vorwand. Nicht das seiende Sein (ontos on) im Sinne des Da-Seins (und ergo: Da-Bleibens) liegt dem Motorradfahrer am Herzen. Vielmehr ist ihm, der sich ganz als platonisches Flitzwesen (zoon kinetikon) versteht, alles Sein ein flüchtiges (ens movens). Mögen errötende Lichter das eine oder andere Mal ein Verweilen erzwingen, so triumphiert im anschließenden Neu-Ergrünen der Ampel doch wieder die Heraklit'sche Dialektik des "panta rhei - alles flitzt". Pffft - kracks - quietsch - röhr ... und in laschen 6 Sekunden ist er wieder von 0 auf 100.
Wie gesagt: Motorradfahrer sind pervers.


aus: "Mubldobdob - Eine Geschichte von Leidenschaft und Zufall"

Samstag, 24. Januar 2009

Alter Knabe

Im Juli 2006 fand ich im SPIEGEL eine Anzeige des Deka-Investment-Fonds der Sparkasse und darin das nebenstehende Bild eines Jungen.

Ein brutales Bild. Ein Junge - wie alt mag er sein?, allenfalls zehn Jahre alt - der aussieht wie sein eigener Vater. Ordentlich, übersichtlich, geradlinig, sogar der Gesichtsausdruck ist erwachsenenmürrisch (wohlwollende Menschen nennen das "seriös"). Ein Junge mit einem bereits erwachsenen Gesicht, keine Überraschungen mehr zu erwarten.

Obwohl - vielleicht rebelliert er ja eines Tages.

Einfühlung

Journalisten... also Reporter... also solche Journalisten, die nicht nur Agenturmeldungen redigieren oder kommentieren, machen gerne mal verdeckte Recherchen. Sie mieten sich zum Beispiel eine Billigwohnung und leben dann ein oder zwei Monate lang von Hartz IV oder - drastischer noch - sie verkleiden sich als Penner und verbringen dann ein oder zwei Monate als Obdachloser auf der Straße. Hautnah erleben sie die Entbehrungen, Gefahren und Demütigungen eines Pennerlebens auf eine sehr authentische Weise am eigenen Leibe und schreiben dann eine informative und sehr bewegende Reportage über das Erlebte. Sie wissen nun aus eigener Erfahrung, was es heißt, arm zu sein, was es heißt, am Rande der Gesellschaft zu leben.
Sie wissen es und sie wissen es nicht.

Sie teilen eine bestimmte Zeit lang alle jene konkrete Erfahrungen, die ein Penner macht, mit den Obdachlosen, mit denen sie zusammenleben. Sie frieren des Nachts, wenn sie, unzureichend geschützt, unter Brücken schlafen, sie müssen zusammen mit den anderen um Nahrung anstehen bei irgendwelchen Armenspeisungen, sie haben keine oder nur unzureichende Möglichkeiten für Körperpflege, sie werden wie die anderen von normalen Bürgern verächtlich angeschaut, beschimpft, verjagt, sie landen vielleicht auch mal in der Arrestzelle der Polizei.
Sie leben tatsächlich das bittere, so gar nicht romantische Leben eines Obdachlosen. Und sie tun es nicht.

Was sie von den anderen Obdachlosen unterscheidet, die genauso frieren wie sie, die genauso hungrig bei der Caritas anstehen, die genauso schief angesehen werden wie sie selber, das ist der Umstand, daß sie
• wissen, daß dieser Zustand ein Zustand auf Zeit ist und
• daß sie diesen Zustand jeder auch vorzeitig wieder beenden können.
Ein extrem kalter Wintertag, an dem er zu erfrieren droht und er kehrt in seine Wohnung zurück, um sich aufzuwärmen. Was der Journalist mit den Obdachlosen teilen kann, das sind eine Menge authentischer Erfahrungen über deren Leben. Was er aber nicht simulieren kann (eben, weil es eine Simulation ist), das ist die Existenzangst, die mit einem solchen Leben verbunden ist, das Gefühl der Ausweglosigkeit.

Das erste Mal über so etwas nachgedacht habe ich noch als Kind, anläßlich der entsetzlichen Leiden Christi am Kreuz, die mich (natürlich) sehr beeindruckt haben. Dann aber dachte ich: Wenn Christus wirklich Gott selber ist, wenn er vom Himmel kommt und dies weiß; wenn er also nicht, wie wir, an Gott und das Jenseits glauben muß, sondern aus eigener Erfahrung weiß, daß es dieses Jenseits wirklich gibt... dann, ja dann leidet er wie ein Mensch und tut es doch nicht.
Dann kann er nämlich quasi aus sich raustreten und seine Situation von außen betrachten. Er leidet als Mensch und steht doch als Gott über dem Leid. So dachte ich damals.

Auf den Gedanken, daß mit der ganzen Geschichte mit Christus und Gott etwas nicht stimmen könnte, bin ich allerdings erst deutlich später gekommen.

Mittwoch, 21. Januar 2009

Ob Tabak blöd macht?

Heute war ich beim Tabaccaio und wollte drei Schachteln Esportazioni ohne Filter. Nö, sagte mir die Frau im Laden, die hätten sie nicht. Nein, auch Nazionali ohne Filter nicht. Dazu muß man wissen, daß in Italien filterlose Zigaretten eine Rarität sind, viele Tabaccai führen sie gar nicht. Der Italiener raucht fast ausschließlich mit Filter, wahrscheinlich will er gesund sterben.
Wie auch immer: Die freundliche Dame kramte schließlich von weit unten und hinten eine Stange ALFA heraus. Die war noch vom Monopolio di Stato (das es schon etliche Jahre nicht mehr gibt), eine echte Antiquität. Nun schätze ich antiquarische Zigaretten, weil die nämlich noch nach was schmecken und nicht von EU-Verordnungen runtergepegelt sind. Und sie wollte mir die Antiquität für schlappe 2 EUR verkaufen, während die Nazionali immerhin 3,70 EUR kosten.
Aber: Auf der Packung stand nicht drauf, ob die Dinger nun mit oder ohne Filter wären.
Sicherheitshalber nahm ich also nur eine Packung und sagte ihr, wenn es wirklich Zigaretten ohne Filter wären, dann würde ich beim nächsten Mal mehr davon kaufen.
Sie meinte dann trocken, ich könnte doch auch jetzt gleich die eben gekaufte Probepackung aufreißen...

Meine Fresse! Das kommt davon, wenn man leichtfertig über die Blödheit anderer Leute spottet.

Mittwoch, 14. Januar 2009

Seelenwanderung

Seelenwanderung - au ja! Ich will auch mal eine Indische Prinzessin gewesen sein.

Mit der Seelenwanderung ist es ja so eine Sache. Nix Genaues weiß man nicht und wo man nichts weiß, da blüht die Phantasie.

Ei, so sagt die Esoterikerin, sie sei in einem ihrer früheren Leben eine ägyptische Priesterin oder indische Prinzessin gewesen und der Esoteriker erzählt dir von seinem früheren Leben als Berater des Kaisers Rimdrawahn von Wummsistan.

Hat dir schon mal einer von diesen Wiedergeborenen etwas von seinem früheren Leben als attischer Sklave, als ägyptischer Bauer, als Industriearbeiter im frühen Manchester erzählt? Und müßte es doch. Riesige Horden von Esoterikern müßten von ihrer Existenz als Bauer oder Kuli erzählen und ganz, ganz wenige mal was von "Prinzessin" lispeln, gab es doch - und gibt es noch heute - sehr, sehr viel mehr Leute, welche die Arschkarte gezogen haben und sich abrackern müssen, die Spesen für die Großen Lockendreher zu bezahlen.

Dienstag, 13. Januar 2009

Heimat

Ubi bene ibi patria - Wo da Papst is, bin i dahoam.

Freitag, 9. Januar 2009

Tragischer Tod eines Milliardärs

Die Nachricht vom Tod Adolf Merckles hat mich erschüttert. Nein, nichts Privates, keine sentimentalen Gefühle, ich wußte bis zu dieser Todesnachricht nicht mal, daß Adolf Merckle gelebt hatte.

Was mich verwundert und bewegt hat, ist das Motiv für seinen Entschluß. Merckle war Milliardär, er hatte ein riesiges Firmenimperium und ein riesiges Privatvermögen. Sein Firmenimperium war in Gefahr, es ist jetzt durch Verträge mit Banken gerettet, Merckle ist nicht bankrott gegangen. Was sich geändert hat ist lediglich der Umstand, daß er nicht mehr in seinem Imperium schalten und walten kann, wie er will. Das Große Wort haben die Banken. Das mag unangenehm sein, das ist unangenehm für einen, der es jahrzehntelang gewohnt war, das Heft in der Hand zu halten.

Aber immerhin: Der Mann war 74 Jahre alt, ein Alter, in dem andere längst in Rente sind, ihre Firma an andere Leute abgegeben haben. Merckle ist nicht plötzlich verarmt, er wäre nicht auf Hartz IV angewiesen gewesen.

Trotzdem macht er seinem Leben ein Ende.

Was muß das, frage ich mich, für ein elendes, armseliges Leben gewesen sein, das jetzt nichts mehr wert scheint, da er es nicht mehr als Milliardär, sondern nur noch als normaler Multimillionär hätte weiterleben können? Wie krank, psychisch krank, muß ein Mensch sein, der in dieser Situation sagt: "Ich mag nicht mehr. Es hat alles keinen Sinn mehr"?

Die Tragik scheint mir nicht im Tod dieses Menschen zu liegen, sondern in seinem Leben.


Donnerstag, 8. Januar 2009

Angst

Der Franze hat gsagt, wenn er mal Angst hat, verlangt er auch eine Gefahr. Weil sonst, sagt er, wärs ja rausgeschmissen.

Dienstag, 6. Januar 2009

Der Stau und seine Beziehung zum Ungewußten


Zu bestimmten Tages- und Jahreszeiten gehören die Meldungen über Staus auf den Autobahnen zum selbstverständlichen Service jeder Radiostation. Ein bundesweiter Sender wie der Deutschlandfunk meldet zuzeiten lediglich jene Staus, die über 5 oder 10 oder gar 15 oder 20 km lang sind.

20 km Stau - das gibt zu denken. In Deutschland liegen die Autobahnausfahrten relativ dicht beieinander. 10 km Fahrt zwischen zwei Ausfahrten ist schon lang, häufig sind die Abstände deutlich kürzer, vor allem in den Ballungsgebieten, wo auch die Staus wahrscheinlicher sind.

Ich, der ich in inzwischen 40 Führerscheinjahren sehr selten in wirkliche Staus gekommen bin, stehe jedesmal fassungslos vor der Radiomeldung von 20 oder 30 km Stau. Viele dieser im Stau festsitzenden Autos stehen doch unmittelbar vor einer Autobahnausfahrt, die müßten doch bloß nach rechts lenken und könnten dann auf der Landstraße weiterfahren. Unbequem und vielleicht nur langsam weiterfahren, aber eben doch weiterfahren, statt für unbestimmte Zeit hilflos im Stau feststecken zu müssen. Das ist ja das Unangenehme am Autobahnstau: dieses hilflose Ausgeliefertsein an eine Situation, die du nicht mehr beeinflussen kannst. Das kann bald wieder weiter gehen, das kann aber auch noch viele Stunden so dauern.

Warum, frage ich mich seit langem, fahren die Leute nicht raus?

Die Antwort findest hier:


Donnerstag, 1. Januar 2009

Lippe Lappe - Scheiß ins Kappe

Der V. Scherge kannte ein höchst eigenartiges Spiel, welches hieß "Lippe Lappe - Scheiß ins Kappe" (Lippel-Lappel, kack in die Mütze).

Man brauchte dazu den Lippe, einen drei, vier Zentimeter dicken (runden) und vielleicht 10 cm langen Zweig, der an beiden Enden ziemlich scharf zugespitzt war. Dann gab es noch den Lappe, einen etwa (kinder-)armlangen Stock aus dem gleichen Zweig, der an einem Ende etwas abgeschrägt war. Mit diesem Ende grub man in die Erde eine nicht sonderlich breite, nicht sonderlich tiefe und auch nicht sonderlich lange Rille.

Der eine Spieler, der dran war, legte den Lippe über die Rille und mußte dann diesen mit dem Lappe so weit nach vorne schleudern als nur irgend ging. Die anderen Mitspieler standen dort, nach eigenem Belieben verteilt und mußten den Lippe auffangen, dafür gabs dann Punkte. Einige, wenn man ihn mit beiden Händen auffang, schon mehr, wenn dies nur mit der rechten Hand geschah, für die Linke gabs noch mehr und nochmal mehr, wenn man ihn weggköpfelte. Die Megapunktezahl war fällig, wenn man den Lippe (mit seinen beiden Spitzen!) mit dem Mund auffing. Unglaublich, aber ich weiß, daß es der V. Scherge ein paarmal geschafft hat.

Nur der V. Scherge.

Ob man nun den Lippe erwischt hat oder nicht, im zweiten Schritt mußten dann die anderen Mitspieler diesen Lippe von ganz weiten hinten nach und nach so weit nach vorne bringen, daß der letzte Wurf den Lippe unter den Lappe beförderte, der inzwischen über die Rille gelegt worden war.