Mittwoch, 27. Oktober 2010

Sau Nummer vier

Der Seppi, ein verteufelt schneller Rauhhaardackel, jagt mit einem Ding, das eine Weißwurst sein könnte, durch Niedernußdorf. Niedernußdorf ist ein Dorf in der Nähe von Straubing und die Weißwurst erweist sich als ein von einer Sau abgebissener Finger.
Ein Kriminalfall also? Ein Gewaltverbrechen? Jedenfalls taucht Kriminalhauptkommissar Lederer aus Straubing in Niedernußdorf auf, um der örtlichen Revierleiterin Wegmeyer und ihren drei Polizisten bei den Ermittlungen zu zeigen, was eine Harke ist. Verfüttert nicht die Mafia ihre Opfer an Schweine? Aber leider, der letzte Italiener in der Gegend ist vor drei Monaten zurück in die Heimat gegangen.
Vermißt wird keiner, weder im Ort noch in der Umgebung. Allerdings ist der Berner-Opa auf dem Jakobsweg, pilgert also zu Fuß nach Santiago de Compostela und ist nicht zu erreichen, weil ein Handy hat der Berner-Opa nicht. Und die Berners sind Schweinezüchter!
Festnahme und Verhör. Da taucht der Berner-Opa wieder auf, weil er sich die Füße wundgelaufen hat und so groß ist sein Glaube dann doch nicht, daß er sich die alten Knochen vollends ruiniert. Es ist also nichts mit dem Mordfall.
Bis man, wiederum vom Seppi auf die Spur gebracht, die Asche einer verbrannten Frau findet, inklusive eines künstlichen Hüftgelenks. Auf dem Weg zum Revier läßt sich ein Polizist das Hüftgelenk aus der Tasche klauen. Kein Beweisstück mehr, aber jetzt ist die Kacke wirklich am Dampfen.

Der Film spielt zwar in der Nähe von Straubing, wurde aber im Landkreis Rottal-Inn gedreht. Die Schauspieler sehen aus wie richtige Menschen und sie sprechen, wie in Niederbayern halt gesprochen wird, kein Münchner Salonbairisch. Ein ungemein ruhiger Film, keine hektischen Schnitte, keine wackelnde Handkamera, keine wilde Action. Das höchste der Gefühle sind der durchs Dorf galoppierende Dackel Seppi und der forsch über die gewundenen Straßen jagende Kommissar in seinem Mercedes. Du hast Zeit, dir die Leute anzuschauen, die Landschaft, den Saustall.

Sauställe spielen eine wichtige Rolle in diesem Film, der Kommissar will diejenige Sau welche dadurch entdecken, daß er allen Schweinen der Gegend eine halbe Zuckerrübe hinhält, um die Bißspuren dann mit jenen auf dem Finger vergleichen zu lassen.
Kommissar: Ist das da eine Sau oder ein Eber?
Bauer: Das ist die Jacqueline.
Kommissar: Und die da?
Bauer: Das ist der Jacqueline ihre Schwester.
In einem anderen Saustall haben sie nicht so viel Glück, da haben die Schweine keine Namen, sie müssen sie durchnumerieren. Und so landen wir beim Filmtitel, denn Sau Nummer vier ist diejenige welche.
Und der Mörder? Scheiß auf den Mörder.
Ein sauguter Film.

Dienstag, 26. Oktober 2010

Die dunkle Seite der Wahrheit

Mit der Lüge ist das so eine Sache, die einfach aussieht und doch ungeheuer kompliziert ist. "Du sollst nicht lügen!" lesen wir in den Zehn Geboten und jeder ist nur zu leicht bereit, bei dieser Aussage zustimmend mit dem Kopf zu nicken.
Daß man nach Möglichkeit nicht lügen sollte ist einleuchtend. Menschliches Zusammenleben wäre kaum möglich, wenn Lügen eine allgemeine Übung wäre und jeder jeden ständig anlügen würde. Es gäbe keine Verläßlichkeit im menschlichen Miteinander, klar.

Wer aber hat die Behauptung aufgebracht, daß man nie, niemals lügen dürfe und daß dies der höchste Stand moralischer Vollkommenheit auf diesem Gebiet sei?
Es liegt auf der Hand, daß der Spruch von Leuten stammen muß, die wesentlich häufiger Leute nach etwas fragen als selber ihrerseits von jemand anderem gefragt werden. Solche Leute wollen natürlich nicht angelogen werden.
Die Forderung nach Wahrhaftigkeit ist also eine, die von oben nach unten geht. Von dir als Bürger erwartet man Wahrhaftigkeit, du sollst nicht lügen, wenn du was sagst, wenn man dich was fragt. Ein Fürst, ein Politiker, aber galt und gilt immer noch als völlig verrückt, wenn er wahrheitsgemäße Aussagen auch dann macht, wenn diese Aussagen ihm oder dem von ihm vertretenen Gemeinwesen schaden.

Leute, die neuerdings den Islam studieren, weil sie dem Islam (und damit eigentlich den Moslems) nur zu gerne an den Karren fahren wollen, haben die sogenannte Taqqiye entdeckt und zeigen mit anklagendem Finger darauf. Taqqiye, das ist das Verschweigen der eigenen Religion, wenn Lebensgefahr droht. Muslime, die unter der Autorität der Ungläubigen stehen und Angst um sich haben, sollten sich den Ungläubigen gegenüber in Worten loyal geben, während sie weiterhin inneren Abstand wahren sollen.
Puh, Empörung, diese Moslems aber auch.

Prügelt mich, aber ich kann an dieser Taqqiye nichts Schlechtes finden. Wenn ich eine, irgendeine (oder auch keine) Religion habe und die mich umgebenden Menschen es für eine gute Idee finden, Anhänger dieser (Nicht-)Religion zu erschlagen (und dazu auch in der Lage sind), dann werde ich nicht so freundlich sein, solchen Leuten ihr Totschlagsgeschäft dadurch zu erleichtern, daß ich mir ein Zeichen auf den Kopf male: Ich bin ein Tark, ich bin ein Schnark, erschlagt mich!
Der Hase bleibt auch nicht stehen und stellt sich dem Fuchs zum Kampf, er läuft vor ihm davon. Andere Tiere tarnen sich und machen sich für das Raubtier unsichtbar oder unriechbar. Das ist keine Feigheit, das ist die Waffe des Kleinen gegen den Großen; der Fuchs verhungert, wenn es nur noch schnelle Hasen gibt.

Stell dir vor, ich wäre evangelisch und die Truppen des katholischen Grafen klopften an meine Tür.
"Hör mal, Heinrich, wir haben gehört, du wärst evangelisch. Wir können uns das gar nicht vorstellen, du wirkst so vernünftig, bestimmt bist du katholisch oder willst es jetzt werden, gell?"
"Aber natürlich, Hochwürden, bin ich katholisch oder will es jetzt werden. Ganz klar. Wo ist die Liste mit den Dingen, denen ich abschwören soll? Ah, da ist sie ja." Liest aufmerksam die Liste. "Gut, Hochwürden, hiermit schwöre ich all dem ab. Wo ist das nächste Taufbecken, bitte?"
Und jetzt stell dir vor, dergleichen würde nicht nur ich machen, sondern viele, viele, fast alle, die man so bedrängt. Die Prediger mit Feuer und Schwert kämen ganz schön ins Schwitzen. Alle Evangelischen, Juden, Moslems und Hindus in ihrem Einflußbereich wären jetzt zwar katholisch, aber jedem wäre klar, daß man sich auf diesen Sauhaufen nicht verlassen kann. Einige, das sagt uns die Lebenserfahrung, sind jetzt zwar wirklich und echt bekehrt, aber wer? Du siehst, wie all die früheren Protestanten, Juden, Moslems etc. am Sonntag nach vorne schlappen, die Hl. Kommunion zu empfangen, aber du weißt ganz genau, daß es beim Großteil von denen nur Affentheater ist, daß sie sich hinter deinem Rücken totlachen über deine Dämlichkeit.
Das Bekehren mit Feuer und Schwert wäre bald aus der Mode gekommen.

Erzieher kennen die leidige Geschichte: Wer wertet wird beschissen. Wer Regeln für das Handeln und Denken vorgibt, der wird belogen und betrogen, und er wird es umso mehr, je strenger er diese Regeln vorgibt. Der strenge Erzieher macht sich selbst zum Kasper, der ständig wie ein Idiot hinter den Kindern herspionieren muß, weil er genau weiß, daß das, was sie ihm sagen, Unfug ist.
In manchen Ländern war und ist das Aussprechen bestimmter Gedanken verboten oder doch verpönt und mit Strafe oder Nachteilen bedroht. Nun weiß jeder, daß Gedanken nicht dadurch verschwinden, daß man ihr Aussprechen verbietet. Das hat zur Folge, daß man einen gigantischen Spitzelapparat aufbauen muß, um herauszufinden, was die Leute wirklich denken.

Wenn mir der Stärkere den Treueschwur aufnötigt, dann leiste ich ihn. Wenn sich der Stärkere aber auch nur einen Moment lang umdreht, hau ich ihm mit dem Knüppel auf den Kopf. Wäre diese Art von Ethik verbreiteter, würde die Herrschaft von Menschen über Menschen sehr, sehr schwierig.
Diese Ethik ist in hohem Maße subversiv, sie untergräbt Autorität, statt sie zu fördern. Gehorsam würde nur mehr so weit funktionieren, wie das Schwert reicht - und das reicht nicht sehr weit. Macht funktioniert, weil die Leute loyal sind. Sie gehorchen Befehlen, die ihnen widerstreben, auch dann, wenn kein Polizist neben ihnen steht, weil sie sich durch einen Eid oder was auch immer zum Gehorsam verpflichtet fühlen. Besatzerregimes können ein Lied davon singen, wie schwierig und teuer es ist, eine Bevölkerung zu beherrschen, die ihnen genau diese Loyalität verweigert.
Wenn Mao Tse Tung einst schrieb, alle Macht komme aus den Gewehrläufen, so kann ich ihm nicht zur Gänze widersprechen. Allerdings muß ich ergänzen, daß die Macht mindestens genau so stark aus den Büchern der Philosophen und Religionsgründer kommt, die uns die Unterwerfung unter den Willen eines anderen predigen, die uns lehren, loyal und gehorsam zu sein, ohne gründlich zu prüfen, ob der Herrscher unserer Loyalität, unseres Gehorsams auch würdig ist. Ein Philosoph, ein Prophet, ein Prediger ist wirkmächtiger als viele Militärkasernen - und ungleich billiger.

Was wäre, wenn (aufgedrängte) Treueide nicht mehr voraussetzungslos ernst genommen würden? Würde die Welt in Chaos und Wahnsinn versinken?
Nein. Es würde dazu führen, daß Mächtige bei weitem nicht mehr so mächtig wären, wie sie es jetzt sind. Es würde dazu führen, daß die Anordnenden sich mit den Subjekten ihrer Anordnungen arrangieren müßten, daß die Anordnungen so gestaltet sein müßten, daß sie von den Nicht-Mächtigen eingesehen und freiwillig befolgt werden.
Oder, wie es einst schon der Lindinger-Opa formulierte: "Anarchie ist machbar, Herr Nachbar."

Oma und Opa im Käfig?

Franz Josef Strauß hatte einst der Passauer Nibelungenhalle seine großen Auftritte beim Politischen Aschermittwoch der CSU. Strauß ist tot und auch die Nibelungenhalle ist längst abgerissen. Dort, wo sie einst stand, ist jetzt ein Einkaufszentrum, eigentlich zwei (drei?) mit einem großen und sehr unübersichtlichen Parkhaus.
Wenn du das Einkaufszentrum verläßt und - die Nikolastraße überquerend - in die Ludwigsstraße (Fußgängerzone) gehst, siehst du rechter Hand dieses Schild. Du siehst es und denkst dir "Oha!".
Seniorenkäfighaltung - ist das jetzt der harte Weg, mit der Überalterung unserer Gesellschaft fertig zu werden?

Erst ein Blick auf den Stadtplan von Passau beruhigt deine alten Nerven wieder ein wenig.

Was ich mich allerdings ernsthaft frage: Fällt jemandem, der so ein Schild in Auftrag gibt, der Doppelsinn nicht auf? Ich mein, der Seniorentreff der Passauer Malteser heißt offiziell ja "Seniorentreff Am Zwinger 1", bezieht sich also auf die Adresse. Daß man auf Schildern gerne kürzt leuchtet mir ein, aber wenn dann so was dabei rauskommt...