Samstag, 16. Dezember 2023

Verlust der Mitte

Konservative beklagen oft und gerne den Verlust der Mitte. Im Regelfall ist das, wie das meiste, was Konservative von sich geben, hanebüchener Scheisendreck.

Manchmal stimmt's aber doch.

Sonntag, 10. Dezember 2023

Geld macht die Welt rundumeindum gehen

"Ein Geld muß eins da sein", hieß es mal in einem dieser dumpfen und stinklangweiligen Fassbinder-Filme (ich glaub es war "Katzelmacher", so ziemlich der dumpfeste seiner Filme). Ohne 1 Geld gibt’s auch keine Kunst und 1 Musik spielt ohne 1 Geld sowieso nicht.

Wenn's um Einsparungen geht, dann ist die Kunst immer in der ersten Reihe, denn - samma sich doch mal ehrlich - wer braucht schon Kunst, solange es RTL gibt? Und wenn's hart auf hart kommt, dann werden die Geigen eingeschmolzen und zu Kanonen gegossen.

Andererseits bringt 1 Geld Sonne in alle Herzen. Hier eine kleine Bonuszahlung an alle treuen und untreuen Fisch- & Fleischisten, nur echt in der handlichen Abreißrolle.

DSCHURNALIST: Herr Heinrich, sind solche Geldgeschenke nicht billigster Populismus?

HERR HEINRICH: Popolismus, Herr Arsenbauer.

Wie sagt der österreichische Volksmund wenn jemand politische Dienstleistungen für Geld feilbietet? Auf den Strach gehen.

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Eh ich's vergesse: "Egoist: Person minderen Geschmacks; mehr an sich interessiert als an mir." (AMBROSE BIERCE)

Payback

An der Supermarktkasse gleich welcher Handelskette frägt man mich oft und gerne, ob ich eine Payback-Karte hätte. In diesen Fällen schüttele ich mich demonstrativ vor Grauen und sage, daß nein, mir stehe nicht der Sinn nach Rache. Ich blicke in zwei ratlose Augen und erkläre, daß "payback" das englische Wort für "Rache" sei. Auch im Deutschen oder zumindest im bairischen Dialekte sage man "Des zahl i dir zruck" wenn man Racheaktionen ankündige. Die ratlosen Augen haben sich in ungeduldige verwandelt, ich beende mein Klugscheißern und eile rasch davon.

Das kommt alles vom Saufen

In den siebziger Jahren sang Ulrich Roski von den fatalen Folgen des Alkoholmißbrauchs:

Roski drückt sich dabei um die Kernfrage der Reihenfolge: Kommt das Unheil vom Saufen oder kommt vielmehr das Saufen vom Unheil? Und ist nicht das Saufen seinerseits ein Unheil, das wiederum zum Saufen führt? Der Achternbusch Herbert sagte einst in einem seiner Filme: "Familie und Beruf, beides führt zum Suff".

Der eifrige "Fisch und Fleisch"-User weiß indes, daß alles Unheil vom Ausländer kommt.

Freitag, 1. Dezember 2023

Kein Schwein ruft mich an

In einem Film vom Woody Allen (kann sein es war "Manhattan") gibt es folgenden running gag: Ein junger Geschäftsmann taucht zusammen mit Woody Allen an den verschiedensten Orten auf. Und überall, wo er auftaucht, besteht seine erste Handlung darin, daß er zum nächsten Telefon eilt, sein Büro anruft und die Telefonnummer des Apparates durchgibt, von dem aus er grad anruft. Bis voraussichtlich so und so lang sei er unter dieser Nummer zu erreichen.

Der Witz besteht nun darin, daß dieser junge Mann während des ganzen Films niemals von seinem Büro aus angerufen wird. Auch wenn er dort anruft, um die Telefonnummer durchzugeben, teilt man ihm niemals irgendeine wichtige Nachricht mit oder bittet ihn um eine Entscheidung oder ähnliches. Das heißt. der Fall, dessentwegen er ständig seine Erreichbarkeit durchgibt, tritt nie ein, das Ganze ist nichts weiter als Wichtigtuerei.

Heute hast du für sinnlose Kommunikation ein Handy oder gar ein Smartphone. Das heißt, "Kommunikation" ist vielleicht ein zu großes Wort für das, was vor allem die jüngeren Leute mit ihren Smartphones machen. Alle haben sie mindestens 1 Smartphone, wenn du sie aber anrufen willst, geht kein Schwanz ran.

Einige hier werden es wissen... ich mache staatlich verordnete Kurse, Führerschein, Saufen, Kiffen etc. pp.. Der eine Kurs ist speziell für Fahranfänger, die bei laufender Probezeit mit einem Alkohol- oder sonstigen Drogendelikt aufgefallen sind (in Deutschland gilt während der Probezeit die 0,0-Grenze). Im Frühjahr hing mehrere Wochen lang das feurige Schwert des Erzengels Weselsky drohend über uns, viermal mußte ein Kurstermin verschoben werden. Das ist lästig, weiter aber kein Problem, denkst du. Dann rufst du halt die Teilnehmer der Reihe nach an und informierst sie, die Handynummern hast du. Denkst du.

Zwei der zehn Teilnehmer erreichst du auf Anhieb, sie sind also schon mal informiert; vier weiteren Teilnehmern sprichst du auf den Anrufbeantworter, wenn er sich denn öffnet, der Rest bleibt im Ozean des Internets verschollen. Die jungen Leute besitzen, wie bereits erwähnt, mindestens ein Smartphone [1], aber sie gehen nicht ran, wenn man sie anruft. Das heißt, wenn ihre Freunde borgward1 bis borgward317 anrufen gehen sie schon ran, ist der Anrufer allerdings nicht in ihrem Telefonregister gespeichert, wird er weggedrückt oder gar automatisch blockiert. So schließt sich der Kreis: Vor lauter Kommunikationsmöglichkeit kommt keine Kommunikation mehr zustande.

Ach.



[1]   Ohne Smartphone bist du heutigentags definitiv kein Mensch, du wirst als gallertartige Qualle eingestuft.

Montag, 27. November 2023

Zeitungsarchiv

Als ich noch der Waldbauernstudent war und also Zeit und darüber hinaus auch ein bißchen Geld hatte, hatte ich eine Tageszeitung abonniert, andere Tageszeitungen las ich gelegentlich und am Wochenende habe ich mir stets DIE ZEIT und die Wochenende-Ausgaben von Süddeutscher Zeitung, WELT, Frankfurter Rundschau, Frankfurter Allgemeiner Zeitung und Mittelbayerischer Zeitung gekauft. Interessante Artikel habe ich ausgeschnitten, aufgeklebt und in Ordnern fein säuberlich gesammelt. Das Sammeln von Zeitungsausschnitten habe ich aufgegeben, als ich eines Tages herausgefunden habe, daß die Weltgeschichte auch dann weiterläuft, wenn ich nicht über alle Einzelheiten ihres Verlaufs informiert bin.

Dienstag, 21. November 2023

Mein Lieblingsdiktator

"Zwischen Terroristen, die Waffen und Bomben tragen, und jenen, die ihre Position, ihren Stift oder ihren Titel den Terroristen zur Verfügung stellen, besteht kein Unterschied", erklärte Präsident Erdogan."

Ist das nicht ein wunderbares Kompliment für die Macht des geschriebenen und gesprochenen Wortes? Ein gottverdammter Gewalttäter und legitimer Massenmörder fürchtet sich vor einem Leitartikel wie vor einer Kalaschnikow...

Montag, 20. November 2023

Migrationsgeschichte

Ins "Deutschland" südlich des Limes sind die Juden noch vor den Germanen eingewandert. Die Römer hatten damals ja nicht Germanen besiegt und kolonisiert, sondern Kelten. Im Gefolge der Römer waren Juden gekommen, die Germanen tröpfelten erst paar Jahrhunderte später hier ein. Noch vor dem ersten protogermanischen Wort wurde hier im Süden Latein und Hebräisch gesprochen.

Im Gebiet des heutigen Brandenburg hat der slawische Volksstamm der Pruzzen das Kunststück fertiggebracht, nach Deutschland einzuwandern, ohne sich von der Stelle zu bewegen. Das Protorussisch, das diese Pruzzen genuschelt haben, wurde immer merkwürdiger, bis sich schließlich rausstellte, daß die Pruzzen das Berlinern erfunden hatten. Ob das ein Fortschritt war, darüber kann man füglich streiten.

Geschlechterschmäh

"Ja", schrieb einst 1 Frau im Internet, "zu manchen Sachn braucht's Männer... oder sie können jedenfalls nicht schaden."

Karl Kraus hat mal geschrieben: "Ein Weib ist unter Umständen ein ganz brauchbares Surrogat für die Selbstbefriedigung. Freilich gehört ein Übermaß an Phantasie dazu."

Ich versteck mich dann mal, vorsichtshalber.

Nuschelfunk

Eines morgens, kurz vor neun, im Deutschlandfunk, Presseschau: "Die Rheinzeitung aus Ostberlin meint,..."

Nanu, wieso nennt sich eine in Berlin erscheinende Zeitung "Rheinzeitung"? Und, äh... wieso Ostberlin? "Ostberlin" ist ja fast so schlimm wie "Neger".

Ich hab den Eindruck, die Rundfunksprecher nuscheln immer mehr, und sie tun dies umso ausgeprägter, je weiter ich vom Radio entfernt stehe.

Reinheit und Ehre

Eine gewisse Frau S. mischte sich einst in eine Internet-Diskussion unter Männern ein.

Sie: "Ist es den Herren wichtig, dass es reine Tees sind?"

Ich: Um Gottes Willen, nein. Beim Wort "rein" zieht es mir alles Mögliche zusammen. "Rein" ist ein fast so entsetzliches Wort wie "Ehre".

Sie: "Ich persönlich habe weniger 'Pflanzensud' liebe aber dann doch so was wie die Nr. 13 von der Snakeoil Company: Sencha, Osmathusblüten, naturbelassene Zitronenstücke, Lavendel und Lemongras"

Ich: Was die Leute nicht alles in ihren "Tee" geben, nur damit ihr "Tee" nicht so widerlich nach Tee schmeckt. Es gibt Leute, so habe ich mir sagen lassen, die trinken Whisky mit Sodawasser oder gar Eis. Nix gegen Whisky und schon gar nix gegen Sodawasser oder Eis. Ich aber - merket auf! - möchte mir nicht mein Wasser mit Whisky verdünnen lassen. Und umgekehrt, natürlich.

Mittwoch, 15. November 2023

Großwildjäger und Philosph

Slavoj Žimžek, sag mal, war der nicht mal früher in der Serengeti zugange und hat dort die Zebras und Giraffen ausgerottet?

Mittwoch, 8. November 2023

Der Raub einer Kappe

Am 4. November hat uns ein aufmerksamer "Fisch und Fleisch"-User auf einen Vorfall aufmerksam gemacht, der sich am Vortag in Wien-Liesing ereignet haben soll.

>>(04.11.2023, 16:13)

"...aus einem Artikel des Kurier:

Zwei 15-Jährige SOLLEN am Freitag um 17.15 Uhr in der Anton-Baumgartner-Straße in Wien-Liesing einen 13-Jährigen mit einem Messer bedroht und dessen Kappe geraubt haben.

Der 13-Jährige blieb laut Polizei bei dem Raubüberfall durch die beiden jungen Syrer unverletzt."<<

Kurz gesagt: Zwei 15jährige Jungs haben einem 13-Jährigen die Kappe weggenommen. Sonst ist nichts passiert, verletzt wurde niemand. Noch kürzer gesagt: Es nichts passiert! Nichts, was für eine bundesweit erscheinende Zeitung berichtenswert wäre. Aus diesem duftige Nichts macht die Userin einen kleinen Blogbeitrag, sie wirft - wie in diesem Forum üblich - die Flüchtlingsfrage auf und macht sich Gedanken, die Genfer Flüchtlingskonvention zu ändern. Nach ziemlich genau vier Tagen (08.11.2023 16:38 h) hat es der Blogbeitrag auf 220 Kommentare gebracht.

Vor vielen Jahren hat der "Rottaler Anzeiger" berichtet, auf dem Marktplatz von Gangkofen sei ein Auto geparkt gewesen, aus dem tickende Geräusche gekommen seien. Man habe die Polizei alarmiert, die ein Team von Sprengstoffexperten aus München angefordert habe. Es habe sich herausgestellt, daß das Auto einige Tage dort mit eingeschalteten Scheinwerfern geparkt habe, die Batterie sei nach dieser Zeit fast leer gewesen, es habe nur noch dazu gereicht, daß das Blinkerrelais blinkerlos tick-tick-tick gemacht habe. Es war also NICHTS passiert, außer dem Anrücken des Sprengstoffteams.

Gut, damals hatte die Redaktion immerhin die Ausrede gehabt, daß in Gangkofen (anders als in Wien) normalerweise wirklich nicht viel los ist.

Dieses noch: Im Kommentar-Bereich schrieb ein gewisser @nachgedacht: "Nette Gäste haben wir hier. Wenn es in deren Kulturkreis üblich ist, mit 15 Jahren ein Messer bei sich zu haben, dann muss man denselben klar machen das es hier etwas anders ist."

Von wegen anders. Ich hatte mit 15 immer ein Messer bei mir und wenn ich es recht bedenke, so ist das heute noch so, auch wenn ich das Messer selten benütze. Die längste Zeit des Jahres brauche ich keine Mütze und wenn doch mal ein strengerer Wind geht zücke ich meine Gesundheitskarte der Technikerkrankenkasse und gebe mich als Geheimagent aus. In der Regel gibt mir der Zehnjährige zwar verschüchtert, aber letztlich doch freiwillig seine Kappe.

P. S.: In meinem Kulturkreis (Niederbayern) gilt es für durchaus selbstverständlich, ein Messer bei sich zu tragen.

Donnerstag, 2. November 2023

Werbung vs. Abonnement

Auf Websites, die zu erheblichen Teilen von Werbung finanziert werden, die also auf Werbung dringend angewiesen sind, versuchen die Betreiber dieser Websites zahlende Kunden dadurch zu gewinnen, daß sie den potentiellen Abonnenten vorschwärmen, wie schön ihre Website ohne Werbung wäre.

Abonnieren Sie unsere Website, dann brauchen Sie die Scheißwerbung auf unserer Website nicht mehr anschauen.

Mittwoch, 1. November 2023

Anderkatt

Weil immer so geschimpft wird auf die Nazis, auf die historischen von anno Feldherrnhalle und auf die heutigen von "Fisch und Fleisch" sowieso: Was das Styling betrifft kann man den Nazis - zumindest denen von anno Stalingrad - nichts vorwerfen. Lange bevor das Wort "stylish" im deutschen Sprachraum in allgemeine Verwendung kam, waren die Nazis die Avantgarde der Haartracht, sie haben den Trend gesettet, man nehme nur den heute wieder hochmodischen Undercut, hier am Beispiel von Heinrich Himmler.

Der junge Mao Tse Tung hat ebenfalls diesen sexy Haarschnitt getragen, was vielleicht die Totalitarismusthese bestätigt: Kommunisten und Faschisten kommen aus derselben Familie.

Wer sich über die weißen Sterne auf blauem Grund hinter Mao Tse Tung wundert: Als junger Mann hat der in der Chinatown von San Francisco geborene und aufgewachsene Mao mehrere Jahre in einem Trainingslager des amerikanischen Geheimdienstes FPD in einem Wald in Montana verbracht, wo er in Marxismus-Leninismus und Guerillakrieg [1] ausgebildet wurde. Anschließend wurde er über China mit dem Fallschirm abgeworfen.




[1]   Der Guerillakrieg, die Strategie des Kleinen Mannes gegen die Große Frau, wurde - entgegen anderslautenden Gerüchten - nicht von Mao Tse Tung erfunden. Sondern? Sondern von den amerikanischen Siedlern im Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten. Die Amerikaner verweigerten sich weitgehend der offenen Feldschlacht, sie lockten den nicht landeskundigen Feind in die undurchdringlichen Wälder und Weiten des Kontinents und griffen ihn dann aus dem Hinterhalt an.

Dienstag, 24. Oktober 2023

High durch Schmai - Hegel und der Schnupftabak

 

Hegel, der Alt- und Großmeister der Philosophie war dem Vernehmen nach ein großer Freund des Weins: "Daß He­gels Wein­rech­nun­gen bei der Firma Gebr. Ra­mann in Er­furt, die auch Goe­the be­lie­fer­te, höher waren als seine Bü­cher­rech­nun­gen bei der Ni­co­lai’schen Buch­hand­lung zu Ber­lin, ist be­kannt, be­kannt ist auch, daß seine Kol­le­ge Ar­thur Scho­pen­hau­er, des auf­ge­dun­se­nen Ge­sichts wegen, von He­gels »Bier­wirts­phy­sio­gno­mie« sprach."

Dem Vernehmen nach soll Hegel auch sehr heftig dem Schnupftabake zugesprochen haben. Schnupftabak war damals üblicherweise mit Hanf versetzt. "We­ni­ger be­kannt hin­ge­gen ist, daß zu jener Zeit der Schnupf­ta­bak, dem Hegel kräf­tig zu­sprach, mit Can­na­bis ver­setzt war [1] und damit eine rausch­haf­te Wir­kung hatte. Da­durch be­fand sich Hegel stän­dig in einem eu­pho­ri­sier­ten Zu­stand, der sicht­ba­ren und hör­ba­ren Ein­fluß auf seine Spra­che ge­habt haben muß. Wäh­rend sei­ner Vor­le­sun­gen schnupf­te er so kräf­tig, daß die Reste auf dem Ka­the­der aus­reich­ten, um seine Hörer zu er­fri­schen. (...) Die psychischen Symptome (bei Haschischkonsum) sind individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt. Im Vordergrund steht eine Änderung der Bewußtseinslage, Änderung des Raum- und Zeitempfindens, Ideenflucht, Euphorie, bei hoher Dosis Halluzinationen." Quelle

Ob man nicht Philosophie in den Anhang zum Betäubungsmittelgesetz aufnehmen sollte? Philosophie scheint ja so eine Art Einstiegsdroge für allerlei Substanzen zu sein. Oder sollte es umgekehrt sein? Ist Philosophie vielleicht nur durch die Einnahme psychoaktiver Substanzen möglich?



[1]   High durch Schmai.

Sonntag, 22. Oktober 2023

Waldemar und die Erfindung des analogen Selfies

Zu einer Zeit, da das Wünschen schon auch nicht mehr geholfen hat und es Deutschland noch im Doppelpack gab lebte in West-Deutschland ein Frührentner. Ein Frührentner hat - logischerweise - viel Zeit und manchmal auch ein bisserl Geld. Der Frührentner Waldemar Brummel, von dem hier die Rede sein soll, vertrieb sich die zu viele Zeit mit dem Lauern auf Leute mit einer gewissen Prominenz.
 
Acht Stunden hat er einmal - so hat er es erzählt - auf Robert Plant von Led Zeppelin [1] gewartet, sechs auf Mick Jagger. Wenn der Prominente dann erschien trat Waldemar Brummel auf ihn zu und fragte höflich: "Hätten Sie etwas dagegen, mit mir photographiert zu werden?". In den allermeisten Fällen hatte der Prominente nichts dagegen, er kann kaum was dagegen haben, denn das Prominentsein des Prominenten beruht meist darauf, daß der Prominente so oft wie möglich photographiert oder gefilmt wird. Der Prominente lebt von den Medien wie der Vampir vom Blut.

Ca. 1400 Bilder hat Herr Brummel aus Köln auf diese Weise gesammelt, Otto Waal­kes, Christine Kaufmann, Gerd Fröbe, Richard von Weizsäcker, Waldemar und Luis Trenker. Und immer und immer wieder Waldemar. "Dieses Buch dreht die Wirklichkeit um", schrieb Axel Hacke 1987 in der Süddeutschen Zeitung in einer Buchkritik, der ich die meisten Fakten hier verdanke.

"Im Leben ist der Star immer die Hauptperson und die Waldemars drängeln sich um ihn. Für den Moment des Bildes stehen sie gleichberechtigt nebeneinander, das Buch aber versammelt sie zu einer Prominentenmasse, zu einem Haufen von Leuten, neben denen es nur eine wichtige Person gibt - Waldemar mit dem immer gleichen routinierten, satt-zufriedenen Lächeln. Waldemar, der so berühmt ist, daß es sich kein Mensch von Rang und Namen erlauben könnte, von ihm nicht erlegt worden zu sein. Pro­minent ist, wer mit Waldemar aufs Bild durfte."

Wer sich ein bisserl in der Welt und den Medien auskennt, seufzt jetzt: Poldi Waraschitz, der Schnorrerkönig. In der Tat.

Waldemar und...Arm in Arm mit den Größen un­serer Zeit. Edition Braun, Heidelberg. 120 Seiten, 100 farbige Abbildungen, 14,80 Mark. (Autoren: Waldemar Brummel/Uwe Zündorf)

Das Buch scheint derzeit vergriffen zu sein, antiquarisch könnte man vielleicht Glück haben.



[1]   So ein Glück, daß ich auf meine Alten Tage noch von seiner Existenz erfahren habe.

Donnerstag, 19. Oktober 2023

Der Rattenfangende von Hameln

Im Blogbeitrag eines Users, dessen Name hier nicht genannt werden darf (und der im übrigen auch keine Rolle spielt) kommentierte ein anderer User:

>>Man kuscht offenbar vor den rechten Rattenfangenden der AfD und FPÖ.<<

"Rattenfangende", die Formulierung ist so süß! Sie macht dir klar, daß die Suche nach der korrekten Sprache immer mehr zu ihrer eigenen Karikatur wird. Der Rattenfangende von Hameln. Hl. Muttergottes von Tschenstochau!

Sex oder Die Geschichte vom denkenden Schwein

In der Alten Zeit, da die Welt zwar auch nicht mehr gut, aber doch besser war als die Welt von heute, stellte ich einen kleinen, harmlosen (wie ich dachte) Blogbeitrag ein:

Kindersex - Schockierend!

Mir doch Banane. (Man achte auf die rechte Hand des Mädchens.)

Für diesen kleinen, harmlosen (wie ich dachte) Blogbeitrag wurde ich heftig gerügt: "Du denkst an Sex, wenn du die rechte Hand des Mädchens siehst? (...) ...aber wenn ich das Mädchen sehe und auf ihre rechte Hand blicke, denke ich nicht an Sex."

"Du wirst lachen", schrieb ich zurück, "auch ich habe auf die rechte Hand des Mädchens geblickt und nicht an Sex gedacht. Ich habe das Bild vor etlichen Jahren im Netz gefunden und mir ist natürlich sofort die Banane aufgefallen, welche das Mädchen dem Jungen in den Mund steckt. Das kommt davon, wenn man zu viel von und über Freud liest, den alten Schla-Wiener.

Vor einigen Jahren habe ich das Bild schon mal als Kuriosität eingestellt - nicht hier, sondern in einem Forum, in dem vorzugsweise User mit Nie-Woh verkehren - und ein Leser hat mich auf die Handhaltung des Mädchens aufmerksam gemacht. Nanu?, dachte ich bei mir, was soll da sein? Es hat etliche Sekunden gedauert, bis mir klar geworden ist, wie anzüglich die Pantomime des Mädchens ist, und zwar an genau jener Stelle, an der sich der erigierte Penis des Jungen hätte befinden müssen, wäre der Junge für einen erigierten Penis nicht doch etwas jung gewesen. Aber, wie das gelegentlich so ist, wenn du mal etwas erkannt hast oder glaubst, etwas erkannt zu haben, wirst du die Gedankenverknüpfung nie mehr los."

Eine andere Geschichte, damals wohnte ich aus beruflichen Gründen vorübergehend bei meiner Mutter. Ich hocke also eines Tages beim Abendessen in der Küche, während meine Mutter im Wohnzimmer gerade eine Vorabendserie mit Werbeumrahmung guckt. Plötzlich höre ich vom Fernseher einen Sprecher fröhlich quaken: "Verbotene Liebe mit Maggi-Tomatenketchup macht einfach Spaß".

Eine ganze Weile sitze ich da wie vom Donner gerührt, entschließe mich dann aber, das Ganze auf einen Hörfehler meinerseits zu schieben, zu unglaublich erscheint mir das Gehörte. Tags drauf jedoch, gleiche Szene, gleicher Spruch. Und diesmal habe ich mich mit Sicherheit nicht verhört.

Ich möchte mich jetzt nicht weiter drüber auslassen, wie "verbotene Liebe mit Maggi-Tomatenketchup" rein technisch aussehen könnte, gestatte mir in diesem Zusammenhang lediglich die Anmerkung, daß es für den männlichen Maggi-Liebhaber möglicherweise - im Wortsinne - sehr eng werden könnte. Aber gut: Jeder Erwachsene kann und muß wissen, was er macht und vielleicht ist in diesen Zeiten von AIDS der Sex mit Tomatenketchup tatsächlich die gesündere Alternative zu promiskem Geschlechtsverkehr mit Frauen oder Männern, gleich welchen Geschlechts.

Kann sein.

Was ich aber nicht - und zwar überhaupt nicht - verstehen kann, ist die Tatsache, daß man einen dermaßen frivolen Werbespot im Vorabendprogramm bringt, zu einer Zeit also, da viele Jugendliche, ja Kinder, noch fleißig am Gucken sind. Man muß die Kids doch wirklich nicht auf derartige Gedanken bringen!

Es gab mal Leute - und es gibt sie dem Vernehmen nach immer noch - die Tomatenketchup essen. Vielleicht sollte die Firma Maggi ihre Kunden mal darauf aufmerksam machen.

Ich hab öfter mal völlig alberne Assoziationen. Oft ist das nur ein Scherzlein, manchmal nicht einmal das. Ab und an wird ein interessanter Gedankengang draus. (Das hier ist sicher nur ein Scherzlein, wenn überhaupt.)

In der Schule habe ich erstmals den "Bolero" von Maurice Ravel gehört und war sofort fasziniert. Ein eigentlich wahnsinnig langweiliges Stück (letztlich immer die gleiche Tonfolge), das aber trotzdem alles andere als langweilig ist. Das knistert. Jahre später habe ich gelesen, der "Bolero" sei vertonter Geschlechtsverkehr, Geschlechtsverkehr aus der Perspektive des Mannes. Ich hörte mir das Stück daraufhin wieder mal an - tatsächlich. Immer das gleiche, aber immer ein bisserl anders, schön langsam immer heftiger werdend, schließlich heftiges Rabumms, Rabumms - aus. Und dann ratzt der Saukerl wahrscheinlich weg, während die nunmehr entspannte Frau eigentlich noch über das Versmaß im klassischen Sonett diskutieren wollte.

Ähnlich ist es mit dem Heideröslein von Goethe, von selber wär ich nie darauf gekommen, daß hier die Geschichte einer Vergewaltigung erzählt wird. Aber natürlich ist es genau das, Ein Gedicht darüber, wie jemand eine Blume pflückt und darüber mit der Blume ein Gespräch führt, wäre auch wirklich grundalbern.

Und dann war da noch die Sache mit den Türmen der Frauenkirche in München. Vor einigen Jahren war ich in München in einem Beratungsgespräch, anwesend waren der Klient und eine junge Kollegin, die hospitierte. Das Gespräch war an einem toten Punkt angelangt und ich deutete mit unendlich müder Geste (in welche ich den ganzen Weltschmerz des Wiener Fin de Siècle legte, den André Heller so anmutig zu zelebrieren wußte) nach hinten, wo die Türme der Frauenkirche, etwas über einen Kilometer Luftlinie entfernt zu sehen waren. "An einem diesigen Tag wo heute, wo man Einzelheiten nicht mehr so genau sieht, schauen die Türme tatsächlich wie erigierte Penisse aus." Sowohl der Klient als auch die Kollegin schauten mich irritiert an. "Jetzt dreht er durch!" mochten sie wohl denken. So hätten sie die Türme noch nie gesehen, erfuhr ich auf Nachfrage. Oha! Ich versuchte einzulenken und meinte, locker parlierend, die meisten Leute sähen die Zwillingstürme wohl tatsächlich eher weiblich, wobei ich mit einer Geste weibliche Brüste vor meinem eher flachen Oberkörper andeutete. Auch diese Assoziation, erfuhr ich nun, sei ihnen noch nie in den Sinn gekommen, sagten mir die beiden. Von nun aber, so meinten sie übereinstimmend, würde ihnen diese beiden Assoziationen auf ewig anhaften.

Jö, dachte ich mir, jetzt hast du zwei unschuldige Menschenherzen infiziert.

Andererseits...

 

Von Sigmund Freud, den man seinerzeit in Wien als den "Lustlümmel aus der Berggasse" bezeichnete ist der Spruch überliefert: "Manchmal ist eine Zigarre eben nur eine Zigarre."

Ich merke grad, daß Freud meinem zigarrerauchenden Opa sehr ähnlich schaut, meine dazugehörige Oma übrigens dem Hans Moser.

Dem Schweinen, sag ich seit Jahren, ist alles Schwein. Vor wenigen Monaten erfuhr ich dann, daß der Spruch von Friedrich Nietzsche stammt: "Dem Reinen ist Alles rein - so spricht das Volk [1]. Ich aber sage euch: deN Schweinen wird Alles Schwein!" ("Also sprach Zara Thustra", Bd. 3. Chemnitz, 1884.)

Und schon - schawupp! - war ich als Guttenberg entlarvt, wiewohl ich unschuldig bin.



[1]   Bis hier sind wir noch in der Bibel, im Paulsbrief an Titus, Titus 1:15.

Es war die Lerche - Die Bürokratie als Schmeichlerin

Bei Gelegenheit einer kleinen Plauderei über die Tragik der unerfüllten Sehnsucht und der größeren Tragik der erfüllten kam ich auch auf Ephraim Kishons Stück "Es war die Lerche" zu sprechen. Die Handlung geht so: Julia und Romeo haben damals ihren tragischen Doppelselbstmord überlebt, Shakespeare hat ein bisserl geschummelt und das peinliche Happy-End zugeschmiert. Julia hat nach ihrem Fake-Suizid eine Minute zu früh die Augen geöffnet, noch ehe Romeo am offenen Grab Juliens Gift nehmen und sie sich seinen Dolch in den Leib stoßen konnte. 30 Jahre nach dem von Shakespeare vertuschten Happy-End beginnt Kishons Stück.

Ich hatte das Stück mal vor Jahrzehnten im ORF gesehen und bekam jetzt Appetit drauf, es nochmal anzuschauen. Ich hab es mir im Internet bestellt, wurde aber bei der Bestellung drauf hingewiesen, daß das Stück, bzw. diese Inszenierung niemals eine Jugendschutzeinstufung bekommen hätte. Ich bekäme die DVD nur persönlich ausgehändigt, gegen Vorlage meines Personalausweises. Als der Paketbote klingelte war ich gerade auf der Treppe, den Müll runterzutragen. Ich griff nach dem Packerl mit der launigen Bemerkung, ich müßte mich doch bestimmt nicht ausweisen, so wie ich aussähe. Doch, das müßte ich. Ich also zurück in die Wohnung, den Personalausweis geholt. Der arme Packerlbote mußte meine Ausweisnummer notieren und alle die sonstigen Daten. Anderenfalls hätte mir der Staat nicht geglaubt, daß ich nicht mehr minderjährig bin. Der Staat ist ein arger Schmeichler.

Sonntag, 15. Oktober 2023

Adblockers Tücken

Du schreibst was, nicht viel und schon gar nichts Besonderes und speicherst dann das Geschriebene. Womöglich hast du gar nichts geschrieben, sondern lediglich etwas im Netz gesucht. Und plötzlich macht's Plopp und es poppt ein Pop-Up vor dir auf. Man gratuliert dir, daß du mit einer von dir installierten Software bereits 10.000 Anzeigen blockiert hast. Und dann bietet man dir ein noch besseres Adblock-Programm an, mit dem du noch viel mehr Anzeigen als die, die du gerade siehst, blockieren kannst.

Ein guter Werbeblocker müßte sich doch selber blockieren können! Oder versteh ich mal wieder irgendwas von Grund auf nicht?

Von der Tragik der unerfüllten Sehnsucht

Und von der größeren Tragik der erfüllten

Wie die Deutschen so haben es auch die Italiener fertiggebracht, die üblichen fremdenfeindlichen, ja rassistischen Denk- und Verhaltensmuster auf ihre eigenen Landsleute anzuwenden. Die Norditaliener nennen sich gerne "nordici", ein Begriff, der normalerweise auf Skandinavier angewandt wird. Die Süditaliener nennen sie dementsprechend "sudici", was ein (gewollt) böses Wortspiel ist. Das Wort "sudicio", Mehrzahl "sudici" heißt nämlich auch "Dreck, schmierig, schmutzig, schmuddelig, unflätig, verschmutzt, dreckig".

In einem zivilisierten Land wäre ein Mann wie Umberto Bossi, Chef der separatistischen Lega Nord, wegen Hochverrats steckbrieflich gesucht und bei Ergreifung nach fünfminütigem Verfahren standrechtlich erschossen worden. In Italien saß er schließlich in der Regierung.

In Deutschland verläuft die Grenze der Diskriminierung nicht mehr zwischen Nord und Süd [1] sondern zwischen West und Ost. Früher, als uns im Westen die Mauer noch zuverlässig vor all den Sachsen, Thüringern und Mecklenburgern schützte, hat man an Weihnachten Kerzen in die Fenster gestellt, um damit der geknechteten Brüder und Schwestern in der Zone zu gedenken. In der beruhigenden Gewißheit, daß dies nie geschehen werde, hat man gerufen "Macht das Tor auf!". Und dann, wie's der Deibel haben will, war das Tor plötzlich offen und all die faulen, ewig meckernden Ostdeutschen waren plötzlich mitten unter uns.

"Im Leben gibt es zwei Tragödien: die eine ist die Nichterfüllung eines Herzenswunsches, die andere seine Erfüllung." (George Bernard Shaw)

Ephraim Kishon hat in den Siebzigern das Theaterstück "Es war die Lerche" geschrieben. Es spielt in Verona, 30 Jahre nach dem ganzen Geschiß um Romeo und Julia. Die beiden haben überlebt, sind jetzt ein älteres Ehepaar, das sich mit all den so gar nicht heroischen Mißlichkeiten des Ehe-Alltags herumzuschlagen hat. Dazu kommt eine pubertierende Tochter...

Wie angenehm und heiter flauschig ist dagegen Shakespeares Tragödie. Shakespeares Geschichte läuft ja zielgerichtet auf's Happy-End zu und es brauchte eine komplizierte Abfolge aberwitziger Zufälle, die sich Shakespeare hat ausdenken müssen, damit sein Happy-End doch noch in einer marktkonformen Tragödie enden konnte. Zweieinhalb Jahrhunderte später hat Richard Wagner das Kunststück wiederholt.

Dante Alighieri hat auf einer Brücke ein wunderhübsches Mädchen gesehen, ein einziges Mal in seinem Leben. Er nannte sie bei sich Beatrice und hat ihr ein Leben lang hinterhergeseufzt, ihr, der ewig jungen Schönen. Hätte er sie gefunden, wäre sie sein geworden - es wäre vielleicht eine Menschliche Komödie über das Leben, wie es wirklich ist,  geworden. So manches Gedicht wäre nie geschrieben worden, aber mei, es gibt so viele andere, man kann sie eh nicht alle lesen.

Tragisch, wirklich tragisch wird die Geschichte, wenn wir uns klarmachen, wie schnell und leicht junge Menschen ihr Leben wegwerfen. Irgendeine blöde Kuh, irgendein Scheißtyp erhört ihn/sie nicht und er/sie bringt sich um, des Liebeskummers voll. Und dann hast du alte Leute, geplagt von den schmerzlichen Erinnerungen eines langen Lebens, gepeinigt von den Mißlichkeiten des Alters und manchmal auch von entsetzlichen Beschwerden. Und sie freuen sich über jeden einzelnen Tag, den sie noch atmen, den sie noch leben können. Ist es nicht verrückt? Sollte es in einer leidlich vernünftigen Welt nicht umgekehrt sein?

___ 

Bei Gelegenheit der vergeblichen Suche nach einem Video von "Es war die Lerche" ist mir dies noch zum Thema Alter und Liebe untergekommen, das ich nicht unterschlagen möchte, weil es gar so schön ist:



[1]   Diese Grenze gab's in Deutschland schon auch mal, wenn auch deutlich milder.

Donnerstag, 12. Oktober 2023

Der Todesschrei der Rose

Es geschah in den sechziger Jahren, noch war Science-Fiction in Deutschland weitgehend unbekannt. Okay, es gab die mir leicht dubios erschienenen Hans-Dominik-Romane in Hardcover, Jules Verne gab's bei Fischer als Taschenbuch, die US-amerikanischen Klassiker aber kannte kein Schwanz, nicht mal Asimov, Heinlein etc. pp. waren damals in Deutschland bekannt. "In Deutschland auf dem Buchmarkt bekannt..." müßte man eigentlich schreiben, denn Heinlein, Asimov etc. pp. wurden damals als Heftromane (vulgo: Schundromane) für 70 Pfennige, später 80 Fennje verkauft. Die bekanntesten Reihen waren "Utopia" vom Pabel-Verlag und "Terra" vom Moewig-Verlag (oder war's umgekehrt?). Aus Gründen, die ich hier nicht näher erläutern möchte, war ich damals mehrere Jahre lang auf Schundromane und nur auf Schundromane fixiert und lernte so - aus Versehen, wenn man so will - die Hohe Literatur der USA kennen. Den Begriff "Hohe Literatur" verwende ich hier ausdrücklich nicht ironisch, ein Gutteil der damals als Schundroman vermarkteten Erzählungen sind in die Literaturgeschichte eingegangen.

Worauf ich hinaus will: In einer Science-Fiction-Kurzgeschichte erwarb ein Typ die Fähigkeit, die Sprache der Pflanzen zu verstehen. Anfangs erfreute ihn dies, er sprach mit den Disteln und Dornen und mit dem Kürschbaum auch, dann aber fraß sich das Schmerzensgewimmer jedes einzelnen, hingemähten Grashalms in sein Jehürrn. Als er den Todesschrei gefällter Bäume vernahm ging etwas in ihm entzwei und er verfiel dem Wahnsinn, noch ehe er Vegetarier werden konnte.

Ach.

Kafka ist heitere Schmunzellektüre im Vergleich.

Romananfänge

Der erste Satz des ersten Romans von Thomas Mann ist: "Was ist das." Und so geht's weiter: "-- Was -- ist das ..." - "Je, den Düwel ook, _c'est la question, ma très chère demoiselle_!"

Dieser erste Satz eines gänzlich anderen Schriftstellers ist auch nicht schlecht: "In M..., einer bedeutenden Stadt im oberen Italien, ließ die verwitwete Marquise von O..., eine Dame von vortrefflichem Ruf, und Mutter von mehreren wohlerzogenen Kindern, durch die Zeitungen bekannt machen: daß sie, ohne ihr Wissen, in andre Umstände gekommen sei, daß der Vater zu dem Kinde, das sie gebären würde, sich melden solle; und daß sie, aus Familienrücksichten, entschlossen wäre, ihn zu heiraten."

Mein Lieblingsromananfang ist aber dieser: "Zugegeben: ich bin Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt..."

Max Frisch hat einst einen Roman über einen schwulen Bleistift geschrieben, der so begann: "Wir starteten in La Guardia, New York, mit dreistündiger Verspätung infolge Schneestürmen." Im Folgenden kann "Homo Faber" jedoch die geweckten Erwartungen nicht einlösen. Obwohl die Handlung stellenweise aufregend ist [1] schafft es Frisch, derart verschnarcht zu erzählen, daß ich noch vor der (unwissentlichen, versteht sich) Liebesaffäre Fabers mit seiner leiblichen Tochter eingeschlafen bin.

Aber pfeif drauf. Der beste Romananfang ist eh dieser:

"In wollüstiger Vorfreude leckte sich Shirley über ihre feuchtschimmernden Lippen. 'Ich glaube, wir werden heute abend noch viel Spaß haben miteinander', gurrte sie mit rauchiger Altstimme, während sie langsam, aufreizend langsam den schwarzseidenen BH öffnete und ihre strammen Brüste freilegte. Buzz Kowalsky hatte eine rotglänzende Birne; rot von den vielen Drinks, die er am heutigen Abend schon in sich hineingeschüttet hatte und schweißglänzend vor Aufregung. Er kicherte nervös beim Anblick der halbnackten Frau. Seine alkoholumnebelten Augen gaben ihr Bestes, einen lüsternen Ausdruck auf sein Gesicht zu zaubern. Shirley streifte nun auch den Slip von ihren Hüften und bot ihren schlanken, nahtlos braunen Körper ganz ohne Hüllen den begehrlichen Blicken Kowalskys dar. Mit einem trägen, lasziven Swingen ihres Körpers tänzelte sie auf ihn zu und kniete vor ihm nieder. Lüstern griffen gepflegte Hände mit rotlackierten Nägeln nach Kowalskys Unterhose. Da klopfte es an der Tür des Hotelzimmers. 'Oh, verflucht', stöhnte Kowalsky, der längst an einem Punkt war, wo ihn nichts mehr auf dieser Welt interessierte, nur noch der makellose Körper dieser willigen Frau. 'Kümmere dich nicht drum', flüsterte er Shirley ins Ohr. Der unerwünschte Besucher aber ließ sich nicht abwimmeln. Ein Schlag, ein Splittern und die aus dem Schloß getretene Tür schlug krachend auf. Ein schwarzgekleideter, schwarzmaskierter Mann sprang herein, brachte eine mattschimmernde MP in Anschlag und drückte ab. Eine Salve aus der automatischen Waffe des eiskalten Killers jagte auf Kowalsky zu, Kugeln & Kugeln & Kugeln zerfetzten seinen teigigen Leib und verwandelten ihn in einen blutigen... Mit wohligem Schnauben schob sich ein, mit Unterhose und Leiberl ansatzweise bekleideter Herr den letzten Löffel Rühreier zwischen die Zähne, spülte mit schwarzem, stark gesüßten Kaffee nach und ließ sich satt prustend gegen die Lehne seines Stuhles fallen. Er griff nach der Fernbedienung und schaltete Videorecorder und Fernseher aus."

Daß ich's nicht vergesse: Eine lobende Erwähnung verdient dieser grandiose Romananfang eines geschätzten Kollegen, der mit den ersten - autobiographischen - Sätzen bereits mitten hinein in die Handlung springt.

"Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser."

Und außer Konkurrenz: "Eine Famulatur besteht ja nicht nur aus dem Zuschauen bei komplizierten Darmoperationen, aus Bauchfellaufschneiden, Lungenflügelzuklammern und Fußabsägen, sie besteht wirklich nicht nur aus Totenaugenzudrücken und aus Kinderherausziehen in die Welt. Eine Famulatur ist nicht nur das: abgesägte ganze und halbe Beine und Arme über die Schulter in den Emailkübel werfen. Auch besteht sie nicht aus dem ständig hinter dem Primarius und dem Assistenten und dem Assistenten des Assistenten Dahertrotteln, aus dem Schwanzdasein der Visite. Aus dem Vorspiegeln falscher Tatsachen kann eine Famulatur auch nicht bestehen, nicht aus dem, daß ich sage: “Der Eiter wird sich ganz einfach in ihrem Blut auflösen, und Sie sind wieder gesund.” Und aus hunderterlei anderen Lügen. Nicht nur daraus, dass ich sage: Es wird schon!” – wo nichts mehr wird. Eine Famulatur ist ja nicht nur eine Lehrstelle für Aufschneiden und Zunähen, für Abbinden und Aushalten. Eine Famulatur muß auch mit außerfleischlichen Tatsachen und Möglichkeiten rechnen."

Wessen Sound ist hier zu hören? Und in welchem Roman?



[1]   Der schwule Bleistift findet seinen Freund in dessen Haus in der mittelamerikanischen Einöde tot auf, verwest im fortgeschrittenen Stadium, umsummt von Schmeißfliegen und anderer Aasfauna.

Samstag, 30. September 2023

Haxenkreuze im Alek

Wer im neuen Sitzbezugmuster vom "Alex"-Zug Hakenkreuze findet, darf sie behalten.

Ganz schlechte Nachrichten von der Feminismusfront

hier kann man die Zeichnung als Postkarte kaufen (und wahrscheinlich auch noch andere Bilder von Butschkow und sonst wem.

Freitag, 29. September 2023

Bayer und Dubaier

Dieses noch zum Thema "Oktoberfest und Moslem"

Originalphotos von Stanley Kubrick

2013 ist in der Wochenzeitung "Der Freitag" ein Artikel erschienen mit dem Titel "Stanley Kubrick Anmerkungen zu den Fotografien des Regisseurs, die in Büchern und Ausstellungen um die Welt reisen". "Was für eine Geschichte", heißt es dort, "Im Vorraum zum Gewölbe des unteren Geschosses vom Palazzo Ducale in Genua, wo gerade eine Ausstellung mit Fotografien von Stanley Kubrick in die letzte Runde geht, berichtet eine Frau einer interessiert zuhörenden Gruppe, dass sie seit dem Jahr 2000 unterwegs ist, und zwar überall dorthin, wo es eine Ausstellung, eine Retrospektive oder ein Colloquium zur Bildarbeit von Stanley Kubrick gibt."

Ich wage die sozioökonomische Ferndiagnose, daß besagte Frau "im Vorraum zum Gewölbe des unteren Geschosses vom Palazzo Ducale in Genua" sich keine Gedanken darüber machen muß, wo sie gegen Monatsende die Margarine hernimmt, die sie auf die Discounter-Semmel für 9 Cent schmiert, damit sie nicht verhungert. Richtig?

13 Jahre lang den Erdball bereisen, um Photos von Stanley Kubrick zu sehen... ich mein, es sei ihr ja vergönnt. Ein Leben ohne Photos von Stanley Kubrick zu gucken, ist zwar möglich, aber für manche Leute anscheinend nicht sinnvoll.

Moment mal... grübel. Photos. Es geht hier ja gar nicht um aufwendig zu kopierende Ölgemälde oder gar um Fresken, die an irgendwelchen Kirchen- oder Palazzowänden unverrückbar festgemacht sind.

Es geht um Photos, vielleicht auch um Filme. Photos (und Filme) sind die demokratischsten Kunstwerke der Bildenden Kunst. Sie sind nicht nur ganz einfach - und damit billig - zu kopieren, ihre technische Grundlage ist das Kopieren. Wohlgemerkt, das Kopieren ohne jeglichen Qualitätsverlust. Ich muß also nicht irgendwelche Bildreliquien aus einem Museum auf die Reise zu (zeitlich begrenzten) Ausstellungen nach Sao Paolo, Los Angeles oder Genua schicken, damit der dorthin gereiste Interessierte sich ein Bild von Kubricks Bildern machen kann. Derselbe, exakt derselbe ästhetische und aufklärerische Effekt stellte sich auch dann ein, wenn ich ganze Stapel von Kopien an diverse Klein-  und Kleinstmuseen oder direkt an Privatinteressenten für schmales Geld verschicke.

Dienstag, 26. September 2023

Kolaric

Vor etlichen Jahren schrieb Marius Jung: "Wenn humorlose Sprachpolizisten fordern, Worte wie Neger ganz aus der Sprache zu tilgen und zu verbieten, ist das Fundamentalismus. Und alles, was wir tabuisieren, bearbeiten wir inhaltlich nicht."

In den frühen siebziger Jahren waren jugoslawische Gastarbeiter in Österreich das, was heute und hierzulande Türken sind. Das abwertende Wort für Jugoslawe war (und ist) "Tschusch". Hier ein Dialog von Lukas "Kottan" Resetarits (man beachte den Familiennamen) zwischen Branko und Kimmeltirk.

1973 hing überall in Österreich ein Plakat der "Aktion Mitmensch", welches das Problem präzise auf den Punkt brachte.

Dazu muß man wissen, daß in Österreich ein Drittel (wahrscheinlich sogar mehr) aller Familiennamen slawischen Ursprungs ist. "A echter Weaner is a Tschech" hat mal einer gesagt.

Da gibt es österreichische Minister-, bzw. Bundespräsidenten wie Bruno Kreisky, Fred Sinowatz, Franz Vranitzky, Viktor Klima, Wilhelm Miklas und Thomas Klestil. Und umgekehrt findest du tschechische, bzw. tschechoslowakische Staats-, bzw. Ministerpräsidenten wie Václav Klaus, Stanislav Gross und Jan Fischer.

Die slawischen Familiennamen finden sich vorzugsweise im Osten und Süden des Landes, in Tirol sind sie nicht so verbreitet.

In der "Tante Jolesch" erzählt Torberg von einem Prager Bankier (mit Innsbrucker Migrationshintergrund) namens Tschurtschenthaler, der seinen Familiennamen in Taussig ändern ließ (ein Name, der vor allem unter deutschsprachigen Juden sehr verbreitet war), weil man, so argumentierte er, in Prag niemals einem Mann mit Namen Tschurtschenthaler sonderliche Fähigkeiten im Bankfach zutrauen würde.

Weil ich grad bei Torberg, der Tante Jolesch und Namensproblemen bin:

"Um eine konkrete Namens-Angelegenheit ging es im Fall des ehrgeizigen Bankbeamten Nelkenblum, der seinen Namen geändert haben wollte – wie das in jenen Jahren von den Inhabern ausgefallener oder komisch klingender und obendrein deklariert jüdischer Familiennamen häufig gewünscht wurde (meistens als Vorbereitung zur Taufe).

Herr Nelkenblum reichte also ein Gesuch um Namensänderung ein und wurde von der zuständigen Behörde aufgefordert, eine ausreichende Begründung für seinen Wunsch beizubringen.

Der Name Nelkenblum sei ihm bei seiner Berufskarriere hinderlich, brachte Herr Nelkenblum bei. Das müssten seine Arbeitgeber bestätigen, antwortete die Behörde.

Herr Nelkenblum begab sich zu seinen Arbeitgebern in die Direktion der Prager Kommerzbank, trug ihnen sein Anliegen vor und verließ das Direktionszimmer mit einem Dokument folgenden Wortlauts:

‘Auf Wunsch von Herrn Bernhard Nelkenblum bestätigen wir gerne die Notwendigkeit der von ihm angestrebten Namensänderung, da sich der Name Nelkenblum auf ein berufliches Fortkommen nachteilig auswirken könnte. (Gezeichnet) Feilchenfeld, Generaldirektor, Rosenblatt, Prokurist.’"

Montag, 25. September 2023

Vereinswechsel mit Hindernissen

Früher, als ich noch jung war und Helmut Haller vom Ballspielclub Augsburg zum FC Bologna (1962 - 1968) und später zu Juventus Turin (1968 - 1973) wechselte, gab es ein großes Gejammer in meinem Vaterlande. Man nannte Haller einen Mutterlands- oder Sonstwie-Verräter. Das Volk schäumte, der DFB  nicht minder, aber der Vereinswechsel als solcher ging relativ zügig über die Bühne.

40 Jahre später ging das nicht mehr so einfach, die Zeiten hatten sich geändert. Als wir damals nach Italien zogen, wollte mein Sohn, damals 11 Jahre alt, beim Verein Polisportiva Santa Maria mitspielen. Ja, das ginge schon, wurde uns beschieden, das ginge schon, aber dazu müßten wir eine Bescheinigung des TB Regenstauf vorlegen, daß er dort ausgetreten sei. (Mein Sohn hatte den Fragebogen dummerweise wahrheitsgemäß ausgefüllt. Die Wahrheit macht das Leben oft unnötigerweise ärgerlich. Und vor der Übersiedlung nach Italien hatten wir, was man uns nachsehen möge, andere Sachen im Kopf als die Austrittsbescheinigung des TB Regenstauf.)

Irgendwann kam die geforderte Bestätigung aus der Oberpfalz, die nun natürlich ins Italienische übersetzt und beglaubigt werden mußte. Die übersetzte und beglaubigte Bestätigung ging zum regionalen Fußballverband in Neapel, wo sie erst mal liegenblieb. Ci vuole pazienza (frei übersetzt: Nur net hudln) ist ein oft gehörter Satz in Kampanien. Irgendwann rief ich an und fragte nach, was denn los sei (damals war ich noch nicht so erfahren im Umgang mit den... äh, Eigentümlichkeiten des mezzogiorno). Oh, erhielt ich als Antwort, die in Neapel abgestempelte Bestätigung müßte nun noch nach Rom weitergeleitet werden, was offensichtlich bislang - unerachtet der vielen, vielen seither verstrichenen Wochen - noch nicht passiert war. Irgendwann, wir hatten schon kaum mehr damit gerechnet, kam dann der Brief aus Rom, daß mein Sohn jetzt in der Kindermannschaft ganz offiziell mitspielen dürfe.

Cristiano Ronaldo, nur vier Jahre älter als mein Jüngster, wär das - damals, also seinerzeit - wahrscheinlich genau so passiert.

Loyalität und Verrat

Im Zuge einer Internet-Diskussion

...ein Fähnrich hatte die Schnauze voll von den Gängeleien von dem Arsch aus Berlin, der fast nie an der Front saß und immer nur das Maul aufriß. Im "Kampf" verpasste er ihm aus 25 Metern einen Steckschuß in die linke Schläfe, der Mord flog nie auf, die Obduktionsbehörde war in dieser Zeit in Stalingrad weithin überfordert...

"Hmnja", schrieb ich dem Kommentator, "da machst du ein Riesenfaß auf: Loyalität und Verrat.

Als ich so etwa 12, 13 Jahre alt war, ermahnte mich meine Mutter eindringlich, ich sollte in meiner Blosn (auf Intellellendeutsch: peer group)  nicht alles mitmachen, was die machten. Sollte die Blosn die Grenzen des Anstands oder gar der Strafgesetze überschreiten, dann sollte ich nicht mitmachen, gegebenenfalls sogar die Blosn verraten. Nicht, daß diese Ermahnung nötig gewesen wäre, der Unfug, den meine Blosn gemacht hat, hielt sich sowieso im Rahmen des Altersüblichen. Hundskrüppeln (Hunzgrippe sagten wir im Dialekt) waren wir halt, manchmal.

Für meine spätere Entwicklung habe ich aus den Worten meiner Mutter den Schluß gezogen, daß ich meine Loyalität nicht bedingungslos verschenke. An Personen gegebenenfalls schon, an Institutionen, geschweige gar an's Vaterland niemals.

Früher, als die Wehrpflicht noch deine jungen Jahre verdüsterte... Ich rede von deiner Jugend,  denn meine Jugend verdüsterte die Wehrpflicht nicht. Bei der Musterung war ich als untauglich eingestuft worden, in meinem Wehrpaß steht Ersatzreserve II, ich weiß bis heute nicht warum. Zwei Jahre vor der Musterung bin ich noch mit meinen kurzen Beinchen die 100 m in 11,8 sec gelaufen. Wenn du als tauglich eingestuft worden bist, hat man dich eingezogen, wenn das Los auf dich gefallen ist und du nicht vor der Einberufung verweigert hast. Bist du dem Einberufungsbefehl nicht nachgekommen, hat man dich eingesperrt. Und irgendwann mußtest du den Treue-Eid auf die Bundesrepublik Deutschland leisten: Dem Vaterland treu dienen, tapfer kämpfen und so Zeug. Hast du dich geweigert, den Eid zu leisten, hat man dich auch eingesperrt. Wie wäre es, so grübelte ich damals, wenn ich den Eid unter Zwang zwar leistete, vorher aber zu Protokoll gäbe, den Eid nur unter Androhung von Gewalt zu leisten. Ich spräche zwar die Eidesformel, es müsse aber jedem klar sein, daß ich mich an diesen Eid nicht gebunden fühle. Den Eid leisten und ihn gleichzeitig verweigern. Nehmen Sie Ihren Klausurenblock heraus, machen Sie Ihre Handys aus, sie haben drei Stunden Zeit, die Frage zu beantworten und die Antwort zu begründen.

Explosive Tischdecke

Seit den ganz frühen Jahren stehe ich in dem Ruf, ein Traumichnicht, ein ängstlicher Mensch zu sein. Aber, sagt selbst: Muß in einer Plastiktischdecke für draußen wirklich TNT enthalten sein und dann gleich 10 %. Ich mein, das wäre ja fast so als würde man Nitroglycerin in der Apotheke verkaufen.

Von den Letzten Worten

Als ich noch der Waldbauernbub war, wollte ich eine zeitlang den Moment des Einschlafens bewußt erleben. Ich hab's damals fast geschafft, bin aber jedes Mal Sekundenbruchteile vor dem Einschlafen  eingeschlafen.

​Der Tod sei - so sagt ein altes Scherzwort - der Bruder des Schlafes, in der griechischen Mythologie ist Hypnos der Gott des Schlafes; sein Bruder ist Thanatos, der Gott des Todes. Derzeit grübele ich über die für mich passenden Letzte Worte nach, also so was wie das bekannte "Mehr Licht!" von Altmeister Goethe. Führende Goethologen meinen allerdings, der Meister habe "Mer licht hier so unbequem" gesagt, sei aber wegen des sterbensbedingten Nuschelns von den Weimaranern - des hessischen Dialektes unkundig - mißverstanden worden.

In den dunklen Momenten rabenschwärzester Depression denke ich mir ohnehin, es werde die Wahl meiner Letzten Worte so was von wurscht sein. Denn siehe, im Augenblick meines Hinscheidens, wenn das Leben sekundenkurz an mir vorüberrollt, ehe es verlischt wird höchstwahrscheinlich eh kein Schwanz da sein, meine Letzten Worte zu protokollieren.

Eine Frau - wer sonst? - schrieb mir mal "Mal ehrlich, was nützen dir die schönsten eigenen letzten Worte, wenn du nachher tot bist?"

Anschließendes Totsein ist natürlich der Nachteil bei der Geschichte mit den Letzten Worten, obwohl es Leute gibt, die behaupten, es werde Zeiten geben, in denen die Lebenden die Toten beneiden würden. Wie auch immer: Wenn ich Letzte Worte flüsterte und dann nicht stürbe, würde ich disqualifiziert und man würde noch eine Ewigkeit lang über mich spotten "Kein Gespür für's Timing, der Mann".

Von Machiavelli ist folgende - höchstwahrscheinlich erfundene - Anekdote überliefert: Auf dem Sterbebett nimmt ihm der Priester die Beichte ab und meint dann, er solle jetzt den Teufel und all seine Werke verfluchen. Machiavelli soll angeblich den Kopf geschüttelt und gesagt haben: "Dies ist nicht der Moment, sich Feinde zu machen."

Im übrigen merke ich an: Letzte Worte werden nur dann von dir überliefert oder dich betreffend erfunden, wenn du ein Mindestmaß an Bekanntheit erreicht hast, Prominentsein ist für uns Menschen der einzige Weg, unsterblich zu werden. Prominent kannst du werden, wenn du dir den Nobelpreis für Physik ergeierst, sicherer ist es hingegen, wenn du dir vor laufender Kamera irgendwelche Schwänze in Möse oder Mund stecken läßt.

Sexuell erregend

 "Ob der Körper einer Frau sexuell erregend ist, kann man(n) in Sekundenbruchteilen sagen..." schrieb einst einer der vielen Großdenker auf "Fisch und Fleisch".

"Sexuell erregend" ist relativ. Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre las ich in der Süddeutschen Zeitung, man habe einen Gehilfen der Anatomie der Ludwig-Maximilians-Universität München verhaftet, weil sich dieser in der Silvesternacht und anläßlich der gleichnamigen Trunkenheit an der Leiche (!) einer 83(!)jährigen Frau vergangen hat. Das heißt, so alt und so tot  kannst du als Frau gar nicht sein, daß du vor männlicher Nachstellung sicher wärst.

Häßlich, ich bin so häßlich, so gräßlich häßlich, ich bin der Haß!

Ham Sie des gwußt, daß Friedrich Merz, der heutige Vorsitzende der CDU, in jungen Jahren sein Geld als Jodelkönig verdienen mußte?

Die Wenigsten wissen des. Jetzt wissen's ein paar mehr.

Erwin Pelzig - Der wunde Punkt

Mit den Jahren wird er immer besser, vor ein paar Tagen hatte er ein Anderthalbstunden-Programm im ZDF.

Anschauen, unbedingt!

Sonntag, 17. September 2023

Caffè a Napoli

Als ich noch in Italien lebte, gut 100 km hinter Neapel, habe ich für einen Espresso 800 bis 900 Lire bezahlt, das waren seinerzeit so ca. 80/90 Fennje. In Deutschland habe ich zu dieser Zeit - in den Neunzigern - bereits deutlich über eine Mark bezahlt. Heute zahlst du in Deutschland fast 2 Euro für das Getränk.

Im August war ich in Italien, auf dem Flughafen (!) Neapel - also dort, wo alles extra viel kostet - haben sie mir 1,30 Euro für einen Espresso abgeknöpft.

Da trifft es sich, daß ich vor wenigen Monaten in einem Podcast gehört habe, Italiener seien oftmals sehr stolz darauf, daß der Espresso bei ihnen so preisgünstig sei. Ein italienischer Journalist - so wurde hinzugefügt - habe allerdings gemeint, die Preisgünstigkeit italienischen Caffès liege daran, daß italienischer Kaffee im Regelfall von gottserbärmlich schlechter Qualität sei. Das ist frech, das ist diskriminierend, klar; aber es stimmt natürlich. Espresso ist wahnsinnig stark, hundsgemein im Geschmack und alles in allem ordinär, das erwarte ich. So muß ein Espresso sein, das pure Gift.