Sonntag, 22. Oktober 2023

Waldemar und die Erfindung des analogen Selfies

Zu einer Zeit, da das Wünschen schon auch nicht mehr geholfen hat und es Deutschland noch im Doppelpack gab lebte in West-Deutschland ein Frührentner. Ein Frührentner hat - logischerweise - viel Zeit und manchmal auch ein bisserl Geld. Der Frührentner Waldemar Brummel, von dem hier die Rede sein soll, vertrieb sich die zu viele Zeit mit dem Lauern auf Leute mit einer gewissen Prominenz.
 
Acht Stunden hat er einmal - so hat er es erzählt - auf Robert Plant von Led Zeppelin [1] gewartet, sechs auf Mick Jagger. Wenn der Prominente dann erschien trat Waldemar Brummel auf ihn zu und fragte höflich: "Hätten Sie etwas dagegen, mit mir photographiert zu werden?". In den allermeisten Fällen hatte der Prominente nichts dagegen, er kann kaum was dagegen haben, denn das Prominentsein des Prominenten beruht meist darauf, daß der Prominente so oft wie möglich photographiert oder gefilmt wird. Der Prominente lebt von den Medien wie der Vampir vom Blut.

Ca. 1400 Bilder hat Herr Brummel aus Köln auf diese Weise gesammelt, Otto Waal­kes, Christine Kaufmann, Gerd Fröbe, Richard von Weizsäcker, Waldemar und Luis Trenker. Und immer und immer wieder Waldemar. "Dieses Buch dreht die Wirklichkeit um", schrieb Axel Hacke 1987 in der Süddeutschen Zeitung in einer Buchkritik, der ich die meisten Fakten hier verdanke.

"Im Leben ist der Star immer die Hauptperson und die Waldemars drängeln sich um ihn. Für den Moment des Bildes stehen sie gleichberechtigt nebeneinander, das Buch aber versammelt sie zu einer Prominentenmasse, zu einem Haufen von Leuten, neben denen es nur eine wichtige Person gibt - Waldemar mit dem immer gleichen routinierten, satt-zufriedenen Lächeln. Waldemar, der so berühmt ist, daß es sich kein Mensch von Rang und Namen erlauben könnte, von ihm nicht erlegt worden zu sein. Pro­minent ist, wer mit Waldemar aufs Bild durfte."

Wer sich ein bisserl in der Welt und den Medien auskennt, seufzt jetzt: Poldi Waraschitz, der Schnorrerkönig. In der Tat.

Waldemar und...Arm in Arm mit den Größen un­serer Zeit. Edition Braun, Heidelberg. 120 Seiten, 100 farbige Abbildungen, 14,80 Mark. (Autoren: Waldemar Brummel/Uwe Zündorf)

Das Buch scheint derzeit vergriffen zu sein, antiquarisch könnte man vielleicht Glück haben.



[1]   So ein Glück, daß ich auf meine Alten Tage noch von seiner Existenz erfahren habe.

1 Kommentar:

  1. Ich durfte Waldemar während meiner Zivildienstzeit im Carl-Sonnenschein-Haus in Köln-Nippes persönlich kennenlernen. Er war auch oft mit dem Fotografen Zik unterwegs. Tolle Typen!

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