20.3.16

Wie ich einmal mehr verdient habe als 1 Frau

Ich habe mal eine zeitlang (1980, um genau zu sein) für das Bildungswerk der DAG (Deutsche Angestellten Gewerkschaft) gearbeitet. (Die DAG, die damals nicht zum DGB gehörte, gibt es nicht mehr, sie ist in der Gewerkschaft ver.di aufgegangen.)
Im Arbeitsvertrag stand, ich sei gegenüber anderen Mitarbeitern zur Verschwiegenheit verpflichtet, was mein Gehalt betreffe. Beim Lesen dieses Passus war mein erster Gedanke: Wie ist das eigentlich, wenn ich einem Betriebsfremdem (dem gegenüber ich natürlich keine Schweigepflicht habe) mein Gehalt offenbare, mein Kollege auch und der Betriebsfremde (der sowieso keine Schweigepflicht hat) uns dann erzählt, wieviel der jeweils andere verdient.
Ich erzählte meinem Vorgesetzten davon und er schluckte. Er hatte dieses scheunentorgroße Loch in der Bestimmung bislang anscheinend nicht bemerkt.
Wir haben dann tatsächlich festgestellt, daß meine Kollegin vierhundert DM weniger verdiente als ich. (Zum Vergleich: Ich bekam 3000,- DM, was auch damals nicht viel war.) Dabei hatte sie die exakt gleiche Qualifikation, leicht bestimmbar in unserem Falle: Sie war Dipl.-Pädagogin, ich Dipl.-Psychologe und beide kamen wir direkt von der Uni, hatten also keinerlei Berufserfahrung. Ich schrieb daraufhin einen Brief und forderte von der Geschäftsleitung, das Gehalt meiner Kollegin auf mein Niveau anzuheben. Es gab ziemlichen Wirbel, der Oberste Chef wollte mich gleich feuern, der Untere Chef bog das ab (sie hatten Schwierigkeiten gehabt, die Stelle überhaupt zu besetzen), aber der auf ein Jahr befristete Arbeitsvertrag wurde nicht verlängert.
Ich sollte hinzufügen, daß wir beide damals nicht um die Höhe des Gehalts gefeilscht haben, wir waren froh, nach dem Studium überhaupt erst mal eine Stelle (Gott, was heißt Stelle, es war ein auf ein Jahr befristeter Arbeitsvertrag) zu haben. Ihr wurde von vorneherein weniger angeboten als mir.
Im übrigen: Im Jahr darauf habe ich auf genau demselben Gebiet für das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft gearbeitet. Die Bezahlung dort war auch nicht besser, aber das Betriebsklima von Seiten der Vorgesetzten war wesentlich angenehmer und entspannter als bei der Gewerkschaft.

Schoppenhauer und die Kunst

Alfred Pringsheim (nur hochgebildete Menschen, wie zum Beispiel ich, wissen heute noch von ihm) besuchte 1876 die ersten Wagner-Festspiele auf dem Grünen Hügel von Beirut [1]. Abends beim Bier [2] stritt er sich mit einem anderen Kunstkenner so leidenschaftlich über die Kunst, daß er dem anderen Kunstfreund schließlich ein Seidla Bier über den Kopf zog. Niemand hat je behauptet, daß Kunst einfach wäre.
Seither jedenfalls trug Alfred Pringsheim den Beinamen "Schoppenhauer".
Mit der ihm später angetrauten Gertrude Hedwig Anna Dohm, einer Tochter der Berliner Frauenrechtlerin Hedwig Dohm, zeugte er [3] die Zwillinge Klaus und Katharina, genannt Katia. Als Katia so umra 10 Jahre alt war, wurde sie photographiert und das Photo als Postkarte verkauft. Ein junger Mann, dem es gefiel, sich Thomas Mann zu nennen, verliebte sich in das schöne Kind, und - wahrlich - er seufzte. Als er nach etlichen Jahren aufgehört hatte, zu seufzen, wurde er wieder - ansatzweise - vernünftig und er nahm eine Frau zur Frau, um das ehdem angeseufzte Kind weitgehend zu vergessen. Jetzt erst, da er verheiratet und also gebunden war, erfuhr er, daß besagtes Kind Katia hieß, eine geborene Pringsheim war und jetzt eine verheiratete Katia Mann.
So einen Scheisendreck-Kitsch traut sich keiner auszudenken. Das Leben aber, merket auf, ist eine Schlampn.


[1]   Menschen, die auch nicht dumm sind, machten mich drauf aufmerksam, daß es nicht "Beirut" heißen müßte, sondern "Bayreuth".
[2]   Bier war dort und damals sehr schwer zu bekommen: wahnsinnig viele Besucher <-> unglaublich kleine Stadt
[3]   Wenn diese ständige Fickerei nicht wäre, gäbe es viel weniger Leid auf Erden, wiewohl ein gewisser Freud das Gegenteil behauptet.