Sonntag, 22. Mai 2022

Niese Nase Nöffelstiel...

...brave Kinder niesen viel

Der in Stuttgart-Cannstatt gebürtige Schriftsteller Dr. Hans Bayer veröffentlichte seine lustigen, häufig mundartlichen Arbeiten unter dem Namen Thaddäus Troll. Mir sträuben sich bei so einem Gedanken sämtliche Nackenhaare, denn ein Autor lustiger Bücher sollte sich nie, nie, nie einen lustigen Namen als Pseudonym zulegen. Das ist einfach zu viel, das ist humoristischer Overkill. Wilhelm Schüttelspeer zum Beispiel, wer lacht da heute noch, wenn er den Namen dieses Schnulzendichters hört? Oder Gottfried Gscheidle, der die launigen unter seinen Gedichten unter dem Namen Hölderlin veröffentlichte. Affig!, das.

Aber gut, was reg ich mich auf.

Wovon ich erzählen wollte ist: Dieser Thaddäus Troll hatte 1974 ein Aufklärungsbuch für Kinder von Peter Mayle aus dem Englischen übersetzt und bearbeitet und zeitgleich auf Schwäbisch und Hochdeutsch veröffentlicht (geschäftstüchtig war er schon, Respekt). Die Sache mit den Blumen und den Bienen ist relativ einfach erzählt, aber wie erkläre ich einer Siebenjährigen was ein Orgasmus ist? Thaddäus Troll (eventuell vorher schon Peter Mayle) hatte eine wunderbare Idee. Orgasmus müsse sich das Kind, so schrieb er, ungefähr vorstellen wie heftiges, ungebremstes Niesen, nur viel, viel schöner. Diese Botschaft kommt rüber.

Kann ich Ihnen helfen?

In Läden kann es dir passieren, daß der Verkäuferin auf dich zukommt und dich frägt: "Kann ich Ihnen irgendwie helfen?" oder "Womit kann ich Ihnen helfen?" Manchmal lasse ich dann meinen gramgebeugten Nacken noch weiter zusammensacken und ich antworte abwinkend, resignativ: "Mir kann keiner mehr helfen." Das ist dann jedes Mal ein Lachen und Jauchzen.

Samstag, 21. Mai 2022

Vorgetäuschte Orgasmen und andere Seltsamkeiten

Die zu Recht weitgehend unbekannte Wochenzeitung "der Freitag" veröffentlichte zuzeiten mal ein Interview mit mehreren jungen Leuten über deren Sexualleben. Der Artikel hat die ausgesprochen arrogante Überschrift "Wir kommen anders". - Daß aber auch jede Generation meint, sie habe das Rad, oder meinetwegen auch den Sex, neu erfunden.

Ganz am Anfang wird ein Aufklärungsbuch empfohlen:

Gerade ist wieder eines erschienen: Make Love (Verlag Rogner & Bernhard, 22,95 Euro)

Das Aufklärungsbuch, respektive sein Titel macht deutlich, wie verschwiemelt das Verhältnis zumindest der jüngeren Leute zum 6 anscheinend immer noch ist. Das Buch ist, nota bene, keine Übersetzung aus dem Englischen, sondern ein deutscher Originaltext, jedenfalls schließe ich das aus den Namen der beiden Autorinnen Ann-Marlene Henning und Tina Bremer-Olszewski.

Und der Titel ist nicht "Mach Liebe", "Liebe machen", "Gamsen", "Schnackseln", "Vögeln", "Bumsen" oder "Ficken", sondern "Make Love". Du meine Güte, kaum geht's um 6, schon sträuben sich die Federn und die Autoren (oder der Lektor oder der Verlag oder alle zusammen) flüchten sich ins keusche Englisch, so wie man sich zu Willems Zeiten in's keusche Latein flüchtete [1]. Wer führt nicht alles nonchalant den motherfucker im Mund, während er beim Mutterficker entsetzt zusammenzucken würde.

Beim Abtippen trieb es dem Redakteur über so viel Offenheit zunächst die Schamesröte ins Gesicht...

Ach, wie rührend. Der Redakteur tippt das Band ab, nicht die "jüngste Mitarbeiterin".

...am Ende aber war er auffallend beschwingt und zuversichtlich, dass hier eine Generation heranwächst, die genauso unsicher, genauso sehnsüchtig, genauso neugierig ist wie alle vorherigen auch.

Alles andere wäre auch höchst erstaunlich gewesen.

Und dann geht's um's Erste Mal.

Juri: Bei mir war es ein unfassbar unromantischer One-Night-Stand. Ich war in einem Club, wir haben getanzt und uns geküsst und sind irgendwann zu ihr. Ich weiß nicht einmal mehr, wie sie hieß oder wie es war.

Juri war zum Zeitpunkt des Interviews 19 Jahre alt und möchte mal später eine Familie gründen, wie er sagt. Wenn der jetzt schon so an präseniler Demenz leidet, dann mag ich ihn mir gar nicht mit 50 vorstellen. "Wie?" wird er entsetzt rufen, wenn ihn seine Frau an die ehelichen Pflichten (das Abspülen und Rasenmähen) erinnert, "Ich bin verheiratet? Wie konnte das nur passieren?" Und dann wird er rätseln, wie seine Frau heißt und ob er ein oder zwei Kinder hat. (Der Kinder wegen hoffe ich, er werde kinderlos bleiben.)

Robert: Wenn man sich nicht kennt, dann mit Kondomen.

Wenn man sich kennt, braucht man kein Kondom? Weil dann die AIDS-Viren so freundlich sind, nicht zum anderen rüberzuschwimmen? O sancta simplicitas! Ob ich ein Kondom brauche oder nicht hängt von der Art der Beziehung ab: Bin ich treu und kann ich dem Partner vertrauen, daß er treu ist?

Charlotte: Ich glaube, in der Vorstellung meines Vaters bin ich vier Jahre alt, habe ein rosa Kleidchen an und eine Schultüte in der Hand – der würde es nie verstehen, dass ich inzwischen Sex habe.

Kinderchen, es wird euch schockieren, aber ich bin jetzt mal ganz offen mit euch: Eure Eltern hatten auch schon mal Sex (ich vermute fast, sie haben ihn immer noch). Die fallen nicht ohnmächtig vom Stuhl, wenn sie hören, eine 19jährige hätte schon mal geschnackselt.

Maike: ...aber was haben denn Pornos mit Aufklärung zu tun? Die sind doch total realitätsfern!

Juri: Ja, klar, ich weiß. Aber trotzdem ist man doch dadurch viel früher mit Erotik in Berührung gekommen und hat sich dann rasch informiert, oder?

Oder. In den ganz alten Zeiten, als der Uropa noch einen Bauernhof hatte, haben die Kinder den Hahn beim Besteigen der Henne beobachtet. In den alten Zeiten, als der Papa schon in die Stadt gezogen war, haben die Kinder bemerkt, daß der Hund zweimal im Jahr wepsig wurde und - so sich Gelegenheit bot - die Hündin bestieg.

Der HABICHT fraß die WANDERRATTE,

nachdem er sie geschändet hatte.

Abgesehen davon meldet sich die Erotik, vulgo: Geilheit, ganz von selber. Wenn's den Porno zum Schnackseln bräuchte, dann gäbe es uns Menschen schon lange nicht mehr.

Juri: Was ich im Porno immer absurd finde: dass der Mann, kurz bevor er kommt, den Sex abbricht und sich über die Frau kniet, um ihr ins Gesicht zu spritzen. Darauf wäre ich nie gekommen.

Im echten & wahren Leben hat das etwas damit zu tun, daß Sex eine schmutzige, glitschige und schleimige Sache ist - oder doch zumindest sein sollte. Touch-a, touch-a, touch me, I wanna be dirty

Im Porno ist es des öfteren eine Sache der Qualitätssicherung. Der Kunde soll sich mit eigenen Augen davon überzeugen, daß der... äh, Künstler nicht simuliert, sondern wirklich und tatsächlich abspritzt. Ich mein, im Theater ist es ja auch selbstverständlicher Standard, daß Hamlet den Polonius wirklich absticht.

Maike: So geht es mir auch. Habt ihr eigentlich einen Trick, damit ihr nicht zu früh kommt?

Robert: Naja, ich stelle mir dann Frauen vor, die mir nicht gefallen. Oder ich denke an ein mathematisches Problem. Ich will ja nach dem Sommer mein Informatikstudium beginnen und da gibt es genügend Fragestellungen, die einen ziemlichen ablenken können.

Hl. Muttergottes von Tschenstochau! Dem Inschenjör ist doch wirklich nix zu schwör.

Charlotte: Die besten Orgasmen meines Lebens habe ich vorgetäuscht!

Das ist ein Satz, den sollte man sich ins Kissen häkeln.

Charlotte: Also ... äh ... ich muß gestehen, ich habe wahnsinnig selten einen Orgasmus.

Und dafür all die Mühe? 

Janina: Und wie ist es, wenn ihr keinen hochkriegt?

Juri: Das ist mir mal passiert, als ich sehr viel getrunken hatte. Am nächsten Morgen war mir das wahnsinnig peinlich

Wenn du einen erigierten Schwanz brauchst, um eine Frau zu befriedigen, bist du ohnehin die allerärmste Sau. Hast du nicht Zunge, Finger, Arme, Beine, Zehen?

Leute, die Lüneburger Fickverordnung von 1387 ist nicht mehr rechtsverbindlich in der Bundesrepublik Deutschland.

Du rammst ihn rein,

Du ziehst ihn raus,

Du rammst ihn rein, fallera

Und ziehst ihn raus, fallera

Maike: Im ersten Moment denkst du als Frau: Lag es an mir?

Eine Form von Größenwahn.

Charlotte: Ich bin bei Frauen seltsamerweise viel kritischer. Bei Männern, finde ich, geht alles: Die können superdünn sein oder etwas dicker, sehr behaart oder kaum.

Die Tante Jolesch hat gesagt: "Was ein Mann schöner is wie ein Aff, is ein Luxus."

 

Abschließende Bemerkung:

Hinzu kommt kapitalistisch anmutender Leistungsdruck. Die Mädels sorgen sich um ihre Kurven, die Männer um ihre Performance.

Sex findet nicht im luftleeren Raum statt. Vor den Sex haben die Götter den Club gesetzt. Im Club will man sich amüsieren, will Spaß haben. Fein. In den alten, längst vergangenen Zeiten hat das Amüsement gedauert, so lange es eben gedauert hat. Wurde man müde (auch für einen jungen Menschen keine Schande am Freitagabend um 2 Uhr nachts), dann ging man eben heim, mit oder ohne Aufriß. Heute pfeift man sich Aufputschdrogen ins Hirn, um das Amüsement bis in den Morgen durchzustehen. "Durchstehen", das klingt nicht nur nach Stalingrad, das ist Stalingrad. Vergnügen ist zum Kampf geworden, so hart und grausam wie das Berufsleben. Man verläßt die Fabrikhalle mit ihrem stampfenden Rhythmus der Maschinen und stapft in den Club, die Disko, um sich dort dem stampfenden Rhythmus von Techno-Music (richtig: Techno) auszusetzen. Pardon wird nicht gegeben, wer nicht mitmacht, ist draußen, das gnadenlose Gesetz des Dschungels. Vergnügen wird zur freudlosen Fortsetzung des freudlosen Alltags. Hektik, Streß, Erotik. Hauptsach, keiner kommt zu sich.



[1]   Coito ergo sum. 

Impf 141 Ritter Orgas muß mal wieder

Den Film "Ritter Orgas muß mal wieder" gibt's wirklich. Wer's nicht glaubt soll googeln. Wie aber spricht der HErr: Selig sind die, die nicht googeln und doch glauben.

Freitag, 20. Mai 2022

Der Arbeiter, das unbekannte Wesen

In einem ansonsten durchaus löblichen Artikel zum Thema Billiglohn hat Verena Schmitt-Roschmann vor etlichen Jahren im FREITAG folgendes geschrieben:
"Es ist ein künstlich geschaffenes Billigproletariat ohne Rechte, das für uns Arbeit erledigt, die uns nichts wert ist."

Diese Aussage ist teils richtig. Was mich an dem Satz aber zusammenzucken läßt, das ist die Wortwahl. Da ist zum einen das Billigproletariat, da sind zum anderen "wir", die wir Leistungen entgegennehmen, die uns nicht viel wert sind. Wo verläuft die Trennlinie zwischen uns und denen? Wer ist eigentlich dieses "wir"? Sind wir die Unternehmer, die ihren Schnäppchen-Proleten zu wenig Lohn zahlen? Ich gebe zu Protokoll, daß ich nicht zu diesem Wir gehöre. Oder sind wir die Staatsbürger? Und wer sind dann die Billig-Proletarier, wenn wir ja schon die Staatsbürger sind?
Vor vielen, vielen Jahren hat mal Hermann L. Gremliza in der "konkret" einen Artikel aus der ZEIT zerlegt. Der ZEIT-Artikel hatte die Überschrift "Der Arbeiter, das unbekannte Wesen" (oder so ähnlich). Im Artikel selber hatte der Autor geschrieben, es werde derzeit viel über den Arbeiter geschrieben und geredet, kaum einer aber kenne den Arbeiter wirklich.
Gremliza hat nun sehr sarkastisch drauf hingewiesen, daß die Arbeiter die Mehrheit der Bevölkerung stellten. Wer nun behaupte, kaum einer kenne den Arbeiter, der konstruiere sich eine Gemeinschaft, eine Allgemeinheit, in welcher Arbeiter nicht vorkämen, bzw. nur als außerhalb der Allgemeinheit stehende Gruppe. Denn klar: Wären die Arbeiter Bestandteil dieser Gemeinschaft, so wäre die Behauptung, kaum einer kenne die Arbeiter, Bockmist der Sonderklasse. Ich muß jetzt nicht erklären, warum das Bockmist wäre, oder?

Am Sonntag will mein Süßer...

Als ich noch der Waldbauernbub war kam das Lied "Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen" in Radio und Fernsee, gesungen von verschiedenen Interpretinnen.

Ein schmissiges Lied, man hörte es gern, dudel di die, und ich stellte mir Gitte Haenning vor, wie sie im Abendrot auf dem Segelboot das Abendbrot bereitet für ihren Süßen und für sich.

Die Zeit ging in's Land, ich wurde erwachsen und Gott sandte den Menschen in seinem Zorn die 80er Jahre. Neue Deutsche Welle, Provokation, eh schon wissen. Jetzt hörte ich genau dasselbe Lied mit genau demselben Text gesungen von einem Mann. Das Kopfkino veränderte sich.

Ich frage meinen Freund Google, was es wohl mit diesem Lied auf sich habe. Das Lidl aus den Achtzigern finde ich zwar nicht, aber ich sehe zu meiner Verblüffung, daß das Stück bereits Ende der Zwanziger Jahre entstanden ist, gesungen von mehreren Interpreten - und diesmal ist die männliche Form des Wortes richtig.

Vor wenigen Tagen nun rauscht mir das alte Lied erneut durch die Rübe, es ist ein Ohrwurm und ich trällere es in einer Tour vor mich hin. Plötzlich macht es Shklonk! in meinem Hirn und ich merke, auf welches Wort sich segeln reimt. Wie sagt der Dichter?

Woissvogi?

Südlich von des Leibes Mitte

Sah im Wald ich eine Hütte,

Fand darin ein Vögelein,

Wollte gern gemädelt sein.

 

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Ich hab noch einen Sonderbonus zum Thema "Liebe"

und einen zum Thema "Haß".

Mittwoch, 18. Mai 2022

Jammerlappen

Damit auch das mal gesagt ist: Eine freie Meinung kann man aktuell nur haben, wenn man gegen Putin und für Waffenlieferungen ist. Alles andere wird feindlich betrachtet und muss um jeden Preis zum Schweigen gebracht werden.

Dergleichen Klagen liest man auf "Fisch und Fleisch" ständig, sie sind sogar das über fast jedem Thema schwebende Leitmotiv. Weinstubenprosa. Ich schrieb dem schluchzenden FUFfi zurück:

Du bist so ein elendiglicher Jammerlappen. Früher hat man auch gerne mal die Formulierung "weibischer Jammerlappen" gebraucht. Inzwischen aber haben sowohl die Wissenschaft als auch die Alltagserfahrung herausgefunden, daß in Wahrheit die Männer das jammernde Geschlecht sind. Meine Frau (gelernte Arzthelferin und Sozialpädagogin) hat zum Thema seinerzeit angemerkt, sie wundere sich, daß ausgerechnet die Männer in den Krieg zögen, wo sie doch so wehleidig seien. Frauen sind da viel zäher und belastbarer, anders hätten sie die Jahrtausende des Patriarchats niemals durchgestanden und wir wären längst ausgestorben, worüber sich die Tiere und die Pflanzen sehr gefreut hätten.

Was ich sagen wollte... ach ja: Warum du ein elendiglicher Jammerlappen bist. Du schreibst, man könne nur dann eine freie Meinung haben, wenn man gegen Putin und für Waffenlieferungen an die Ukraine sei. Alles andere müsse um jeden Preis zum Schweigen gebracht werden. Das schreibst du hier, frei und unbehelligt und ich bin mir sicher, daß du auch künftig deswegen nicht behelligt wirst. Daß man dich auslacht, dich einen Narren heißt und dir hinten auf's T-Shirt heimlich Zettel mit höhnischen Bemerkungen klebt, ist wieder eine ganze andere Sache. Wenn du dich wie ein Depp aufführst und den Mond anheulst, dann wirst du natürlich als genau der Narr betrachtet, der du bist.

Wer sich in der Öffentlichkeit über was auch immer äußert, muß damit rechnen, verlacht oder angefeindet oder beides zu werden. Toleranz heißt schließlich nicht, jedwede Meinungsäußerung zu beklatschen, Toleranz heißt lediglich, daß ich den Schwatzkopf gewähren lasse: "Red du nur!" Ich gehe davon aus, daß auch du mich für einen Dummschwätzer hältst und bin dir deswegen nicht gram, so was ist das Normalste von der Welt. Der Franze hat gsagt, er hätt manchmal den Eindruck, er wär der einzige Idiot auf der Welt, umgeben, sagt er, von lauter Vollidioten.

Früher, als die Männer noch richtige Männer waren (du merkst, der chauvinistische Gaul geht mit mir durch), haben die Recken um den Helden Siegfried nicht geweint "Mama, der Böse Feind hat mir auf's Naserl gehaut, so daß es blutet". Die Typen haben sich vielmehr gegenseitig ihre Wunden und Narben gezeigt, und bliesen sich dabei vor Stolz auf. "Ja, ich war es dem Bösen Feinde wert, daß er auf mich eingehauen hat." Noch zu Zeiten von Kaiser Willem zwo hieß die Parole "Viel Feind', viel Ehr'!" Und heute jammern die immer noch konservativen, immer noch reaktionären Nachfahren der reaktionären Arschlöcher von einst herum, daß es nur so 1 Art hat. Und diese Weicheier haben die Stirn, andere Leute als "Gutmenschen" zu verhöhnen.

Mir balst nicht gangst

Ein FUFfi, ein anderer als der oben zitierte, hat als Avatar einen mit gekreuzten Heftpflastern verklebten Tomatenmund, dazu das Motto "Meinungsfreiheit ist in meinem Land leider nicht verfügbar". Und schreibt und schreibt im Schutze dieser  nicht vorhandenen Meinungsfreiheit.

Jammerlappen, wie gesagt.

Montag, 16. Mai 2022

Diffamierung mit fragwürdigen Methoden

Ampfang des Jahres behauptete ein FUFfi hier auf "Fisch und Fleisch", wo sonst?, die Süddeutsche Zeitung griffe Nils Melzer - wer immer Nils Melzer ist - mit einem Rufmord-Artikel an. Ich betone hiermit aus- und nachdrücklich, daß mich die sachlichen Hintergründe dieser Diffamierung oder auch Nicht-Diffamierung in diesem Zusammenhang nicht interessieren. Mir geht's hier um einen sprachlichen Leckerbissen in diesem Blogbeitrag. Er beginnt nämlich mit dem folgenden Satz:

"Mit fragwürdigen Methoden arbeiten die beiden Süddeutsche-Journalisten Ronen Steinke und Thomas Kirchner bei der Erstellung eines Diffamierungs-Artikels."

Ein Spruch, den man sich in's Kopfkissen häkeln sollte. Mit welchen Methoden denn soll einer arbeiten, wenn er einen Diffamierungs-Artikel erstellen will? Einen Diffamierungs-Artikel zu erstellen ist per se eine fragwürdige Aktion, wenn ich dabei mit fragwürdigen Methoden arbeite, dann ist das der perfekte Einklang von Inhalt und Form, nach dem die Dichter streben (sollten).

Bislang handelte mein Lieblingshäkelspruch für's Kopfkissen vom Sex. Die zu Recht weitgehend unbekannte Wochenzeitung "der Freitag" veröffentlichte zuzeiten mal ein Interview mit mehreren jungen Leuten über deren Sexualleben. Charlotte, eine damals noch junge Frau, die heute nur unwesentlich älter ist, gestand seinerzeit: Die besten Orgasmen meines Lebens habe ich vorgetäuscht!

Ananas - mit dem Boot stromaufwärts

In der vierklassigen Volksschule Gern hatte ich mein erstes und womöglich einziges Erweckungserlebnis. Die Volksschule Gern war damals - vor den Großen Politischen Und Pädagogischen Reformen - eine vierklassige Volksschule, jeweils zwei Jahrgänge wurden zusammen in einer Klasse unterrichtet. In dieser Schule habe ich in einer Vertretungsstunde vom Rektor die Kunst des Kartenlesens und -zeichnens gelernt. Seither bin ich den Landkarten, Stadtplänen und dem Reisen verfallen.

Es traf sich gut, daß mir eben zu dieser Zeit der Osterhase ein Boot geschenkt hatte, mit dem ich dann ausgedehnte Reisen unternahm. Es war ein Motorboot mit einer kugelsicheren Plexiglashalbkugel, weder die Giftpfeile irgendwelcher Eingeborenen [1] konnten mir etwas anhaben, noch die Gewehrkugeln irgendwelcher Schurken. Eine Klimaanlage schützte mich vor der Hitze der Tropen und der Kälte der Eisregionen. Mit dem Boot konnte ich wie mit einem Auto auf dem Land fahren, ja sogar fliegen und tauchen. Ich weiß noch, wie ich vom Meer aus in den Ananas einfuhr und dann gemächlich den Strom emportuckerte. Wurde ich müde, legte ich mich schlafen, ich war ja geschützt, nichts und niemand konnte mir etwas anhaben. Und wenn ich dann aufwachte, war ich wieder daheim und mußte in die Schule. Der Trick funktionierte zuverlässig.

Auf diese Weise lernte ich die ganze Welt - oder doch einen erheblichen Teil von ihr - kennen. Es erschien mir unnötig, die Welt tatsächlich zu bereisen, es erscheint mir dies noch heute. Zu viele Globetrotter habe ich getroffen, die von Tuten und Blasen [2] keine Ahnung hatten, welche von den bereisten Ländern nur den touristenüblichen Unfug wußten, den sie sich bereits zuhause angelesen hatten. Warum also sollte ich mich den Gefahren des Dschungels und des Hochgebirges aussetzen, Malaria und Frostbeulen erdulden, wenn es genug Narren gibt, die dies schon vor mir getan hatten und mir nur zu gerne davon in Wort und Bild erzählen möchten? "Warum sich einen Hund halten und dann selber bellen?" hatte es einst Hercule Poirot auf den Punkt gebracht.

1958, ich war 8 Jahre alt, war die Fußballweltmeisterschaft in Schweden, Weltmeister wurde Brasilien und der Stern von Pelé ging auf. Mit Begeisterung schwadronierte ich vor den Stammgästen im Lokal von Brasilien. Diese Stammgäste meinten, ich solle doch nicht so daherreden, ich wüßte doch nicht mal, wo dieses Brasilien liege. Und ich erzählte ihnen von Brasilien und seiner Lage in Südamerika, dort spräche man Portugiesisch, anders als im übrigen Latein(!)amerika. 

Ich wäre allerdings glücklicher gewesen, hätte Gott nicht in seinem namenlosen Zorn István Zsolt erschaffen. István Zsolt war ein stadtbekannter Kommunist, Trunkenbold und leider auch Fußballschiedsrichter. Zsolt leitete 1958 das Halbfinalspiel Schweden-Deutschland in Göteborg. Beim Stande von 1:1 verwies der Serienlustmörder Zsolt den Düsseldorfer Erich Juskowiak wegen eines Revanchefouls vom Platz, nachdem Kurt Hamrin [3] ihm einen Tritt verpasst hatte. Hamrin wurde aber nicht vom Platz gestellt. Nachdem Fritz Walter wenig später schwer gefoult wurde und er sich dadurch am Knöchel verletzte, was vom Schiedsrichter nicht geahndet wurde, spielte die deutsche Mannschaft praktisch nur noch mit neun Spielern (damals waren Auswechslungen noch nicht erlaubt und Walter konnte kaum mehr am Geschehen teilhaben) und verlor das Spiel mit 1:3. In Deutschland wurde schon vor dem Spiel Kritik laut, dass die FIFA einen ungarischen Schiedsrichter für das Spiel ausgewählt hatte. Vier Jahre zuvor hatte nämlich Deutschland gegen Ungarn das Endspiel der Weltmeisterschaft 1954 gewonnen, "Das Wunder von Bern". Nach diesem Spiel war die kommunistische Weltverschwörung offenbar geworden und der Kalte Krieg wurde angepfiffen.

Ich wünsche Herrn Zsolt immer noch die Pest an den Hals, aber leider hat sich der feine Herr meinem Haß durch feigen Tod entzogen, 1991. Mit 70 Jahren, man stelle sich vor, was schon damalszutage kein Alter, sondern  nur ein Vorwand war, sich dem Unbill des Lebens durch frühzeitigen Tod zu entziehen.

Irgendwann - um auch das noch zu erwähnen - hat mir einer der Professoren an der Uni gesagt, es hieße gar nicht Ananas, sondern Amazonas. Ananas sei vielmehr der Schwiegervater von Kaiphas gewesen, der damals die Kreuzigung Jesu betrieben hat und sich dadurch unsterbliche Verdienste um das Seelenheil aller  nachfolgenden Generationen erworben hat. Wikipedia nennt zwar den Schwiegervater von Kaiphas beharrlich Hannas, aber das ist nur eine Machenschaft von IHNEN! Ich aber habe SIE! durchschaut.

Mein Multiplex-Boot hatte Atomantrieb, wie der funktionierte, war mir schon damals nicht recht klar. Irgendwann, bei einem sehr unerfreulichen Zwischenfall - den ich hier nicht schildern möchte, umso weniger als ich mich nicht mehr dran erinnere - sind mir einige Krümelchen Atom über Bord gegangen. Die Krümelchen haben sich vermehrt und die so entstandenen Atomkrümelkrümelchen desgleichen und so weiter, und so fort. Und so ist aus dem Ananastiefland [4] inzwischen ein riesiges Atommüllzwischenlager geworden. Wegen der Atomhitze brennen die Wälder ab, wegen der Atomstrahlen sterben Mensch und Tier und in wenigen Jahren wird es keinen Ananas-Regenwald mehr geben. Brasilien wird die Ausfuhr von Sauerstoff stoppen und wir werden alle ersticken. Die Posaunen des Jüngsten Gerichtes (angebratene Kochsalamiwürfel mit Weißen Bohnen und Spiegeleiern) werden wir schon nicht mehr hören. Drum, Leute, Bayreuth, Bayreuth [5]!

Ich geh jetzt mal kacken, das Ankündigen der Apokalypse ist doch sehr verdauungsfördernd, deswegen heißt es auch bis auf den heutigen Tag "Scheißweltuntergang".



[1]   Irgendwer ist ja immer irgendwann irgendwo geboren. Ich zum Beispiel kam seinerzeit als Eingeborener von Trizonesien zur Welt, heidi-tschimmela-tschimmela-tschimmela- tschimmela-bumm!

[2]   Wußten Sie schon, daß Urologen zwar keine Ahnung von Tuten haben, umso mehr aber von Blasen?

[3]   Wie allgemein bekannt sein dürfte ist Kurt ein türkischer Vorname, der soviel bedeutet wie "Wolf". Mein bürgerlicher Vorname lautet Wolfram, mein im Krieg getöteter Onkel Kurt hieß mit Vornamen Kurt. Daraus läßt sich viel über die Welt und die Zusammenhänge in ihr ableiten.

[4]   Ich möchte keine Reklame für die Leuteschinder-Firma amazon machen und nenne den Fluß weiterhin Ananas.

[5]   Auf Hebräisch heißt das "Beirut, Beirut", auf Deutsch sagt man, glaub ich, "bereut, bereut".

Samstag, 14. Mai 2022

Mordnilap

¿Trug Tim eine so helle Hose nie mit Gurt

Freitag, 13. Mai 2022

Wie umgehe ich das Jugendverbot

Eine Handreichung für die reifere Jugend

Es ist noch nicht lange her, da geschah es, daß ich mir in der  ZDF-Mediathek einen Edgar-Wallace-Krimi aus den sechziger Jahren anschauen wollte, garantiert in Schwarzweiß und in Mono. Als ich den Film zum späteren Anschauen herunterladen wollte, erschien mir eine Tafel.

Der Casus machte mich lachen. Beim ZDF geht man anscheinend noch davon aus, daß 15jährige oder meinetwegen auch 7jährige um 10 Uhr bereits schlafen und sie deswegen vom Krimischauen ausgeschlossen sind. Denn der Fernseher steht im Wohnzimmer und wenn das Kind das Gerät einschaltet, hören das die Eltern, kommen gerannt und züchtigen das Kind. Zum Unter-der-Decke-schauen ist der Fernseher viel zu groß und zu schwer. Und Smartphones werden erst in 30 Jahren erfunden, bis dahin sind die Kinder längst volljährig.

Wie auch immer, ich kann mich nicht kostenlos anmelden & sofort schauen, denn mir ist die Alterskontrolle viel zu kompliziert. Macht aber nix, denn ich hab ja MediathekView auf meinem Rechner. Ich probier's und tatsächlich kann ich damit auch um 13:23 h den "Zinker" anschauen. Und wenn ich das kann, kann das eine Siebenjährige zweimal.

Das Jugendverbot und alle Reaktionäre sind Papiertiger!

Kiffen für die Freiheit

Der perfekt glatzköpfige Herr ohne Krawatte und mit dem starren, verspannten Gesicht [1] ist Andreas Deffner, seinerzeit einer von 5 (!) Pressesprechern von Bundesgesundheitsminister Gröhe im Kabinett Merkel III.

Vor Zeiten stellten sich fünf Mitglieder der Grünen Jugend vor das Gesundheitsministerium in Berlin-Mitte, rauchten demonstrativ einen Joint, jeder seinen eigenen, versteht sich und forderten die Freigabe von Cannabis. Nur durch Legalisierung seien Drogenprobleme überhaupt in den Griff zu bekommen. Deffner hält dagegen: Eine Legalisierung würde suggerieren, die Droge sei nicht gefährlich. Das wäre ein völlig falsches Signal und ein gesellschaftliches Experiment mit unklarem Ausgang.

Was für eine krause Argumentation! Ist Alkohol legal? Ist Alkohol gefährlich? Tabak ist legal und gefährlich, niemand macht sich Illusionen. Dasselbe gilt für Autos, für die Bundeswehr, für die ostasiatische Brenzelfanne [2]. Die Aussage "Cannabis ist weniger gefährlich als Alkohol" ist einerseits richtig, andererseits heißt "weniger gefährlich" nicht "ungefährlich". Und was das "gesellschaftliche Experiment mit unklarem Ausgang" angeht: Experimente macht man in der Wissenschaft genau deswegen: Der Ausgang ist unklar und das Experiment soll Klarheit bringen. Experimente mit klarem Ausgang sind die Lehrexperimente, die wir aus der Schule kennen, aber selbst die verlaufen manchmal anders als geplant.

Abgesehen davon wäre es ja keinesfalls eine völlig neue Erfahrung, die unsere Gesell­schaft mit legalem Cannabiskonsum machen würde. Ich möchte dran erinnern, daß es gerade mal etwas mehr als 90 Jahre her ist, seit in Deutschland und in vielen anderen Ländern des westlichen Kulturkreises Köst­lichkeiten wie Opium, Morphium, Kokain oder Cannabis verboten wurden. Vorher waren sie frei in jeder Apotheke oder sonst einem Ladengeschäft erhältlich, keiner machte ein Geschiß darum.

Sherlock Holmes setzte sich die 7-Prozent-Lösung Kokain, Thomas de Quincey veröffentlichte unbehelligt seine "Bekenntnisse eines englischen Opiumessers", Hegel schnupfte seinen mit Cannabis versetzten Tabak (High durch Schmai) und Wilhelm Buschs Lehrer Lämpel rauchte des abends gemütlich seine Pfeife Knaster, also einen mit Hanfsamen aufgepeppten Tabak.

Um 1905 rum brachte die Firma Bayer ein neuartiges Medikament gegen die Opiumsucht auf den Markt - Heroin. Schnaps gegen Biersucht. Kein Satiriker traut sich so was auszudenken. Außer Jaroslav Hašek: Von Hašek gibt's eine Geschichte ("Alkoholikeridylle"), in der ein Prager Apotheker Schnaps als Medikament gegen übermäßigen Bierkonsum anbietet, womit es eine besorgte Ehefrau schafft, aus einem sehr mäßigen Biertrinker einen haltlosen Schnapsalkoholiker zu machen.

Egal. Ende der zwanziger Jahre kam dann das Verbot all dieser Drogen, in den USA wurde sogar die gefährlichste aller Rauschdrogen, der Alkohol verboten. Heroin, ein Produkt der Firma Bayer gegen Morphiumsucht, wurde allerdings erst in den späten 30er Jahren verboten, Pervitin, heute bekannt als Crystal Meth, noch viel später. Die nunmehr verbotenen Drogen waren damit nicht verschwunden, sie wurden durch das Verbot nur wesentlich teurer und wesentlich gefährlicher, denn keine neutrale staatliche Zulassungsbehörde kontrollierte nun noch die Einhaltung von Standards bei der Herstellung. Ist seither das Drogenproblem geringer geworden?

Der austro-amerikanische Psychologe Paul Watzlawick hat zusammen mit Kollegen das Problemlösungskonzept des Mehr desselben formuliert.

Drogen sind gefährlich, klar, also besteht verantwortliches Handeln darin, Drogen zu verbieten. Ich ziehe Bilanz und stelle fest, daß das mit dem Verbot so recht nicht funktioniert, was daran liegt, daß ich nicht konsequent genug gegen den Drogenhandel vorgegangen bin. Ich verschärfe die Gesetze, ich ziehe Bilanz und stelle fest, daß es immer noch nicht funktioniert. Das geht eine Weile so und schließlich muß ich beobachten, daß die Gefährlichkeit der Drogen durch das Verbot gestiegen ist.

Als Heroin von der Firma Bayer auf den Markt gebracht worden ist, wurde es oral eingenommen und galt als probates Hustenmittel, auch und gerade für kleine Kinder. Es wurde - übrigens lange nach dem Verbot von Cannabis - schließlich verboten. Nun verschwindet eine Droge nicht einfach durch ein Verbot, solange es Bedarf danach gibt, wird sie weiter gehandelt, nun auf dem Schwarzmarkt. Die Preise steigen, drastisch. Was macht der Konsument in diesem Falle? Er wird versuchen, mit der gleichen Menge Stoff eine höhere Wirkung zu erzielen, klar. Er zerbröselt die Tabletten und schnieft das Heroin durch die Nase. Ein anderer kommt auf die Idee, den Wirkstoff aufzulösen und ihn sich direkt in die Vene zu injizieren, nochmalige Potenzierung der Wirkung. Ah, jetzt ist das Heroin wirklich gefährlich geworden, ein weiterer Grund, die Drogengesetze zu verschärfen.

Durch das Verbot hat keine Aufsichtsbehörde mehr die Möglichkeit, die Qualität des in den Handel gelangenden Stoffes zu kontrollieren, als Junkie kannst du nur noch beten, daß dich der eben erworbene Stoff nicht umbringt. Damit du dich als Junkie über die Runden bringst (das Zeug ist inzwischen schweineteuer geworden), mußt du einbrechen, rauben, Apotheken überfallen oder dich prostituieren - Beschaffungskriminalität. Du rutscht nahezu zwangsläufig in das gesundheitliche und soziale Elend. Die Droge selbst spielt dabei eine untergeordnete Rolle, viel gefährlicher als die Droge ist das Betäubungsmittelgesetz.

Du krepierst irgendwann, nicht so sehr an der Droge sondern an deren Verbot.

Logischerweise müssen die Drogengesetze verschärft werden, damit dergleichen nicht weiter passiert... Es ist 1 Jammer und es passiert tagtäglich unter den Augen wahnsinnig gescheiter Idioten.



[1]   Mich erinnert Deffner auf diesem Photo an den Udo Lattek seiner letzten Trainerjahre. Der hat seinerzeit auch zum Gottserbarm ausgeschaut, die Zähne zusammengepreßt, den inneren Schmerz niederzukämpfen. "Junge, kiff doch", dachte ich damals, "oder pfeif dir andere entspannende Drogen rein, das ist ja nicht mehr mit anzusehen.

[2]   "Ostasiatische Brenzelfanne" steht hier für "Alles Mögliche, das nicht ausdrücklich verboten ist."

Staatsanwalt

Was ich immer schon mal wissen wollte: Wenn ich einen Strafantrag gegen den Lindinger Sepp stelle, weil der mich "Staatsanwalt" genannt hat, brummt dann der echte Staatsanwalt mir eine Anklage wegen Beleidigung auf? Gibt's bei Juristen so was wie "Beleidigung über Bande" eigentlich?

Wenn ich mal im Lotto gewinne, probier ich's, glaub ich, einfach aus. Experimentelle Rechtswissenschaft.

Dienstag, 10. Mai 2022

I wer oit und imma öiter

Früher hatte ich manchmal sogar Angst, meine Meinung zu gewissen Themen zu schreiben, aber mit zunehmendem Alter wird es mir immer gleichgültiger.

 

Ich kenne das Gefühl, es ist rauschhaft intensiv. Freedom's just another word... Eh schon wissen.

1985, als STS das Lidl "Kalt und Kälter" herausbrachten, war ich 35 und hatte gerade geheiratet. Ich habe mich damals auf die Zeit gefreut, da mir ganz Vieles ganz furchtbar wurscht sein würde. Und wirklich, es ist wunderbar, du fühlst dich so ungemein lebendig und so gar nicht kalt. Und frei, natürlich.

Wie man das Entmummungsgebot hätte umgehen können

Früher, als die Welt noch in Ordnung war und Corona nichts weiter war als das lateinische Wort für "Krone" hatte man in deutschsprachigen Ländern diskutiert, ob man die Augenschlitzverschleierung - im Volxmund gern Niquab genannt - wegen der öffentlichen Sicherheit verbieten sollte. In Österreich hat man den Schritt gewagt, dort sind seit Herbst 2017 einerseits gesichtsverhüllende Niquabs verboten, andererseits und gleichzeitig seit 2020 gesichtsverhüllende FFP2-Masken streng vorgeschrieben [1]. Aber so sind's, die Österreicher. Österreich ist nur ein anderes Wort für Widerspruch in sich.

Man erinnert sich vielleicht an den "Prinzen von Homburg" (von Kleist). Dieser handelt als Truppenführer einem Befehl des Kurfürsten zuwider; aus einer verliebten Verwirrung heraus, nicht aufgrund aufsässiger Gesinnung, wie oft geschrieben wird. Er gewinnt mit diesem befehlswidrigen Handeln die Schlacht und wird vom Kurfürsten nicht wegen des Sieges mit einem Orden belohnt, sondern wegen der Insubordination zum Tode verurteilt. Befehl ist Befehl und Kotzequenz unser Gott.

In Österreich gab es den Maria-Theresia-Orden. "Er war bis zum Ende der Habsburgermonarchie die höchste Tapferkeitsauszeichnung des Landes." (...) "Diese besondere Auszeichnung wurde für aus eigener Initiative unternommene, erfolgreiche und einen Feldzug wesentlich beeinflussende Waffentaten, die ein Offizier von Ehre hätte ohne Tadel auch unterlassen können, verliehen."

http://de.wikipedia.org/wiki/Maria-Theresia-Orden

Das heißt, der höchste militärische Orden im alten Österreich wurde an den verliehen, der ohne Befehl oder gar befehlswidrig handelte und damit Erfolg hatte. Völlig inkonsequent, die Sache. Österreichisch halt, bairisch, mediterran.

 

Wenn ich der österreichische oder bayerische oder bremische Innenminister wäre - was GOtt der Herr verhüten möge - würde ich Anweisung an die Polizei geben, JEDEN vollverschleierten Mann [2] zu kontrollieren und dabei ihr Antlitz mit dem Ausweisfoto zu vergleichen. Das dauert dann eine Weile, gewiß. Danach darf die Frau wieder heim, verschleiert natürlich, man ist schließlich kein Unmensch. Noch beim Verlassen des Reviers wird sie mit einer Wahrscheinlichkeit auf einen anderen Polizisten treffen, der grad Zeit hat und sie dann ebenfalls kontrolliert, gleiche Prozedur. Abends wird's dann bei Achmeds kein Abendessen geben, weil Fatima wegen der vielen, zeitaufwendigen Kontrollen nicht mehr rechtzeitig in die Läden gekommen ist.

Aber auf so geniale Gedanken komm natürlich nur ich.



[1]   Gut, momentan sind die Masken grad nicht vorgeschrieben, aber das kommt schon wieder.

[2]   Sicherheitshalber steht hier "Mann", weil man (!) ja nie genau weiß, welches vollverschleierte Gesicht sich hinter dem Schleier verbirgt. Wüßte man es, dann wäre das Gesicht nicht vollverschleiert.

Sonntag, 8. Mai 2022

Vom Segen der E-Scooter

Früher® war das Leben auch nicht einfach, aber verglichen mit heute...

Früher® wolltest du brav sein und nach einem Besäufnis keinesfalls noch mit dem Auto oder Motorrad oder Moped heimfahren. Damitst du nicht als Besoffener in Versuchung kommst, hast du dein Fahrzeug daheimgelassen. Bist du dann aus dem Unterwirt gewankt, ist dir gar nix anderes mehr übergeblieben als wie heimzugehen, den Bus zu nehmen, die U-Bahn oder in Gotznam halt ein Taxi. Oder du bist mit dem Lindinger Sepp in ihm seinem BMW heimgefahren, weil der Lindinger Sepp zwei Bier und einen Schnaps weniger gehabt hat als wie du und deshalb als fahrtüchtig gegolten hat.

So war das, damals als die Welt noch in Ordnung war. Heute kommst aus der Whisky-Ranch gewankt, willst heimgehen und dann stehen auf dem Gehsteig drei E-Scooter. Schön blöd wärst, wennst du unter dieser Umständen noch heimgehen tätst. Du scannst den Scanfleck, zahlst mit dem Smartphone (weiß der Henker wie das geht) und ab die Post. Wenn sie dich erwischen, behandeln sie dich so, als wärest du mit dem Auto gefahren, obwohl die Fremdgefährdung mit dem Scooter erheblich geringer ist als mit dem Auto.

Und der Verkehrspsychologe lacht. Wennst du noch jung und in der Probezeit bist mußt du eh in einen Kurs, und ansonsten bist du spätestens mit 1,6 Promille dran. Der Verkehrspsychologe, also ich, hat was verdient und bedankt sich bei dir für die freiwillige Spende.

Und eh ich's vergesse: Beim Scheuer Andi bedanke ich mich natürlich auch, weil der die scheiß E-Scooter zugelassen hat.

Wir sehn uns im Kurs!

Von Machos und Mammakraten

Je machohafter eine Kultur, desto mehr Einfluß haben die Frauen auf die Kinder. Zana Ramadani (die heißt wirklich so) hat vor kurzem mit einem Buch Furore gemacht, in dem sie behauptet hat, an der Frauenverachtung sehr vieler moslemischer Männer trügen ihre Mütter ein gerüttelt Maß an Mitschuld.

Zum machismo neigende Männer kümmern sich frühestens ab dem vierten Lebensjahr intensiver um ihre Kinder. Nach drei Jahren ist aber die wesentliche psychologische Prägung der Rotznasen abgeschlossen, alles, was danach kommt ist vergleichsweise ein Lercherlschaas.

Ich habe 10 Jahre lang in Italien gelebt, nicht in der Toskana oder wo, sondern 120 km südlich von Neapel, im Cilento. Das Cilento ist der mit Abstand schönste Teil Italiens. Kaum ein Deutscher oder Österreicher kennt das Cilento, wer es kennt, kommt immer wieder oder bleibt gleich ganz da.

Was ich sagen wollte: In unserem zweiten oder dritten Jahr in Castellabate waren wir anläßlich der festa della donna (Weltfrauentag) in einem Lokal. Irgendwann stupst mich meine Frau an und meint, es sei doch höchst erstaunlich, wie selbstbewußt die Frauen hier seien.

Ich stutzte, mir war es bislang nicht aufgefallen, aber ich bin ein Mann und auch sonst ein bisserl blöd. Ich schaute daraufhin etwas genauer hin und in der Tat, es waren die Weibers, welche die Szene beherrschten. Die anderen Familien kannten wir nicht, aber die Mischpoke der Gemüsefrau war uns bekannt. Die hatte die Fäden in der Hand, der ihr sein Mann war nix weiter als der Mann von der Gemüsefrau. Ich nehme an, das lag daran, daß ab den sechziger Jahren viele Süditaliener nach Norden gingen, um dort zu arbeiten - von Mailand bis nach Schweden. Die Frauen mußten sich alleine um die Kinder kümmern, die Olivenbäume, den Weingarten. Und sie haben entdeckt, welch wichtige Aufgabe sie doch haben. So was macht selbstbewußt. In Italien habe ich - anders als in Deutschland - so gut wie keine verhuschten und niedergedrückten Frauen kennengelernt.

Das Hohelied vom Braven Franz 2


 

11. Abenteuer: Wie Franz von einem rosaroten Prinzen aus dem Schneewittchen-Schlaf geküßt ward

Als er schließlich - nach vielen Tusch- und Tünch-Arbeiten - doch noch gestolpert war, zurücktreten mußte ob der leidigen SPIEGEL-Affäre; als er die Decke mildtätigen Schweigens über sich zog und in der Versenkung verschwand - da glaubten ihn viele Beobachter verschwunden auf ewig. So manche tranken hoffnungsfroh einen Erleichterungsschluck auf seinen politischen Tod. Andere wieder, viele andere, sahen einen großen Mann gemeuchelt, wo doch in Wirklichkeit nur der Staatsschauspieler Franz Strauß die Rolle der verfolgten Unschuld gab.

Vier Jahre hat er dann sein Geschick getragen und wollt' es nicht tragen mehr, wo immer die Welt am schönsten war, da war sie ihm öd und leer. Aber zur heimlichen, unheimlichen Freude der Reaktion hat Gott die Sozialdemokratie erschaffen; welche gottgefällige Einrichtung auch im Falle dieses tiefbetrübten Reaktionärs seine trost- und segensreiche Tätigkeit entfaltete. Vier Jahre nach dem lang- und wohlverdienten Sturz des Verteidigungsministers Strauß gab es wieder einen Finanzminister Strauß. Diesmal in einem Kabinett der Großen Koalition, neben einem Außenminister Brandt und einem Minister für Innerdeutsche Fragen Wehner.

Franz war wieder wer.

Und ist es geblieben bis zu seinem Tod im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Regensburg. auf den heutigen Tag. Drei Jahre im Lotterbett der Großen Koalition hatten genügt, den Selbstbefleckten wieder ehrbar zu waschen.

12. Abenteuer: Wie Franz alte Gewohnheiten aufgeben mußte und zu neuen fand

Affären im alten Stil waren aber nicht mehr drin; und dies weniger einer etwaigen moralischen Läuterung unseres Helden wegen. Die Verhältnisse vielmehr verhinderten ihn, auf die altbewährte - nie völlig bewiesene und befriedigend aufgeklärte Weise privaten Honig zu saugen aus öffentlichem Ämtern. In den drei Jahren der Großen Koalition saßen ihm nämlich die Sozialdemokraten denn doch sehr dicht auf der Pelle; zu dicht, ein Husarenstückchen - mit stechen ,und gestochen werden - zu wagen, wie einst im Mai. Später dann, die letzte Dekade, hat dieser Staat kein Amt mehr freigehabt für den rastlosen Franz. Die Nach-SPIEGEL-Affären-Zeit des Dr. Franz Josef Strauß ist demnach - dem Meister sind die Hände gebunden - vornehmlich gekennzeichnet durch verbale und politische Entgleisungen. Die aber dann reichlich.

13. Abenteuer: Wie Franz einmal mit seinen Verbindungen zur Unterwelt protzte

Zimperlich behandelt war die SPD von Herrn Strauß noch nie worden; auch dann nicht, als der weltenferne Abstand der SPD von jeglicher Regierungsmacht eigentlich eine gelassenere Haltung nahegelegt hätte. Als nun, noch zu Zeiten der Großen Koalition, eine kommende Regierungskoalition SPD/FDP in greifbare Nähe gerückt war. da raunte Strauß von "Plänen, um eine Räterepublik West-Berlin zu schaffen". SPD und APO scheint's in gemeinsamer Arglist.

Die Warnungen des ober-bayerischen Rufers und Mahners wurden beschwörender, als sie dann da war, die rote Gefahr. (Wär's nicht gar so zum Zähneknirschen, man müßte lachen: eine Menge Menschen glaubte damals tatsächlich - manche fürchteten es und viele hofften es - die SPD würde einiges in diesem Lande zum Besseren wenden.) 1970 warf er der SPD vor, sie betrachte eine Regierungsübernahme nicht als das normale Wechselspiel der Demokratie, sondern wolle die Macht auf Dauer haben. Der das sagt, schäumt in derselben Rede (auf dem Politischen Aschermittwoch in Vilshofen) vor ungezügelter Wut über die eben stattgefundene "Regierungsübernahme" der SPD, akzeptiert also selbst gerade dieses "normale Wechselspiel der Demokratie" nicht.

Im November 1970 meint er in einem Interview des "Münchner Merkur":

"Glauben Sie mir, wenn diese Regierung stirbt, gibt es einen Aufstand der Unterwelt". Wenn einer über die derzeitige Stimmung in der Unterwelt Bescheid weiß, dann bin ich es, will Strauß wohl mit diesem Satz signalisieren. Wollen's ihm gerne glauben, dies.

14. Abenteuer: Wie Franz Visionen vom Umsturz hat - angstvolle

Im September 1971 gibt er der BILD-Zeitung ein Interview. "Bei der heutigen Regierungskoalition handelt es sich nicht um eine normale Wachablösung, sondern um einen Wandel ja um den Beginn eines Umsturzes."

Und in einem CSU-Rundschreiben vom Sommer 1972 schreibt er "Wir können davon ausgehen, daß die nächste Bundestagswahl im November dieses Jahres stattfinden wird. Wir können ebenfalls davon ausgehen, daß - sollte die Union dieses Mal nicht an die Regierung kommen - wir die letzt freie Wahl für lange Zeit hatten

Projektion, weiß der psychoanalytisch Belesene, ist jener Vorgang, bei dem eigene Fehler oder Wünsche einem anderen Menschen zugeschrieben werden. Die Projektion ist dabei ein Ausdruck bestehender eigener Schuld- oder Schamgefühle, die unbewußt bleiben und abgewehrt werden müssen.

Diese Begriffserklärung macht deutlich, daß es sich bei den Strauß'schen Unterstellungen, die SPD plane den Umsturz, wolle die Demokratie abschaffen, mitnichten um eine Projektion handelt. Weder sind die Träume des Franz Strauß vom großen Umsturz diesem unbewußt, noch gar von irgendwelchen Schuld- oder Schamgefühlen begleitet. Vorhanden allerdings, vorhanden sind diese Putschträume durchaus.

15. Abenteuer: Wie Franz den Badewannen-Tango sang - Südamerikanische Folklore

In Vilshofen nämlich und abermals am Aschermittwoch, diesmal 1971, meint Strauß: "Je länger das sozialliberale Regime (!) Bestand hat, desto mehr wächst die Gefahr, daß auch eine Wachablösung auf normalem, einwandfrei demokratischem Weg, schon durch die Aufhetzung von gewisser Seite her, zu einem schwierigen Problem, wenn nicht überhaupt zur Unmöglichkeit gemacht werden soll."

Auf den ersten Blick scheint dies bloß, zum wiederholten Male, die bekannte Unterstellung zu sein, die SPD wolle ihrerseits, wenn's soweit käme, einer Ablösung durch den Stimmzettel mit Gewalt sich widersetzen. Dies. wie gesagt, mag so scheinen. wäre da nicht der Halbsatz: "...schon durch die Aufhetzung von gewisser Seite her", in dem eben Straußens Befürchtung steckt, durch den Stimmzettel und nur durch den Stimmzettel sei diese SPD wohl nicht mehr von der Macht zu trennen. Wie aber sonst? Durch ein Vollbad? Zum Beispiel.

Denn: "Die Demokratie muß gelegentlich in Blut gebadet werden", meinte einst Franzens Freund, der General Augusto Pinochet Ugarte aus Chile.

16. Abenteuer: Wie aus Franz Strauß ein Prof. h. c. Dr. h. c. (Santiago de Chile) Franz Strauß wurde

Nachdem so mancher andere Freund des Franz inzwischen verschieden ist - wie z. 8. Generalissimus Francisco Franco Bahamonde aus Spanien oder Präsident Antonio Salazar de Oliveira aus Portugal - oder zumindest politisch bedeutungslos geworden ist - wie z. B. Oberst Georgios Papadopoulos aus Griechenland oder Dr. h. c. (Prag) Dr. h. c. (Warschau) Schah Mohammed Reza Pahlevi aus Persien - wird die Freundschaft mit dem chilenischen General umso kostbarer. Freundschaften wie diese muß man pflegen.

Strauß pflegte und beehrte vom 18. - 22. November 1977 General Pinochet mit seinem Besuch. Er nahm einen sehr guten Eindruck mit von diesem Land. Ihn beeindruckte der "innere Friede" und die "politische Stabilität" Chiles. Sehr positiv vermerkte er das Bemühen der Militärjunta, Chile zu einer dauerhaften und soliden Demokratie hinzuführen. Die Freiheit hingegen fand er bereits vor. Vor Chilenen deutscher Abstammung sagte er: "Sorgen Sie dafür, daß die Freiheit in Ihrem Lande erhalten bleibt."

"Strauß bewertete das Regime in Chile insgesamt als 'autoritär aber nicht als totalitär'. Die Chilenen seien von der politischen Willensbildung ausgeschlossen, außerhalb des politischen Bereiches hätten sie jedoch alle bürgerlichen Freiheiten. Jeder Chilene könne Pinochet kritisieren oder auch als Trottel beschimpfen. ohne daß dies aufgegriffen und gegen ihn verwandt werde. Insbesondere hob er hervor, daß die rechtsstaatliche Ordnung ungeschmälert funktioniere." (FAZ, 25. 11. 1977?. Verständlich, daß man soviel rechtspolitische Einsicht honorieren wollte - indem man Franz Strauß die Würde eines Ehrendoktors der Rechte und des Ehrenprofessors für chilenisches Recht verlieh.

17. Abenteuer: Wie Franz perverse Spiele spielt, ein bißchen

Auch der rührigste Bademeister der Demokratie braucht Gehilfen; Strauß hat seine CSU. Was ist die CSU? Sie ist "eine Partei, die dem Morgen verschrieben ist, und eine Partei, die eine Sammlungsbewegung zur Rettung des Vaterlandes ist." (Strauß auf dem CSU-Parteitag 1970 in Nürnberg.) Eine Partei, die manchmal auch widerspenstig ist und den Meister zürnen macht: "Ich habe die ewigen Abstimmungen vor jeder Entscheidung satt... Die Partei muß wie ein Mann hinter mir stehen." (Im Juni 1975). Eine Partei, die aber wiederum auch gelehrig ist, wenn man sie schilt: "Sag uns auch weiterhin, wie es geht, damit wir es tun, jetzt und für alle Zeit." Mit welchen Worten (auf dem Parteitag im September 1975) der damalige Ministerpräsident Goppel, stellvertretend für die ganze Partei, dem gestrengen Herrn demütig die Stiefel leckte. Es ist zwar schon ein bißchen eklig-klebrig, was manche Perverse in aller Öffentlichkeit treiben, aber, bitteschön, solange ihre Sado-Maso-Spiele auf freiwilliger Vereinbarung beruhen...

18. Abenteuer: Wie auch Heubl dem Herkules huldigt

Auf demselben Parteitag, im 75er Jahr, der 60. Geburtstag des strengen Meisters stand vor der Tür, steigerte ein gewisser Franz Heubl die erotischen Unterwerfungsrituale der CSU bis hin zur koprophilen Ekstase: "Wir feiern die Stärke Deiner Persönlichkeit, ihre Unwiederholbarkeit, Einmaligkeit, Besonderheit - einen Mann, auf den die Politiker in der Welt schauen, wenn sie auf die CSU schauen; denn alles wird von Dir bestimmt in der CSU, die Du bist, Du bist ein Urtalent der Politik, ein Herkules der Geschichte." ("Koprophil" heißt: "geil auf Scheiße")

Über diesen Heubl war ein Dossier geführt worden - in der Zeit vor diesem Erguß - welches dann bei Gelegenheit in die Öffentlichkeit lanciert worden war. Gedemütigt bis auf die Knochen - wie vor ihm schon Barzel und mit ihm und nach ihm Kohl - gab Heubl auf dem Parteitag nach dieser Demütigung durch Strauß die zitierte Ergebenheitsadresse für Strauß ab.

Aber, wie gesagt, solange die Kerle freiwillig den Fußschweiß des Franz Strauß zutzeln und niemand sonst zu gleichem Tun zwingen wollen...

19. Abenteuer: Was Franz zu roten Ratten rät

Als deutscher Staatsmann liebt unser Held natürlich auch Tiere; Schäferhunde etwa, aber auch Rautenlöwen und Schwarzrotsenfadler. Nur mit den Ratten, den roten vor allem, hat er's nicht so besonders. "Jetzt kommen sie wieder, die roten Systemveränderer, wie die Ratten aus allen Löchern heraus." Ist aber nicht wehrlos gegen dies Ungeziefer, der anständige Deutsche: "Was wir hier in diesem Land brauchen, ist der mutige Bürger, der die roten Ratten dorthin jagt, wo sie hingehören - in ihre Löcher."

Raus aus'm Loch, rein in's Loch. Gelangweilte Psychoanalytiker hätten ihre Kurzweil mit dieses Manne Franz.

20. Abenteuer: Wie Franz einmal aus dem Nähkästchen plauderte

Seit Tendenzen sichtbar sind, es könnte eines Tages das Machtmonopol der drei Bundestagsparteien angeknabbert werden, gibt es den Begriff der "Gemeinsamkeit der Demokraten". Erfunden hat ihn die Union; und Gewitztere im Lager der Sozialdemokraten argwöhnten schon längst, das Wort sei geschaffen, die SPD von ihrem linken Umfeld abzutrennen, allweil die CSU/CDU umso ungestörter die NPD sich einverleiben könnte. (Was beides - notabene - mittlerweile geschehen ist.)

Was sagt Strauß hierzu? Er sagt: "Und jetzt hier in demokratischer Gemeinsamkeit zu sagen, wir Demokraten in SPD/FDP und CDU/CSU, wir halten also jetzt nun zusammen in dieser Situation, hier müssen wir den Rechtsstaat retten - das ist alles blödes Zeug! Wir müssen sagen, die SPD und FDP überlassen diesen Staat kriminellen und politischen Gangstern. Und zwischen kriminellen und politischen Gangstern ist nicht der geringste Unterschied, sie sind alle miteinander Verbrecher. Und wir kommen und räumen so auf, daß bis zum Rest dieses Jahrhunderts von diesen Banditen keiner es mehr wagt, in Deutschland das Maul aufzumachen. Selbst wenn wir es nicht ganz halten können. Aber den Eindruck müssen wir verkörpern." Er sagte dies in Sonthofen, vor den CSU-Bundestagsabgeordneten. Und meinte weiter: "Da können wir nicht genug an allgemeiner Konfrontierung schaffen... Stichworte: wir kämpfen für die Freiheit, gegen den Sozialismus, für die Person und das Individuum, gegen das Kollektiv, für ein geeinigtes Westeuropa, gegen eine sowjetische Hegemonie über ganz Europa. Da muß man die anderen immer identifizieren damit, daß sie den Sozialismus und die Unfreiheit repräsentieren. daß sie das Kollektiv und die Funktionärsherrschaft repräsentieren und daß ihre Politik auf die Hegemonie der Sowjetunion über Westeuropa hinausläuft." Und wem eine hochverräterische Verschwörung der Bundesregierung zugunsten der Sowjetunion immer noch nicht reicht, dem bietet er weiteres an. "... Ich möchte wissen, wieviele Sympathisanten der Baader-Meinhof-Verbrecher in der SPD- und FDP-Fraktion in Bonn drinsitzen. Es ist ein ganzer Haufen."

Bekannt wurde diese vertrauliche Rede durch eine Indiskretion. Verwundern konnte sie niemanden, der Strauß kennt. "Der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß hat am Montag in München im Anschluß an eine Vorstandssitzung auf einer Pressekonferenz die Veröffentlichungen über seine Klausurrede in Sonthofen, die in den letzten Tagen großes Aufsehen ausgelöst hat, als 'alten Hut' bezeichnet. Er habe sich öffentlich schon wiederholt ähnlich geäußert, sagte Strauß. (SZ, 11. 3. 1975). Die Mär von der Gemeinsamkeit der Demokraten aber konnte auch diese Rede nicht aus den Hirnen wohlmeinender Sozialdemokraten treiben. Verwundern kann auch das niemanden, der die wohlmeinenden Sozialdemokraten kennt.

21. Abenteuer: Wie Franz die Bamberger Beischlaf-Affäre brovoziert

Olle Kamellen zum Schluß.

Über 50 Jahre sind es mittlerweile her, daß es - während des Wahlkampfes 1969 - in Bamberg zu einer APO-Demonstration vor dem Rathaus kam. Grausige Dinge geschahen dort, so grausig, daß Strauß ein Telegramm an den Ministerpräsidenten Goppel schickte: "Lenke Ihre Aufmerksamkeit auf die Vorgänge im Bamberger Raum... Diese Personen... benehmen sich wie die Tiere, auf die die Anwendung der für Menschen gemachten Gesetze nicht möglich ist..."

Der Deutsche Richterbund schrieb hierzu in einer Presseerklärung "Das Vokabular erinnert an Nazi-Zeiten. Auch Rechtsbrecher sind Menschen. Die Störung der öffentlichen Ordnung durch Gewalttaten erfordert gesetzmäßige Schutzmaßnahmen, aber die Ordnung ist - wie Bundespräsident Heinemann jüngst in Berlin sagte - kein Selbstzweck." Strauß hierauf, und von einer unbedachten Äußerung in momentaner Erregung kann längst keine Rede mehr sein, in einem Fernschreiben: "Hierzu bemerke ich, daß Mitglieder der Gruppe, die sich gern außerparlamentarische Opposition nennt... Verhaltensweisen zeigen, die sonst für Geisteskranke bezeichnend sind... Ich habe aber nicht verlangt, daß Leute, die sich wie Tiere benehmen, auch wie Tiere behandelt werden sollen. Ich habe lediglich festgestellt, daß die Anwendung der für Menschen gemachten Gesetze nicht möglich sei, weil diese Gesetze auch bei Rechtsbrechern noch mit Reaktionen rechnen, die der menschlichen Kreatur eigentümlich sind.... Es ist daher schwer verständlich, daß ausgerechnet der Deutsche Richterbund derartig menschenunwürdiges Verhalten zu rechtfertigen versucht und mich angreift, wenn ich mich bemühe, ein Mindestmaß an Autorität gerade der Justiz zu erhalten."

Strauß bekräftigt also seine Aussage, ja er verstärkt und verschärft sie noch. (Von dem merkwürdigen Bilde, das unser Held von Geisteskranken hat, wollen wir hier mal schweigen.) Und wieder der Richterbund: "Ihre von uns kritisierte und auch in Ihrem Fernschreiben wiederholte Auffassung, daß die von Ihnen genannten Verhaltensweisen 'die Anwendung der für Menschen gemachten Gesetze nicht möglich' macht, impliziert die Aufforderung zu einer außergesetzlichen Verfolgung. Gegen die Auffassung, daß bestimmte Gruppen unseres Volkes - und mögen sie sich auch gesetzwidrig verhalten - rechtlos gestellt werden sollen, müssen wir uns jedoch im Interesse der Rechtsstaatlichkeit wehren, dies zumal nach den bitteren Erfahrungen, die im 'Dritten Reich' mit dem Ausschluß bestimmter Gruppen der Bevölkerung vom Schutz der Gesetze gemacht worden sind."

Und was war geschehen, welch grausige Untat, daß es die Täter nach Straußens Meinung außerhalb jeglicher Rechtsordnung stellte?

"Im Beisein von etwa zweihundert Personen treibt ein APO-Mädchen innerhalb weniger Minuten mit zwei Männern aus der Gruppe Geschlechtsverkehr", weiß der "Bayernkurier" zu berichten und Strauß erzählt von einem Geschlechtsverkehr, den, so Strauß, "wie es nachweislich ist, eine Studentin mit kurzfristig wechselnden Partnern vor der Öffentlichkeit, darunter Kindern von drei bis sechs Jahren" vollzog und bißchen später spricht er sogar von einem "Geschlechtsverkehr auf offener Straße".

Diese Schilderung des Vorganges ist soweit richtig, im Prinzip.

* Aber es geschah nicht "auf offener Straße", sondern abends auf einer dunklen Wiese und konnte überhaupt nur beobachtet werden, weil Polizisten mit Handscheinwerfern die Szene ausleuchteten.

* und es waren nicht "kurzfristig wechselnde Partner", sondern nur ein Paar

* und auch dies eine Paar trieb keinen Geschl-ächz-verkehr, sondern küßte sich; und selbst dieses nicht des Genusses wegen, sondern um die umstehenden und sorgfältig die Szene ausleuchtenden Polizisten zu provozieren.

Plopp! Seifenblase putt.

Artikel aus.

Donnerstag, 5. Mai 2022

Zwanzig Turbinen

Der Kollege Shakespeare hatte einst geschrieben, es gebe mehr Dinge zwischen Himmel und Erde als unsere Schulweisheit sich träumen lasse. Da ist was dran, mir fällt zu diesem Thema die Oper "Rinaldo" von Georg Friedrich Händel ein.

Die Oper ist von 1711, das Originallibretto ist von Giacomo Rossi in italienischer Sprache. Die Oper selbst ist nicht mehr so rasend bekannt, zwei Arien daraus sind aber über die Maßen berühmt geworden. Die eine ist Lascia ch'io pianga / Mia cruda sorte (Lass mich beweinen / Mein grausames Schicksal).

Diese Fassung ist aus dem Film Farinelli, der Kastrat von 1994. Da es heute - gottlob! - keine hochmusikalisch ausgebildeten Kastraten mehr gibt wurde für den Film die Singstimme Farinelli elektronisch gezaubert. Der US-amerikanische Countertenor Derek Lee Ragin einerseits und die polnische Koloratursopranistin Ewa Małas-Godlewska andererseits sangen die Partien und die Aufnahmen wurden dann elektronisch gemischt.

Das andere Gustostückerl aus dieser Oper ist die Arie Venti Turbini (Zwanzig Turbinen).

Das Bemerkenswerte daran ist der Umstand, daß in der Entstehungszeit der Oper (1711, wie erwähnt) an Turbinen noch gar nicht zu denken war. Zwar hatte der Schweizer Mathematiker Leonhard Euler 1707 - 1783 noch im 18. Jahrhundert mit der Eulerschen Turbinengleichung die theoretischen Grundlagen für die Entwicklung von Turbinen gleich welcher Art gelegt, aber erst 1827 ist es dem Ingenieur Benoît Fourneyron gelungen, die erste Wasserturbine zu entwickeln, die wirklich funktionsfähig war. Und die Turbine, wie wir sie heute kennen wurde 1912 von Viktor Kaplan erfunden.

Bis heute haben weder Musik- noch Wissenschaftshistoriker eine Erklärung für dieses verblüffende Vorauswissen von Giacomo Rossi gefunden. Die von Experten bevorzugte Theorie eines Besuchs von Außerirdischen konnte zwar nicht bewiesen werden, scheint aber die einzig mögliche Theorie zu sein.

Mittwoch, 4. Mai 2022

Sexy

Ein ausgesprochen alltägliches Bild. Eine Frau [1] sitzt auf einem Stuhl an einer nicht weiter interessanten Meerespromenade, raucht eine Zigarette und gestikuliert dabei lebhaft mit den Händen. Keine allzu junge Frau mehr, keine ungewöhnlich attraktive Frau, gekleidet in bequemen und keinesfalls auf sexuelle Attraktivität spekulierenden schlabbrigen Klamotten.

Und doch: Ich kann mir nicht helfen, dieses Bild wirkt auf mich unheimlich sexy.

Woran kann es liegen? Vielleicht an der männlichen Sitzhaltung mit den weit geöffneten Schenkeln. Eine Sitzhaltung, die man tatsächlich fast nur bei Männern oder dann wiederum bei alten Frauen findet. Wahrscheinlich aber liegt es vor allem daran, daß ich eine Vorliebe für abgebrezelte Frauen habe. "Abgebrezelt" heißt "naturbelassen": Schlabbrige Kleidung, keine Schminke, kein Ohrringerl, kein Halsketterl, kein Fingerringerl, kein Dingsbumserl... bloß eine Frau. Im Zweifelsfall darf sie auch nackt sein, ich bin da nicht dogmatisch.

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[1]   Daß es sich laut Bildunterschrift in der Originalzeitung um Isabella Rossellini handelt, die Tochter von Roberto Rossellini und Ingrid Bergmann, spielt keine Rolle.

Dienstag, 3. Mai 2022

Das Hohelied vom Braven Franz 1

Nachts auf der Straße ausgeraubt zu werden, ist ein Mißgeschick, das jedem von uns passieren könnte. Auch ein Straßenraub, - der nachts um halb drei in der Nähe des New Yorker Central Parks von Nutten begangen wird, sähe so manche von uns noch als potentielle Opfer. Vorausgesetzt natürlich, wir würden uns dort zum Schnallentreiben [1] entschließen; und wären tollkühn genug, mitten im Herzen der Haupt-Stadt unserer Freien Welt nachts noch auf die Straße zu gehen.

1. Abenteuer: Wie Franz einmal einen Freibrief für Verbrechen ausstellte

Unser Held - und hier enden alle Parallelen zwischen uns halbwegs gesetzestreuen Normalbürgern und ihm - unser Held also entzog sich seiner Pflicht, an der Aufklärung und Bestrafung eines Verbrechens mitzuwirken.

Weigerte sich, an der Gerichtsverhandlung als Zeuge aufzutreten und zwang so die Behörden, das Verfahren unverrichteter Dinge einzustellen. Klar, daß der Richter sauer war:

"Richter Lane bezeichnete es als eine Ironie, daß in der Zeit der ständig zunehmenden Straßenkriminalität der Hauptzeuge eines Verbrechens, nämlich das Opfer selbst, nicht vor Gericht erscheinen wolle. Wenn jedermann diesem Beispiel folgen würde, wäre dies gleichbedeutend mit der Ausstellung eines Freibriefes zum Begehen von Verbrechen! Seine Entscheidung ist unglücklich, denn abgesehen von der Negierung der ausgezeichneten Arbeit der Strafverfolgungsbehörden ist es ein sehr schlechtes Beispiel für den gewöhnlichen Bürger." (SZ vom 20. 1. 1972)

2. Abenteuer: Wie aus Franz ein Franz Josef und aus diesem dann ein Dr. Franz Josef wurde

Der Mensch, von dem hier die Rede ist, hatte einen Ruf als einer der härtesten und entschiedensten Law-and-order-Männer, die diesen von uns bewohnten Landstrich unsicher machen. Im Taufverzeichnis des Standesamtes, beim polizeilichen Melderegister und im "Handbuch des Deutschen Bundestags" von 1949 ist er als "Franz Strauß, geb. am 6. 12. 1915 in München" aktenkundig. Allseits bekannt - aus Film, Funk und Fernsehen - ist er aber unter seinem Künstlernamen "Dr. Franz Josef Strauß". Die Buchstaben "D" und "r" mitsamt dem abschließenden Punkt hat sich der gelernte Lateinlehrer auf dem Zweiten Bildungsweg erworben, durch ein Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Innsbruck. Den zweiten Vornamen "Josef" hat er sich irgendwann im Laufe seiner Karriere einfach zugelegt - vermutlich des Wohlklangs wegen.

3. Abenteuer: Wie die Börse einmal fieberte vor Sehnsucht nach Franz

Er hat eine Vergangenheit, die ausreichen würde, einer ganzen FDP-Landtagsfraktion politisch den Hals zu brechen. Nicht nur, daß er diese Vergangenheit schadlos überstanden hat und schließlich zum Ober-Bayern wurde, lange Zeit schien es, daß er auch noch eine Zukunft vor sich habe. Und während man im Herbst 1980 in den Kellern, wo die roten Ratten hausen, schon mal schwitzte vor Angst hatte die Börse längst auf den frischgekürten Kanzlerkandidaten reagiert: mit einer "Strauß-Hausse" auf dem deutschen Aktienmarkt, kaum daß die Nachricht von seiner Nominierung die Runde gemacht hatte. In fiebrig-freudiger Erwartung sehnte man den Tag herbei, da ein Kanzler Strauß sich evtl. anschicken würde, den Couponschneidern die Rendite zu sichern, noch besser zu sichern als man dies vom Kanzler Schmidt gewohnt gewesen war. In diesen Kreisen weiß man nur zu genau, was man an ihm hat, dem Franz. Oberhalb der jährlichen hunderttausend DM-Grenze herrscht ein Klassenbewußtsein, von dem die Arbeiterbewegung in Restdeutschland nur träumen kann.

4. Abenteuer: Wie der große Franz noch ein kleines Würstchen war im Großen Verein

Der 1915 geborene Strauß war alt genug für eine 1000jährige Vergangenheit. Frappierend dabei ist allerdings, daß jemand mit solcher Nazi-Vergangenheit in dieser Republik derart hoch steigen kann, wie es Franz Strauß getan hat.

Globke hatte als Rechtsgelehrter die Nürnberger Rassengesetze NS-konform kommentiert und ist dann bei Adenauer bloß Staatssekretär im Kanzleramt geworden. Kiesinger war immerhin in der reichsdeutschen Ministerialbürokratie loyal tätig, ehe er es dann zum Ministerpräsidenten und Bundeskanzler gebracht hatte. Filbinger gar mußte als Militärrichter mit Blut auf dem Latz wirken um später Ministerpräsident werden zu können. Und auch Carstens konnte als Befähigungsnachweis für das Bundespräsidentenamt neben seiner Mitgliedschaft im Großen Verein auf treue Dienste in der großdeutschen Ministerialbürokratie verweisen. Dagegen Franz:

1937 dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) beigetreten (einer Untergliederung der marxistisch-bolschewistischen Weltverschwörung, wie uns dem Strauß sein Stoiber und dem Stoiber sein Sauter schon mal weiszumachen versucht hatten); im selben Jahr auch Eintritt in das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK), woselbst er beim Sturm 23/M 6 in München "weltanschaulicher Referent" wurde. Damit ist seine NS-Vergangenheit auch schon vollständig aufgezählt. Weit war es gekommen mit dieser Republik, daß damals schon kleine Mitläufer beim großen Holocaust-Spiel nach dem wichtigsten Staatsamt greifen durften. Der NSDAP-Präsident Karl Carstens hätte sich eines simplen NSKK-Kanzlers an seiner Seite ewig schämen müssen. Nachfolger von Helmut Schmidt wurde dann Helmut Kohl, gesalbt mit der Gnade der späten Geburt.

Was viele nicht wissen: Helmut Kohl ist wie Strauß gebürtiger Bayer. Als er 1930 in Ludwigshafen geboren wurde, war die linksrheinische Pfalz noch Teil von Bayern, erst 1945 wurde sie durch ein Arrangement der Alliierten Besatzungsmächte der französischen Besatzungszone zugeschlagen und schied 1946 aus dem bayerischen Staatsverband. 1956 gab es ein Volksbegehren zur Wiedervereinigung des Gebietes mit Bayern, das aber - wir wissen es alle - scheiterte.

5. Abenteuer: Wie Franz einmal ein Atom-Ei legte

Nachdem dann vorerst Schluß war mit dem Nazi-Spielen und Völkermorden wurde Franz Strauß Landrat von Schongau; auch Gründungsmitglied der Christlich-Sozialen Union, seit 1949 ihr Generalsekretär. Als dem Widerstand von KPD und CSU zum Trotz (beide hatten im Parlamentarischen Rat gegen das Grundgesetz gestimmt) die Verfassung in Kraft getreten war, zog Franz Strauß als Abgeordneter in den 1. Deutschen Bundestag ein. Seit überhaupt Strauß-Biographien geschrieben werden, hat es sich eingebürgert - und durchaus als sinnvoll erwiesen - das Leben des zu beschreibenden Helden einzuteilen in Affären. Wie die Jahresringe von Bäumen markieren sie natürliche Einschnitte in den Fluß der Zeit. Wobei die Zählung gemeinhin beginnt mit der HS 30‑Affäre (die jeweils letzte aufgeführte Affäre hängt natürlich ab vom Erscheinungsjahr des Buches). Wenig - oder gar keine Erwähnung findet deshalb Straußens Amtszeit als "Bundesminister für Atomfragen" von 1955 - 1956 (nachdem er zuvor bereits Bundesminister "ohne Geschäftsbereich", dann einer "für besondere Aufgaben" gewesen war). Dieser Strauß'schen Amtszeit verdanken wir die Einführung der friedlichen Kernenergienutzung in der Bundesrepublik. Eine Errungenschaft, die erst viel später im Bewußtsein der Öffentlichkeit zum Ärgernis wurde. Obwohl der Startschuß in's Atomzeitalter möglicherweise die folgenschwerste Tat von Franz gewesen ist, können wir ihm gerade diese Hinterlassenschaft subjektiv am wenigsten vorwerfen: Bis auf ein paar schlaue Leute wollte 1955 jeder Atomkraftwerke.

6. Abenteuer: Wie Franz einmal sehr nett war zu einigen Bayernparteilern - und zu anderen ganz böse

Die Frage allerdings, ob dieses Atom-Ei nun als seine erste Affäre zu zählen ist oder nicht, erübrigt sich ohnehin, da Franz bereits 1950 als Skandal-Onkel debütierte; als er nämlich in die sogenannte "Hauptstadt-Affäre" verwickelt war. Es ging darum, daß eine Reihe von Abgeordneten der Bayernpartei, entgegen ihrem gerade gefaßten Fraktionsbeschluß, für Bonn als der provisorischen Hauptstadt der BRD gestimmt hatten, hierzu motiviert durch Geldzuwendungen von Seiten der CSU. Zwar konnte die Affäre - wie so viele politischen Affären - nie restlos aufgeklärt werden. Fest steht aber, daß die Bayernpartei-Abgeordneten Geldgeschenke von der CSU erhalten hatten - kleine Aufmerksamkeiten im Bereich zwischen 10.000 und 20.000 DM pro Nase, was damals eine Menge Geld war. Die Verhandlungen mit den zu Beschenkenden führte der nachmals selbst so reichlich beschenkte Franz Strauß, CSU-Generalsekretär damals noch.

Verdienste um seine Partei hatte sich Strauß auch erworben, als es ihm gelungen war, die rivalisierende, weil aus dem gleichen Wählerpotential schöpfende Bayernpartei bis zur Bedeutungslosigkeit zu zerschlagen. Ihre führenden Funktionäre integrierte er entweder voll in die CSU oder - so sie sich widerborstig zeigten - er ruinierte sie politisch und sogar in ihrer bürgerlichen Existenz - geschehen mit den Opfern der sogenannten "Spielbanken-Affäre".

7. Abenteuer: Wie Franz schließlich rausfand, daß Nehmen doch habseliger ist als Geben und auch danach handelte

Ein Anfang war also gemacht mit Affären und Strauß fand Gefallen an seinem neuen Hobby.

Kaum war er 1956 Verteidigungsminister geworden, bestellte er riesige Mengen Schützenpanzer bei der Schweizer Firma HISPANO SUIZA. Bei einem Laden, der allerlei Tötezeug und Kriegsgerät schon gebaut hatte bis dahin, nur eben keine Schützenpanzer. Das eben bestellte Modell HS 30 schon gar nicht; nicht mal als Prototyp. Der Verdacht, daß hier Freunde sehr lieb zueinander gewesen waren und sich gegenseitig reich beschenkt hatten, wurde schon bald laut, konnte aber - das alte Lied - nie ganz geklärt werden. Geklärt werden konnte allerdings, und dies mit jeder nur wünschenswerten Deutlichkeit, daß die dann gelieferten Panzer im Gesamtwert (besser: zum Gesamtpreis.) von 2,5 Milliarden DM (zweitausendfünfhundertmillionen Deutsche Mark) einen Dreck taugten. Und 2,5 Milliarden DM waren damals noch ein Geld.

Zwei Jahre darauf bestellte er den Starfighter. Diesmal - ein Fortschritt, immerhin - bei einer Firma, die zuvor schon mal Flugzeuge gebaut hatte, bei Lockheed. Der Starfighter speziell allerdings wurde von Lockheed noch gar nicht produziert, war, in der von der Bundesrepublik Deutschland gewünschten Form, auch 1964 noch nicht einsatzreif. Und als dann schließlich der Starfighter seinen Dienst tat, hielt er genau das, was man zum Zeitpunkt seiner Beschaffung schon von ihm erwarten durfte: er erwies sich als ein rechts Glump, allen Verbesserungen zum Trotz. 200 abgestürzte Maschinen bis jetzt, 100 tote Piloten und das kleine Wunder, daß keines dieser Dinger auf eine Stadt geplumpst ist.

8. Abenteuer: Wie Franz einmal dem Evangelist Johannes eine Empfehlungsepistel schrieb

Und abermals 2 Jahre später war Strauß wiederum nett zu seinen Freunden, gab ihnen - als Minister - ein Empfehlungsschreiben mit auf den Weg. Seine Freunde waren diesmal der Passauer Verleger Dr. Johann Evangelist Kapfinger und hinter diesem ein "phos­pho­res­zie­ren­der Kometenschweif höchst zweifelhafter Existenzen" (so der CDU-Ab­ge­ordnete und ehemalige Bundesanwalt Max Güde im Bundestag). Unterkünfte für die amerikanischen Streitkräfte in Deutschland wollten sie bauen, Kapfinger und seine Freunde, und gründeten zu diesem Zweck die "Finanzbau Aktiengesellschaft" (FIBAG). Strauß, ein guter Freund zu jeder Zeit, empfahl sie weiter an seinen amerikanischen Kollegen. Eine Hand wusch solcherart die andere; das ist aktenkundig. Ungeklärt aber ist, ob auch die andere Hand der einen ihren Liebesdienst vergolten hat - durch Waschung, Salbung, Schmierung ihrerseits.

9. Abenteuer: Wie Franz einmal ganz entspannt war in spannungsreicher Zeit

Als die Gefahr eines direkten bewaffneten Konfliktes zwischen den Supermächten so groß war wie nie zuvor und seither nicht wieder, war Strauß immer noch Verteidigungsminister. Und als in der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober 1962 die Krise ihren Höhepunkt erreichte, als sowjetische Frachter mit Atomraketen für Kuba an Bord geradewegs auf den Blockadering der Amerikaner zufuhren - war Strauß auf einem Empfang in Schloß Brühl, allwo er Alkohol in jeglicher Gestalt und fast beliebiger Menge inhalierte. Bayerische Folklore halt in ihrer feuchtesten Form. Zunächst bloß angetrunken, pöbelte er recht grob - und also wiederum weißblau-folklorisch - die anwesenden sozialdemokratischen Parlamentarier an, wünschte gar den späteren Justizminister Jahn an den Galgen. In den frühen Morgenstunden dieser Krisennacht fand man dann den Befehlshaber der Bundeswehr in einem Gebüsch des Schloßgartens - stockbesoffen und "in einem erbärmlichen Zustand". Nun mag man sagen: Was soll's? Was könnte uns denn Besseres passieren, als daß Strauß in der Stunde der Entscheidung besoffen im Busch liegt? Besser dort, jedenfalls, als auf seinem Amtssessel. Da ist was dran, doch. So gesehen ist die "Kuba-Krisen-Suff-Affäre" gar keine Affäre gewesen, sondern eine Chance, die ungenutzt vertan wurde.

10. Abenteuer: Wie Franz einmal eine Grube aushob und schließlich selbst reinfiel

SPIEGEL und Strauß hatten sich noch nie gemocht. Es war der SPIEGEL, der die FIBAG-Affäre enthüllt hatte; es war der SPIEGEL, der den Skandal um "Onkel Aloys" Brandenstein aufgedeckt hatte (eine Strauß'sche Klein-Affäre, auf die aus Platzmangel nicht näher eingegangen wird. Ebensowenig wie auf die Fälle des Oberstleutnants Barth, des Polizeihauptwachmeisters Hahlbohm - beides Strauß-Geschädigte - und des Rechtsanwaltes und Julius-Streicher-Freundes Dr. Peter Deeg - ganz entschieden ein Strauß-Begünstigter. "Klein" waren diese Affären natürlich nur im Vergleich; jede von ihnen hätte ausgereicht, einen Durchschnittspolitiker um Amt und Würden zu bringen).

Im Oktober 1962 nun erschien der SPIEGEL mit einem Artikel über die Bundeswehr, in welchem schwerwiegende Mängel in der konventionellen Ausrüstung der Bundeswehr aufgedeckt wurden. Die Behauptung, daß die Bundeswehr ein nur bedingt abwehrbereiter Sauhaufen sei, wurde nicht als polemischer Angriff gegen den verantwortlichen Verteidigungsminister aufgefaßt, sondern - die Behauptungen trafen also zu - als Landesverrat.

Als "Abgrund von Landesverrat" gar, wie Adenauer damals raunte. Augstein wurde verhaftet, die Redaktions- und Wohnräume durchsucht, der Redakteur Conrad Ahlers auf Veranlassung von Strauß in Spanien verhaftet. Eine Maßnahme, die einzuleiten Strauß keinerlei Befugnis hatte. Dies und die Tatsache, daß er in Sachen SPIEGEL Affäre wenig später den Bundestag kräftig angelogen hatte, hat ihn erstmal zu Fall gebracht, für paar Jahre wenigstens. Es waren die FDP-Minister im Kabinett Adenauer gewesen, die den längst untragbar gewordenen Kollegen nicht mehr tragen wollten und auch die CSU/CDU-Fraktion zwangen, Strauß zum Rücktritt zu drängen.

Weiter geht's demnächst. In diesem Theater.

Wird Franz noch einmal den Weg nach oben schaffen?


[1]   Bairisch, derb, für "Umgang mit Prostituierten pflegen".