Der in
Stuttgart-Cannstatt gebürtige Schriftsteller Dr. Hans Bayer veröffentlichte seine lustigen, häufig mundartlichen Arbeiten
unter dem Namen Thaddäus
Troll. Mir sträuben sich bei so einem Gedanken sämtliche Nackenhaare, denn
ein Autor lustiger Bücher sollte sich nie, nie, nie einen lustigen Namen als
Pseudonym zulegen. Das ist einfach zu viel, das ist humoristischer Overkill. Wilhelm Schüttelspeer zum Beispiel, wer
lacht da heute noch, wenn er den Namen dieses Schnulzendichters hört? Oder Gottfried Gscheidle, der die launigen
unter seinen Gedichten unter dem Namen Hölderlin
veröffentlichte. Affig!, das.
Aber gut, was reg ich mich auf.
Wovon ich erzählen wollte ist: Dieser Thaddäus Troll hatte
1974 ein Aufklärungsbuch für Kinder von Peter Mayle
aus dem Englischen übersetzt und bearbeitet und zeitgleich auf Schwäbisch und Hochdeutsch
veröffentlicht (geschäftstüchtig war er schon, Respekt). Die Sache mit den
Blumen und den Bienen ist relativ einfach erzählt, aber wie erkläre ich einer
Siebenjährigen was ein Orgasmus ist? Thaddäus Troll (eventuell vorher schon
Peter Mayle) hatte eine wunderbare Idee. Orgasmus müsse sich das Kind, so
schrieb er, ungefähr vorstellen wie heftiges, ungebremstes Niesen, nur viel,
viel schöner. Diese Botschaft kommt rüber.
In Läden kann es dir passieren, daß der Verkäuferin auf dich
zukommt und dich frägt: "Kann ich Ihnen irgendwie helfen?" oder
"Womit kann ich Ihnen helfen?" Manchmal lasse ich dann meinen
gramgebeugten Nacken noch weiter zusammensacken und ich antworte abwinkend,
resignativ: "Mir kann keiner mehr helfen." Das ist dann jedes Mal ein
Lachen und Jauchzen.
Die zu Recht weitgehend unbekannte Wochenzeitung "der
Freitag" veröffentlichte zuzeiten mal ein Interview mit mehreren jungen
Leuten über
deren Sexualleben. Der Artikel hat die ausgesprochen arrogante Überschrift
"Wir kommen anders". - Daß aber auch
jede Generation meint, sie habe das Rad, oder meinetwegen auch den Sex, neu
erfunden.
Ganz am Anfang wird ein Aufklärungsbuch empfohlen:
Gerade ist wieder
eines erschienen: Make Love (Verlag Rogner & Bernhard, 22,95 Euro)
Das Aufklärungsbuch, respektive sein Titel macht deutlich,
wie verschwiemelt das Verhältnis zumindest der jüngeren Leute zum 6 anscheinend
immer noch ist. Das Buch ist, nota bene, keine Übersetzung aus dem Englischen,
sondern ein deutscher Originaltext, jedenfalls schließe ich das aus den Namen
der beiden Autorinnen Ann-Marlene Henning
und Tina Bremer-Olszewski.
Und der Titel ist nicht "Mach Liebe", "Liebe
machen", "Gamsen",
"Schnackseln", "Vögeln", "Bumsen" oder "Ficken",
sondern "Make Love". Du
meine Güte, kaum geht's um 6, schon sträuben sich die Federn und die Autoren
(oder der Lektor oder der Verlag oder alle zusammen) flüchten sich ins keusche
Englisch, so wie man sich zu Willems Zeiten in's keusche Latein flüchtete [1].
Wer führt nicht alles nonchalant den motherfucker
im Mund, während er beim Mutterficker entsetzt zusammenzucken würde.
Beim Abtippen trieb es
dem Redakteur über so viel Offenheit zunächst die Schamesröte ins Gesicht...
Ach, wie rührend. Der Redakteur tippt das Band ab, nicht die
"jüngste Mitarbeiterin".
...am Ende aber war er
auffallend beschwingt und zuversichtlich, dass hier eine Generation
heranwächst, die genauso unsicher, genauso sehnsüchtig, genauso neugierig ist
wie alle vorherigen auch.
Alles andere wäre auch höchst
erstaunlich gewesen.
Und dann geht's um's Erste Mal.
Juri:Bei mir war es ein unfassbar unromantischer One-Night-Stand. Ich war
in einem Club, wir haben getanzt und uns geküsst und sind irgendwann zu ihr.
Ich weiß nicht einmal mehr, wie sie hieß oder wie es war.
Juri war zum Zeitpunkt des Interviews 19 Jahre alt und
möchte mal später eine Familie gründen, wie er sagt. Wenn der jetzt schon so an
präseniler Demenz leidet, dann mag ich ihn mir gar nicht mit 50 vorstellen.
"Wie?" wird er entsetzt rufen, wenn ihn seine Frau an die ehelichen
Pflichten (das Abspülen und Rasenmähen) erinnert, "Ich bin verheiratet?
Wie konnte das nur passieren?" Und dann wird er rätseln, wie seine Frau
heißt und ob er ein oder zwei Kinder hat. (Der Kinder wegen hoffe ich, er werde
kinderlos bleiben.)
Robert: Wenn man sich nicht kennt, dann mit Kondomen.
Wenn man sich kennt, braucht man kein Kondom? Weil dann die
AIDS-Viren so freundlich sind, nicht zum anderen rüberzuschwimmen? O sancta
simplicitas! Ob ich ein Kondom brauche oder nicht hängt von der Art der
Beziehung ab: Bin ich treu und kann ich dem Partner vertrauen, daß er treu ist?
Charlotte: Ich glaube, in
der Vorstellung meines Vaters bin ich vier Jahre alt, habe ein rosa Kleidchen
an und eine Schultüte in der Hand – der würde es nie verstehen, dass ich
inzwischen Sex habe.
Kinderchen, es wird euch schockieren, aber ich bin jetzt mal
ganz offen mit euch: Eure Eltern hatten auch schon mal Sex (ich vermute fast,
sie haben ihn immer noch). Die fallen nicht ohnmächtig vom Stuhl, wenn sie
hören, eine 19jährige hätte schon mal geschnackselt.
Maike: ...aber was haben denn Pornos mit Aufklärung zu tun? Die sind doch total
realitätsfern!
Juri: Ja, klar, ich weiß. Aber trotzdem ist man doch dadurch viel früher
mit Erotik in Berührung gekommen und hat sich dann rasch informiert, oder?
Oder. In den ganz alten Zeiten, als der Uropa noch einen
Bauernhof hatte, haben die Kinder den Hahn beim Besteigen der Henne beobachtet.
In den alten Zeiten, als der Papa schon in die Stadt gezogen war, haben die
Kinder bemerkt, daß der Hund zweimal im Jahr wepsig wurde und - so sich
Gelegenheit bot - die Hündin bestieg.
Der HABICHT fraß die
WANDERRATTE,
nachdem er sie
geschändet hatte.
Abgesehen davon meldet sich die Erotik, vulgo: Geilheit,
ganz von selber. Wenn's den Porno zum Schnackseln bräuchte, dann gäbe es uns
Menschen schon lange nicht mehr.
Juri: Was ich im Porno immer absurd finde: dass der Mann, kurz bevor er
kommt, den Sex abbricht und sich über die Frau kniet, um ihr ins Gesicht zu
spritzen. Darauf wäre ich nie gekommen.
Im echten & wahren Leben hat das etwas damit zu
tun, daß Sex eine schmutzige, glitschige und schleimige Sache ist - oder doch
zumindest sein sollte. Touch-a, touch-a, touch me, I wanna be
dirty
Im Porno ist es des öfteren eine Sache der
Qualitätssicherung. Der Kunde soll sich mit eigenen Augen davon überzeugen, daß
der... äh, Künstler nicht simuliert, sondern wirklich und tatsächlich
abspritzt. Ich mein, im Theater ist es ja auch selbstverständlicher Standard,
daß Hamlet den Polonius wirklich absticht.
Maike: So geht es mir auch. Habt ihr eigentlich einen Trick, damit ihr nicht
zu früh kommt?
Robert: Naja, ich stelle mir dann Frauen vor, die mir nicht gefallen. Oder ich
denke an ein mathematisches Problem. Ich will ja nach dem Sommer mein
Informatikstudium beginnen und da gibt es genügend Fragestellungen, die einen
ziemlichen ablenken können.
Hl. Muttergottes von Tschenstochau! Dem Inschenjör ist doch
wirklich nix zu schwör.
Charlotte: Die besten Orgasmen meines Lebens habe ich vorgetäuscht!
Das ist ein Satz, den sollte man sich ins Kissen häkeln.
Charlotte: Also ... äh ... ich muß gestehen, ich habe wahnsinnig selten einen Orgasmus.
Und dafür all die Mühe?
Janina: Und wie ist es, wenn ihr keinen hochkriegt?
Juri: Das ist mir mal passiert, als ich sehr viel getrunken hatte. Am
nächsten Morgen war mir das wahnsinnig peinlich
Wenn du einen erigierten Schwanz brauchst, um eine Frau zu
befriedigen, bist du ohnehin die allerärmste Sau. Hast du nicht Zunge, Finger,
Arme, Beine, Zehen?
Leute, die Lüneburger Fickverordnung von 1387 ist nicht mehr
rechtsverbindlich in der Bundesrepublik Deutschland.
Du rammst ihn rein,
Du ziehst ihn raus,
Du rammst ihn rein,
fallera
Und ziehst ihn raus, fallera
Maike: Im ersten Moment denkst du als Frau: Lag es an mir?
Eine Form von Größenwahn.
Charlotte:Ich bin bei Frauen seltsamerweise viel kritischer. Bei Männern, finde
ich, geht alles: Die können superdünn sein oder etwas dicker, sehr behaart oder
kaum.
Die Tante
Jolesch hat gesagt: "Was ein Mann schöner is wie ein Aff, is ein
Luxus."
Abschließende
Bemerkung:
Hinzu kommt kapitalistisch
anmutender Leistungsdruck. Die Mädels sorgen sich um ihre Kurven, die Männer um
ihre Performance.
Sex findet nicht im luftleeren Raum statt. Vor den Sex haben
die Götter den Club gesetzt. Im Club will man sich amüsieren, will Spaß haben.
Fein. In den alten, längst vergangenen Zeiten hat das Amüsement gedauert, so
lange es eben gedauert hat. Wurde man müde (auch für einen jungen Menschen
keine Schande am Freitagabend um 2 Uhr nachts), dann ging man eben heim, mit
oder ohne Aufriß. Heute pfeift man sich Aufputschdrogen ins Hirn, um das
Amüsement bis in den Morgen durchzustehen.
"Durchstehen", das klingt nicht nur nach Stalingrad, das ist Stalingrad. Vergnügen ist zum Kampf
geworden, so hart und grausam wie das Berufsleben. Man verläßt die Fabrikhalle
mit ihrem stampfenden Rhythmus der Maschinen und stapft in den Club, die Disko,
um sich dort dem stampfenden Rhythmus von Techno-Music (richtig: Techno)
auszusetzen. Pardon wird nicht gegeben, wer nicht mitmacht, ist draußen, das
gnadenlose Gesetz des Dschungels. Vergnügen wird zur freudlosen Fortsetzung des
freudlosen Alltags. Hektik, Streß, Erotik. Hauptsach, keiner kommt zu sich.
Den Film "Ritter Orgas muß mal wieder" gibt's wirklich. Wer's nicht
glaubt soll googeln. Wie aber spricht der HErr: Selig sind die, die
nicht googeln und doch glauben.
In einem ansonsten
durchaus löblichen Artikel
zum Thema Billiglohn hat Verena Schmitt-Roschmann vor etlichen Jahren im
FREITAG folgendes geschrieben:
"Es ist ein künstlich geschaffenes Billigproletariat ohne Rechte, das
für uns Arbeit erledigt, die uns nichts wert ist."
Diese Aussage ist teils richtig. Was mich an dem Satz aber zusammenzucken läßt,
das ist die Wortwahl. Da ist zum einen das Billigproletariat,
da sind zum anderen "wir",
die wir Leistungen entgegennehmen, die uns
nicht viel wert sind. Wo verläuft die Trennlinie zwischen uns und denen?
Wer ist eigentlich dieses "wir"? Sind wir die Unternehmer, die ihren
Schnäppchen-Proleten zu wenig Lohn zahlen? Ich gebe zu Protokoll, daß ich nicht
zu diesem Wir gehöre. Oder sind wir die Staatsbürger? Und wer sind dann die
Billig-Proletarier, wenn wir ja
schon die Staatsbürger sind?
Vor vielen, vielen Jahren hat mal Hermann L. Gremliza in der
"konkret" einen Artikel aus der ZEIT zerlegt. Der ZEIT-Artikel hatte
die Überschrift "Der Arbeiter, das unbekannte Wesen" (oder so
ähnlich). Im Artikel selber hatte der Autor geschrieben, es werde derzeit viel
über den Arbeiter geschrieben und geredet, kaum einer aber kenne den Arbeiter
wirklich.
Gremliza hat nun sehr sarkastisch drauf hingewiesen, daß die Arbeiter die
Mehrheit der Bevölkerung stellten. Wer nun behaupte, kaum einer kenne den
Arbeiter, der konstruiere sich eine Gemeinschaft, eine Allgemeinheit, in
welcher Arbeiter nicht vorkämen, bzw. nur als außerhalb der Allgemeinheit
stehende Gruppe. Denn klar: Wären
die Arbeiter Bestandteil dieser Gemeinschaft,
so wäre die Behauptung, kaum einer kenne die Arbeiter, Bockmist der
Sonderklasse. Ich muß jetzt nicht erklären, warum das Bockmist wäre, oder?
Als ich noch der Waldbauernbub war kam das Lied "Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln
gehen" in Radio und Fernsee, gesungen von verschiedenen Interpretinnen.
Ein schmissiges Lied, man hörte es gern, dudel di die, und
ich stellte mir Gitte Haenning vor, wie sie im Abendrot auf dem Segelboot das
Abendbrot bereitet für ihren Süßen und für sich.
Die Zeit ging in's Land, ich wurde erwachsen und Gott sandte
den Menschen in seinem Zorn die 80er Jahre. Neue Deutsche Welle, Provokation, eh
schon wissen. Jetzt hörte ich genau dasselbe Lied mit genau demselben Text
gesungen von einem Mann. Das Kopfkino veränderte sich.
Ich frage meinen Freund Google, was es wohl mit diesem Lied
auf sich habe. Das Lidl aus den Achtzigern finde ich zwar nicht, aber ich sehe
zu meiner Verblüffung, daß das Stück bereits Ende der Zwanziger Jahre
entstanden ist, gesungen von mehreren Interpreten - und diesmal ist die
männliche Form des Wortes richtig.
Vor wenigen Tagen nun rauscht mir das alte Lied erneut durch
die Rübe, es ist ein Ohrwurm und ich trällere es in einer Tour vor mich hin.
Plötzlich macht es Shklonk! in meinem
Hirn und ich merke, auf welches Wort sich segeln
reimt. Wie sagt der Dichter?
Damit auch das mal
gesagt ist: Eine freie Meinung kann man
aktuell nur haben, wenn man gegen Putin und für Waffenlieferungen ist. Alles
andere wird feindlich betrachtet und muss um
jeden Preis zum Schweigen gebracht werden.
Dergleichen Klagen liest
man auf "Fisch und Fleisch" ständig, sie sind sogar das über fast
jedem Thema schwebende Leitmotiv. Weinstubenprosa. Ich schrieb dem
schluchzenden FUFfi zurück:
Du bist so ein
elendiglicher Jammerlappen. Früher hat man auch gerne mal die Formulierung
"weibischer Jammerlappen" gebraucht. Inzwischen aber haben sowohl die
Wissenschaft als auch die Alltagserfahrung herausgefunden, daß in Wahrheit die
Männer das jammernde Geschlecht sind. Meine Frau (gelernte Arzthelferin und
Sozialpädagogin) hat zum Thema seinerzeit angemerkt, sie wundere sich, daß
ausgerechnet die Männer in den Krieg zögen, wo sie doch so wehleidig seien.
Frauen sind da viel zäher und belastbarer, anders hätten sie die Jahrtausende
des Patriarchats niemals durchgestanden und wir wären längst ausgestorben,
worüber sich die Tiere und die Pflanzen sehr gefreut hätten.
Was ich sagen
wollte... ach ja: Warum du ein elendiglicher Jammerlappen bist. Du schreibst,
man könne nur dann eine freie Meinung haben, wenn man gegen Putin und für
Waffenlieferungen an die Ukraine sei. Alles andere müsse um jeden Preis zum
Schweigen gebracht werden. Das schreibst du hier, frei und unbehelligt und ich
bin mir sicher, daß du auch künftig deswegen nicht behelligt wirst. Daß man
dich auslacht, dich einen Narren heißt und dir hinten auf's T-Shirt heimlich
Zettel mit höhnischen Bemerkungen klebt, ist wieder eine ganze andere Sache. Wenn du dich wie ein Depp aufführst und den
Mond anheulst, dann wirst du natürlich als genau der Narr betrachtet, der du
bist.
Wer sich in der
Öffentlichkeit über was auch immer äußert, muß damit rechnen, verlacht oder
angefeindet oder beides zu werden. Toleranz heißt schließlich nicht, jedwede Meinungsäußerung zu
beklatschen, Toleranz heißt lediglich, daß ich den Schwatzkopf gewähren lasse:
"Red du nur!" Ich gehe davon aus, daß auch du mich für einen
Dummschwätzer hältst und bin dir deswegen nicht gram, so was ist das Normalste
von der Welt. Der Franze hat
gsagt, er hätt manchmal den Eindruck, er wär der einzige Idiot auf der Welt,
umgeben, sagt er, von lauter Vollidioten.
Früher, als die Männer
noch richtige Männer waren (du merkst, der chauvinistische Gaul geht mit mir
durch), haben die Recken um den Helden Siegfried nicht geweint "Mama, der Böse Feind hat mir auf's Naserl
gehaut, so daß es blutet". Die Typen haben sich vielmehr gegenseitig
ihre Wunden und Narben gezeigt, und bliesen sich dabei vor Stolz auf. "Ja, ich war es dem Bösen Feinde wert, daß er
auf mich eingehauen hat." Noch zu Zeiten von Kaiser Willem zwo hieß
die Parole "Viel Feind', viel Ehr'!"
Und heute jammern die immer noch konservativen, immer noch reaktionären
Nachfahren der reaktionären Arschlöcher von einst herum, daß es nur so 1 Art
hat. Und diese Weicheier haben die Stirn, andere Leute als "Gutmenschen" zu verhöhnen.
Mir balst nicht gangst
Ein FUFfi, ein anderer
als der oben zitierte, hat als Avatar einen mit gekreuzten Heftpflastern
verklebten Tomatenmund, dazu das Motto "Meinungsfreiheit ist in meinem Land leider nicht verfügbar".
Und schreibt und schreibt im Schutze diesernicht vorhandenen Meinungsfreiheit.
Ampfang des Jahres behauptete ein FUFfi hier auf "Fisch und
Fleisch", wo sonst?, die Süddeutsche Zeitung griffe Nils Melzer - wer
immer Nils Melzer ist - mit einem Rufmord-Artikel an. Ich betone hiermit aus-
und nachdrücklich, daß mich die sachlichen Hintergründe dieser Diffamierung
oder auch Nicht-Diffamierung in diesem Zusammenhang nicht interessieren. Mir
geht's hier um einen sprachlichen Leckerbissen in diesem Blogbeitrag. Er
beginnt nämlich mit dem folgenden Satz:
"Mit fragwürdigen Methoden arbeiten die
beiden Süddeutsche-Journalisten Ronen Steinke und Thomas Kirchner bei der
Erstellung eines Diffamierungs-Artikels."
Ein Spruch, den man sich in's Kopfkissen häkeln sollte. Mit welchen Methoden denn soll einer arbeiten,
wenn er einen Diffamierungs-Artikel erstellen will? Einen Diffamierungs-Artikel
zu erstellen ist per se eine fragwürdige Aktion, wenn ich dabei mit
fragwürdigen Methoden arbeite, dann ist das der perfekte Einklang von Inhalt
und Form, nach dem die Dichter streben (sollten).
Bislang handelte mein Lieblingshäkelspruch für's Kopfkissen
vom Sex. Die zu Recht weitgehend unbekannte Wochenzeitung "der
Freitag" veröffentlichte zuzeiten mal ein Interview mit mehreren jungen
Leuten über
deren Sexualleben. Charlotte, eine damals noch junge Frau, die
heute nur unwesentlich älter ist, gestand seinerzeit: Die besten Orgasmen meines Lebens habe ich
vorgetäuscht!
In der vierklassigen Volksschule Gern hatte ich mein erstes
und womöglich einziges Erweckungserlebnis. Die Volksschule Gern war damals -
vor den Großen Politischen Und Pädagogischen Reformen - eine vierklassige
Volksschule, jeweils zwei Jahrgänge wurden zusammen in einer Klasse
unterrichtet. In dieser Schule habe ich in einer Vertretungsstunde vom Rektor
die Kunst
des Kartenlesens und -zeichnens gelernt. Seither bin ich den Landkarten,
Stadtplänen und dem Reisen verfallen.
Es traf sich gut, daß mir eben zu dieser Zeit der Osterhase
ein Boot geschenkt hatte, mit dem ich dann ausgedehnte Reisen unternahm. Es war
ein Motorboot mit einer kugelsicheren Plexiglashalbkugel, weder die Giftpfeile irgendwelcher
Eingeborenen [1]
konnten mir etwas anhaben, noch die Gewehrkugeln irgendwelcher Schurken. Eine
Klimaanlage schützte mich vor der Hitze der Tropen und der Kälte der
Eisregionen. Mit dem Boot konnte ich wie mit einem Auto auf dem Land fahren, ja
sogar fliegen und tauchen. Ich weiß noch, wie ich vom Meer aus in den Ananas einfuhr
und dann gemächlich den Strom emportuckerte. Wurde ich müde, legte ich mich
schlafen, ich war ja geschützt, nichts und niemand konnte mir etwas anhaben.
Und wenn ich dann aufwachte, war ich wieder daheim und mußte in die Schule. Der
Trick funktionierte zuverlässig.
Auf diese Weise lernte ich die ganze Welt - oder doch einen
erheblichen Teil von ihr - kennen. Es erschien mir unnötig, die Welt
tatsächlich zu bereisen, es erscheint mir dies noch heute. Zu viele
Globetrotter habe ich getroffen, die von Tuten und Blasen [2]
keine Ahnung hatten, welche von den bereisten Ländern nur den touristenüblichen
Unfug wußten, den sie sich bereits zuhause angelesen hatten. Warum also sollte
ich mich den Gefahren des Dschungels und des Hochgebirges aussetzen, Malaria
und Frostbeulen erdulden, wenn es genug Narren gibt, die dies schon vor mir
getan hatten und mir nur zu gerne davon in Wort und Bild erzählen möchten?
"Warum sich einen Hund halten und
dann selber bellen?" hatte es einst Hercule Poirot auf den Punkt gebracht.
1958, ich war 8 Jahre alt, war die Fußballweltmeisterschaft
in Schweden, Weltmeister wurde Brasilien und der Stern von Pelé ging auf. Mit
Begeisterung schwadronierte ich vor den Stammgästen im Lokal von Brasilien.
Diese Stammgäste meinten, ich solle doch nicht so daherreden, ich wüßte doch
nicht mal, wo dieses Brasilien liege. Und ich erzählte ihnen von Brasilien und
seiner Lage in Südamerika, dort spräche man Portugiesisch, anders als im
übrigen Latein(!)amerika.
Ich wäre allerdings glücklicher gewesen, hätte Gott nicht in
seinem namenlosen Zorn István Zsolt erschaffen. István Zsolt war ein
stadtbekannter Kommunist, Trunkenbold und leider auch Fußballschiedsrichter.
Zsolt leitete 1958 das Halbfinalspiel Schweden-Deutschland in Göteborg. Beim
Stande von 1:1 verwies der Serienlustmörder Zsolt den Düsseldorfer Erich
Juskowiak wegen eines Revanchefouls vom Platz, nachdem Kurt Hamrin [3]
ihm einen Tritt verpasst hatte. Hamrin wurde aber nicht vom Platz gestellt.
Nachdem Fritz Walter wenig später schwer gefoult wurde und er
sich dadurch am Knöchel verletzte, was vom Schiedsrichter nicht geahndet wurde,
spielte die deutsche Mannschaft praktisch nur noch mit neun Spielern (damals
waren Auswechslungen noch nicht erlaubt und Walter konnte kaum mehr am
Geschehen teilhaben) und verlor das Spiel mit 1:3. In Deutschland wurde schon
vor dem Spiel Kritik laut, dass die FIFA einen ungarischen Schiedsrichter für das Spiel ausgewählt
hatte. Vier Jahre zuvor hatte nämlich Deutschland gegen Ungarn das Endspiel der
Weltmeisterschaft 1954 gewonnen, "Das Wunder von Bern". Nach diesem
Spiel war die kommunistische Weltverschwörung offenbar geworden und der Kalte Krieg wurde angepfiffen.
Ich wünsche Herrn Zsolt immer noch die Pest an den Hals, aber leider hat
sich der feine Herr meinem Haß durch feigen Tod entzogen, 1991. Mit 70 Jahren,
man stelle sich vor, was schon damalszutage kein Alter, sondernnur ein Vorwand war, sich dem Unbill des
Lebens durch frühzeitigen Tod zu entziehen.
Irgendwann - um auch das noch zu erwähnen - hat mir einer
der Professoren an der Uni gesagt, es hieße gar nicht Ananas, sondern Amazonas.
Ananas sei vielmehr der
Schwiegervater von Kaiphas
gewesen, der damals die Kreuzigung Jesu betrieben hat und sich dadurch
unsterbliche Verdienste um das Seelenheil allernachfolgenden Generationen erworben hat. Wikipedia nennt zwar den
Schwiegervater von Kaiphas beharrlich
Hannas, aber das ist nur eine
Machenschaft von IHNEN! Ich aber habe SIE! durchschaut.
Mein Multiplex-Boot hatte Atomantrieb, wie der
funktionierte, war mir schon damals nicht recht klar. Irgendwann, bei einem
sehr unerfreulichen Zwischenfall - den ich hier nicht schildern möchte, umso
weniger als ich mich nicht mehr dran erinnere - sind mir einige Krümelchen Atom
über Bord gegangen. Die Krümelchen haben sich vermehrt und die so entstandenen Atomkrümelkrümelchen
desgleichen und so weiter, und so fort. Und so ist aus dem Ananastiefland [4]
inzwischen ein riesiges Atommüllzwischenlager geworden. Wegen der Atomhitze
brennen die Wälder ab, wegen der Atomstrahlen sterben Mensch und Tier und in
wenigen Jahren wird es keinen Ananas-Regenwald mehr geben. Brasilien wird die
Ausfuhr von Sauerstoff stoppen und wir werden alle ersticken. Die Posaunen des
Jüngsten Gerichtes (angebratene
Kochsalamiwürfel mit Weißen Bohnen und Spiegeleiern) werden wir schon nicht
mehr hören. Drum, Leute, Bayreuth, Bayreuth [5]!
Ich geh jetzt mal kacken, das Ankündigen der Apokalypse ist
doch sehr verdauungsfördernd, deswegen heißt es auch bis auf den heutigen Tag "Scheißweltuntergang".
[1]Irgendwer ist ja immer irgendwann irgendwo
geboren. Ich zum Beispiel kam seinerzeit als Eingeborener von Trizonesien
zur Welt,
heidi-tschimmela-tschimmela-tschimmela- tschimmela-bumm!
[2]Wußten Sie schon, daß Urologen zwar keine
Ahnung von Tuten haben, umso mehr aber von Blasen?
[3]Wie allgemein bekannt sein dürfte ist Kurt ein türkischer Vorname, der soviel
bedeutet wie "Wolf". Mein bürgerlicher Vorname lautet Wolfram, mein im Krieg getöteter Onkel Kurt
hieß mit Vornamen Kurt. Daraus läßt
sich viel über die Welt und die Zusammenhänge in ihr ableiten.
[4]Ich möchte keine Reklame für die
Leuteschinder-Firma amazon machen und nenne den Fluß weiterhin Ananas.
[5]Auf Hebräisch heißt das "Beirut,
Beirut", auf Deutsch sagt man, glaub ich, "bereut, bereut".
Es ist noch nicht lange her, da geschah es, daß ich mir in
derZDF-Mediathek einen Edgar-Wallace-Krimi
aus den sechziger Jahren anschauen wollte, garantiert in Schwarzweiß und in Mono.
Als ich den Film zum späteren Anschauen herunterladen wollte, erschien mir eine
Tafel.
Der Casus machte mich lachen. Beim ZDF geht man anscheinend
noch davon aus, daß 15jährige oder meinetwegen auch 7jährige um 10 Uhr bereits
schlafen und sie deswegen vom Krimischauen ausgeschlossen sind. Denn der
Fernseher steht im Wohnzimmer und wenn das Kind das Gerät einschaltet, hören
das die Eltern, kommen gerannt und züchtigen das Kind. Zum
Unter-der-Decke-schauen ist der Fernseher viel zu groß und zu schwer. Und
Smartphones werden erst in 30 Jahren erfunden, bis dahin sind die Kinder längst
volljährig.
Wie auch immer, ich
kann mich nicht kostenlos anmelden & sofort schauen, denn mir ist die
Alterskontrolle viel zu kompliziert.
Macht aber nix, denn ich hab ja MediathekView
auf meinem Rechner. Ich probier's und tatsächlich kann ich damit auch um 13:23
h den "Zinker" anschauen. Und wenn ich das kann, kann das eine
Siebenjährige zweimal.
Der
perfekt glatzköpfige Herr ohne Krawatte und mit dem starren, verspannten
Gesicht [1]
ist Andreas Deffner, seinerzeit einer
von 5 (!) Pressesprechern von Bundesgesundheitsminister Gröhe im Kabinett
Merkel III.
Vor Zeiten stellten sich fünf Mitglieder der Grünen Jugend vor das Gesundheitsministerium in
Berlin-Mitte, rauchten demonstrativ einen Joint, jeder seinen eigenen, versteht
sich und forderten die Freigabe von Cannabis. Nur durch Legalisierung seien
Drogenprobleme überhaupt in den Griff zu bekommen. Deffner hält dagegen: Eine Legalisierung würde suggerieren, die
Droge sei nicht gefährlich. Das wäre ein völlig falsches Signal und ein
gesellschaftliches Experiment mit unklarem Ausgang.
Was für eine krause Argumentation! Ist Alkohol legal? Ist
Alkohol gefährlich? Tabak ist legal und gefährlich, niemand macht sich
Illusionen. Dasselbe gilt für Autos, für die Bundeswehr, für die ostasiatische
Brenzelfanne [2].
Die Aussage "Cannabis ist weniger gefährlich als Alkohol" ist
einerseits richtig, andererseits heißt "weniger gefährlich" nicht
"ungefährlich". Und was das
"gesellschaftliche Experiment mit
unklarem Ausgang" angeht: Experimente macht man in der Wissenschaft genau deswegen: Der Ausgang ist unklar
und das Experiment soll Klarheit bringen. Experimente mit klarem Ausgang sind
die Lehrexperimente, die wir aus der Schule kennen, aber selbst die verlaufen manchmal
anders als geplant.
Abgesehen davon wäre es ja keinesfalls eine völlig neue Erfahrung, die unsere
Gesellschaft mit legalem Cannabiskonsum machen würde. Ich möchte dran
erinnern, daß es gerade mal etwas mehr als 90 Jahre her ist, seit in
Deutschland und in vielen anderen Ländern des westlichen Kulturkreises Köstlichkeiten
wie Opium, Morphium, Kokain oder Cannabis verboten wurden. Vorher waren sie
frei in jeder Apotheke oder sonst einem Ladengeschäft erhältlich, keiner machte ein Geschiß darum.
Sherlock Holmes setzte sich die 7-Prozent-Lösung Kokain,
Thomas de Quincey veröffentlichte unbehelligt seine "Bekenntnisse eines
englischen Opiumessers", Hegel schnupfte seinen mit Cannabis versetzten
Tabak (High durch Schmai) und Wilhelm
Buschs Lehrer Lämpel rauchte des abends gemütlich seine Pfeife Knaster, also
einen mit Hanfsamen aufgepeppten Tabak.
Um 1905 rum brachte die Firma Bayer ein neuartiges
Medikament gegen die Opiumsucht auf den Markt - Heroin. Schnaps gegen
Biersucht. Kein Satiriker traut sich so was auszudenken. Außer Jaroslav Hašek: Von Hašek gibt's eine Geschichte
("Alkoholikeridylle"), in der ein Prager Apotheker Schnaps als
Medikament gegen übermäßigen Bierkonsum anbietet, womit es eine besorgte
Ehefrau schafft, aus einem sehr mäßigen Biertrinker einen haltlosen
Schnapsalkoholiker zu machen.
Egal. Ende der zwanziger Jahre kam dann das Verbot all
dieser Drogen, in den USA wurde sogar die gefährlichste aller Rauschdrogen, der
Alkohol verboten. Heroin, ein
Produkt der Firma Bayer gegen Morphiumsucht, wurde allerdings erst in den
späten 30er Jahren verboten, Pervitin, heute bekannt
als Crystal Meth, noch viel später. Die nunmehr verbotenen Drogen waren damit
nicht verschwunden, sie wurden durch das Verbot nur wesentlich teurer und
wesentlich gefährlicher, denn keine neutrale staatliche Zulassungsbehörde
kontrollierte nun noch die Einhaltung von Standards bei der Herstellung. Ist
seither das Drogenproblem geringer geworden?
Der austro-amerikanische Psychologe Paul Watzlawick hat
zusammen mit Kollegen das Problemlösungskonzept des Mehr desselben formuliert.
Drogen sind gefährlich, klar, also besteht verantwortliches
Handeln darin, Drogen zu verbieten. Ich ziehe Bilanz und stelle fest, daß das
mit dem Verbot so recht nicht funktioniert, was daran liegt, daß ich nicht
konsequent genug gegen den Drogenhandel vorgegangen bin. Ich verschärfe die
Gesetze, ich ziehe Bilanz und stelle fest, daß es immer noch nicht
funktioniert. Das geht eine Weile so und schließlich muß ich beobachten, daß
die Gefährlichkeit der Drogen durch
das Verbot gestiegen ist.
Als Heroin von der Firma Bayer auf den Markt gebracht worden
ist, wurde es oral eingenommen und galt als probates Hustenmittel, auch und
gerade für kleine Kinder. Es wurde - übrigens lange nach dem Verbot von
Cannabis - schließlich verboten. Nun verschwindet eine Droge nicht einfach
durch ein Verbot, solange es Bedarf danach gibt, wird sie weiter gehandelt, nun
auf dem Schwarzmarkt. Die Preise steigen, drastisch. Was macht der Konsument in
diesem Falle? Er wird versuchen, mit der gleichen Menge Stoff eine höhere Wirkung
zu erzielen, klar. Er zerbröselt die Tabletten und schnieft das Heroin durch
die Nase. Ein anderer kommt auf die Idee, den Wirkstoff aufzulösen und ihn sich
direkt in die Vene zu injizieren, nochmalige Potenzierung der Wirkung. Ah,
jetzt ist das Heroin wirklich gefährlich geworden, ein weiterer Grund, die
Drogengesetze zu verschärfen.
Durch das Verbot hat keine Aufsichtsbehörde mehr die
Möglichkeit, die Qualität des in den Handel gelangenden Stoffes zu
kontrollieren, als Junkie kannst du nur noch beten, daß dich der eben erworbene
Stoff nicht umbringt. Damit du dich als Junkie über die Runden bringst (das
Zeug ist inzwischen schweineteuer geworden), mußt du einbrechen, rauben,
Apotheken überfallen oder dich prostituieren - Beschaffungskriminalität. Du
rutscht nahezu zwangsläufig in das gesundheitliche und soziale Elend. Die Droge
selbst spielt dabei eine untergeordnete Rolle, viel gefährlicher als die Droge
ist das Betäubungsmittelgesetz.
Du krepierst irgendwann, nicht so sehr an der Droge sondern
an deren Verbot.
Logischerweise müssen die Drogengesetze verschärft werden,
damit dergleichen nicht weiter passiert... Es ist 1 Jammer und es passiert
tagtäglich unter den Augen wahnsinnig
gescheiter Idioten.
[1]Mich erinnert Deffner auf diesem Photo an den
Udo Lattek seiner
letzten Trainerjahre. Der hat seinerzeit auch zum Gottserbarm ausgeschaut, die
Zähne zusammengepreßt, den inneren Schmerz niederzukämpfen. "Junge, kiff
doch", dachte ich damals, "oder pfeif dir andere entspannende Drogen
rein, das ist ja nicht mehr mit anzusehen.
[2]"Ostasiatische
Brenzelfanne" steht hier für "Alles
Mögliche, das nicht ausdrücklich verboten ist."
Was ich immer schon
mal wissen wollte: Wenn ich einen Strafantrag gegen den Lindinger Sepp stelle,
weil der mich "Staatsanwalt"
genannt hat, brummt dann der echte Staatsanwalt mir eine Anklage wegen Beleidigung auf? Gibt's bei Juristen so was wie
"Beleidigung über Bande" eigentlich?
Wenn ich mal im Lotto
gewinne, probier ich's, glaub ich, einfach aus. Experimentelle
Rechtswissenschaft.
Früher hatte ich manchmal sogar Angst, meine
Meinung zu gewissen Themen zu schreiben, aber mit zunehmendem Alter wird es mir
immer gleichgültiger.
Ich kenne das Gefühl, es ist rauschhaft intensiv. Freedom's
just another word... Eh schon wissen.
1985, als STS das Lidl "Kalt und Kälter"
herausbrachten, war ich 35 und hatte gerade geheiratet. Ich habe mich damals
auf die Zeit gefreut, da mir ganz Vieles ganz furchtbar wurscht sein würde. Und
wirklich, es ist wunderbar, du fühlst dich so ungemein lebendig und so gar
nicht kalt. Und frei, natürlich.
Früher, als die Welt noch in Ordnung war und Corona nichts
weiter war als das lateinische Wort für "Krone" hatte man in
deutschsprachigen Ländern diskutiert, ob man die Augenschlitzverschleierung -
im Volxmund gern Niquab genannt - wegen der öffentlichen Sicherheit verbieten
sollte. In Österreich hat man den Schritt gewagt, dort sind seit Herbst 2017 einerseits
gesichtsverhüllende
Niquabs verboten, andererseits und
gleichzeitig seit 2020 gesichtsverhüllende
FFP2-Masken streng vorgeschrieben [1]. Aber so sind's, die Österreicher.
Österreich ist nur ein anderes Wort für Widerspruch
in sich.
Man erinnert sich vielleicht an den "Prinzen von
Homburg" (von Kleist). Dieser handelt als Truppenführer einem Befehl des
Kurfürsten zuwider; aus einer verliebten Verwirrung heraus, nicht aufgrund
aufsässiger Gesinnung, wie oft geschrieben wird. Er gewinnt mit diesem befehlswidrigen
Handeln die Schlacht und wird vom Kurfürsten nicht wegen des Sieges mit einem
Orden belohnt, sondern wegen der Insubordination zum Tode verurteilt. Befehl
ist Befehl und Kotzequenz unser Gott.
In Österreich gab es den Maria-Theresia-Orden. "Er war
bis zum Ende der Habsburgermonarchie die höchste Tapferkeitsauszeichnung des
Landes." (...) "Diese besondere Auszeichnung wurde für aus eigener Initiative unternommene,
erfolgreiche und einen Feldzug wesentlich beeinflussende Waffentaten, die ein
Offizier von Ehre hätte ohne Tadel auch unterlassen können,
verliehen."
Das heißt, der höchste militärische Orden im alten
Österreich wurde an den verliehen, der ohne Befehl oder gar befehlswidrig
handelte und damit Erfolg hatte. Völlig inkonsequent, die Sache. Österreichisch
halt, bairisch, mediterran.
Wenn ich der österreichische oder bayerische oder bremische Innenminister
wäre - was GOtt der Herr verhüten möge - würde ich Anweisung an die Polizei geben,
JEDEN vollverschleierten Mann [2]
zu kontrollieren und dabei ihr Antlitz mit dem Ausweisfoto zu vergleichen. Das
dauert dann eine Weile, gewiß. Danach darf die Frau wieder heim, verschleiert
natürlich, man ist schließlich kein Unmensch. Noch beim Verlassen des Reviers
wird sie mit einer Wahrscheinlichkeit auf einen anderen Polizisten treffen, der
grad Zeit hat und sie dann ebenfalls kontrolliert, gleiche Prozedur. Abends
wird's dann bei Achmeds kein Abendessen geben, weil Fatima wegen der vielen,
zeitaufwendigen Kontrollen nicht mehr rechtzeitig in die Läden gekommen ist.
Aber auf so geniale Gedanken komm natürlich nur ich.
[1]Gut, momentan sind die Masken grad nicht
vorgeschrieben, aber das kommt schon wieder.
[2]Sicherheitshalber steht hier
"Mann", weil man (!) ja nie genau weiß, welches vollverschleierte
Gesicht sich hinter dem Schleier verbirgt. Wüßte man es, dann wäre das Gesicht
nicht vollverschleiert.
Früher® war das Leben auch nicht einfach, aber verglichen
mit heute...
Früher® wolltest du brav sein und nach einem Besäufnis
keinesfalls noch mit dem Auto oder Motorrad oder Moped heimfahren. Damitst du
nicht als Besoffener in Versuchung kommst, hast du dein Fahrzeug daheimgelassen.
Bist du dann aus dem Unterwirt gewankt, ist dir gar nix anderes mehr
übergeblieben als wie heimzugehen, den Bus zu nehmen, die U-Bahn oder in
Gotznam halt ein Taxi. Oder du bist mit dem Lindinger Sepp in ihm seinem BMW
heimgefahren, weil der Lindinger Sepp zwei Bier und einen Schnaps weniger
gehabt hat als wie du und deshalb als fahrtüchtig gegolten hat.
So war das, damals als die Welt noch in Ordnung war. Heute
kommst aus der Whisky-Ranch gewankt, willst heimgehen und dann stehen auf dem
Gehsteig drei E-Scooter. Schön blöd wärst, wennst du unter dieser Umständen
noch heimgehen tätst. Du scannst den Scanfleck, zahlst mit dem Smartphone (weiß
der Henker wie das geht) und ab die Post. Wenn sie dich erwischen, behandeln
sie dich so, als wärest du mit dem Auto gefahren, obwohl die Fremdgefährdung
mit dem Scooter erheblich geringer ist als mit dem Auto.
Und der Verkehrspsychologe lacht. Wennst du noch jung und in
der Probezeit bist mußt du eh in einen Kurs, und ansonsten bist du spätestens
mit 1,6 Promille dran. Der Verkehrspsychologe, also ich, hat was verdient und
bedankt sich bei dir für die freiwillige Spende.
Und eh ich's vergesse: Beim Scheuer Andi bedanke ich mich
natürlich auch, weil der die scheiß E-Scooter zugelassen hat.
Je machohafter eine Kultur, desto mehr Einfluß haben die
Frauen auf die Kinder. Zana Ramadani (die heißt wirklich so) hat vor kurzem mit
einem Buch Furore gemacht, in dem sie behauptet hat, an der Frauenverachtung sehr
vieler moslemischer Männer trügen ihre Mütter ein gerüttelt Maß an Mitschuld.
Zum machismo
neigende Männer kümmern sich frühestens ab dem vierten Lebensjahr intensiver um
ihre Kinder. Nach drei Jahren ist aber die wesentliche psychologische Prägung
der Rotznasen abgeschlossen, alles, was danach kommt ist vergleichsweise ein
Lercherlschaas.
Ich habe 10 Jahre lang in Italien gelebt, nicht in der
Toskana oder wo, sondern 120 km südlich von Neapel, im Cilento. Das Cilento ist
der mit Abstand schönste Teil Italiens. Kaum ein Deutscher oder Österreicher
kennt das Cilento, wer es kennt, kommt immer wieder oder bleibt gleich ganz da.
Was ich sagen wollte: In unserem zweiten oder dritten Jahr
in Castellabate waren wir anläßlich der festa
della donna (Weltfrauentag) in einem Lokal. Irgendwann stupst mich meine
Frau an und meint, es sei doch höchst erstaunlich, wie selbstbewußt die Frauen
hier seien.
Ich stutzte, mir war es bislang nicht aufgefallen, aber ich
bin ein Mann und auch sonst ein bisserl blöd. Ich schaute daraufhin etwas
genauer hin und in der Tat, es waren die Weibers, welche die Szene
beherrschten. Die anderen Familien kannten wir nicht, aber die Mischpoke der
Gemüsefrau war uns bekannt. Die hatte die Fäden in der Hand, der ihr sein Mann
war nix weiter als der Mann von der Gemüsefrau. Ich nehme an, das lag daran,
daß ab den sechziger Jahren viele Süditaliener nach Norden gingen, um dort zu
arbeiten - von Mailand bis nach Schweden. Die Frauen mußten sich alleine um die
Kinder kümmern, die Olivenbäume, den Weingarten. Und sie haben entdeckt, welch
wichtige Aufgabe sie doch haben. So was macht selbstbewußt. In Italien habe ich
- anders als in Deutschland - so gut wie keine verhuschten und niedergedrückten
Frauen kennengelernt.
11. Abenteuer: Wie Franz von einem rosaroten Prinzen aus dem
Schneewittchen-Schlaf geküßt ward
Als er schließlich - nach vielen Tusch- und Tünch-Arbeiten -
doch noch gestolpert war, zurücktreten mußte ob der leidigen SPIEGEL-Affäre;
als er die Decke mildtätigen Schweigens über sich zog und in der Versenkung
verschwand - da glaubten ihn viele Beobachter verschwunden auf ewig. So manche
tranken hoffnungsfroh einen Erleichterungsschluck auf seinen politischen Tod.
Andere wieder, viele andere, sahen einen großen Mann gemeuchelt, wo doch in
Wirklichkeit nur der Staatsschauspieler Franz Strauß die Rolle der verfolgten Unschuld
gab.
Vier Jahre hat er dann sein Geschick getragen und wollt' es
nicht tragen mehr, wo immer die
Welt am schönsten war, da war sie ihm öd und leer. Aber zur heimlichen,
unheimlichen Freude der Reaktion hat Gott die Sozialdemokratie erschaffen;
welche gottgefällige Einrichtung auch im Falle dieses tiefbetrübten Reaktionärs
seine trost- und segensreiche Tätigkeit entfaltete. Vier Jahre nach dem lang-
und wohlverdienten Sturz des Verteidigungsministers Strauß gab es wieder einen
Finanzminister Strauß. Diesmal in einem Kabinett der Großen Koalition, neben
einem Außenminister Brandt und einem Minister für Innerdeutsche Fragen Wehner.
12. Abenteuer: Wie Franz alte Gewohnheiten aufgeben mußte und zu neuen fand
Affären im alten Stil waren aber nicht mehr drin; und dies
weniger einer etwaigen moralischen Läuterung unseres Helden wegen. Die
Verhältnisse vielmehr verhinderten ihn, auf die altbewährte - nie völlig
bewiesene und befriedigend aufgeklärte Weise privaten Honig zu saugen aus
öffentlichem Ämtern. In den drei Jahren der Großen Koalition saßen ihm nämlich
die Sozialdemokraten denn doch sehr dicht auf der Pelle; zu dicht, ein
Husarenstückchen - mit stechen ,und gestochen werden - zu wagen, wie einst im
Mai. Später dann, die letzte Dekade, hat dieser Staat kein Amt mehr freigehabt
für den rastlosen Franz. Die Nach-SPIEGEL-Affären-Zeit des Dr. Franz Josef
Strauß ist demnach - dem Meister sind die Hände gebunden - vornehmlich
gekennzeichnet durch verbale und politische Entgleisungen. Die aber dann
reichlich.
13. Abenteuer: Wie Franz einmal mit seinen Verbindungen zur Unterwelt
protzte
Zimperlich behandelt war die SPD von Herrn Strauß noch nie
worden; auch dann nicht, als der weltenferne Abstand der SPD von jeglicher
Regierungsmacht eigentlich eine gelassenere Haltung nahegelegt hätte. Als nun,
noch zu Zeiten der Großen Koalition, eine kommende Regierungskoalition SPD/FDP
in greifbare Nähe gerückt war. da raunte Strauß von "Plänen, um eine
Räterepublik West-Berlin zu schaffen". SPD und APO scheint's in
gemeinsamer Arglist.
Die Warnungen des ober-bayerischen Rufers und Mahners wurden
beschwörender, als sie dann da war, die rote Gefahr. (Wär's nicht gar so zum
Zähneknirschen, man müßte lachen: eine Menge Menschen glaubte damals tatsächlich
- manche fürchteten es und viele hofften es - die SPD würde einiges in diesem
Lande zum Besseren wenden.) 1970 warf er der SPD vor, sie betrachte eine
Regierungsübernahme nicht als das normale Wechselspiel der Demokratie, sondern
wolle die Macht auf Dauer haben. Der das sagt, schäumt in derselben Rede (auf
dem Politischen Aschermittwoch in Vilshofen) vor ungezügelter Wut über die eben
stattgefundene "Regierungsübernahme" der SPD, akzeptiert also selbst
gerade dieses "normale Wechselspiel der Demokratie" nicht.
Im November 1970 meint er in einem Interview des
"Münchner Merkur":
"Glauben Sie mir,
wenn diese Regierung stirbt, gibt es einen Aufstand der Unterwelt".
Wenn einer über die derzeitige Stimmung in der Unterwelt Bescheid weiß, dann
bin ich es, will Strauß wohl mit diesem Satz signalisieren. Wollen's ihm gerne
glauben, dies.
14. Abenteuer: Wie Franz Visionen vom Umsturz hat - angstvolle
Im September 1971 gibt er der BILD-Zeitung ein Interview.
"Bei der heutigen Regierungskoalition handelt es sich nicht um eine
normale Wachablösung, sondern um einen Wandel ja um den Beginn eines Umsturzes."
Und in einem CSU-Rundschreiben vom Sommer 1972 schreibt er
"Wir können davon ausgehen, daß die nächste Bundestagswahl im November
dieses Jahres stattfinden wird. Wir können ebenfalls davon ausgehen, daß -
sollte die Union dieses Mal nicht an die Regierung kommen - wir die letzt freie
Wahl für lange Zeit hatten
Projektion, weiß
der psychoanalytisch Belesene, ist jener Vorgang, bei dem eigene Fehler oder
Wünsche einem anderen Menschen zugeschrieben werden. Die Projektion ist dabei
ein Ausdruck bestehender eigener Schuld- oder Schamgefühle, die unbewußt
bleiben und abgewehrt werden müssen.
Diese Begriffserklärung macht deutlich, daß es sich bei den
Strauß'schen Unterstellungen, die SPD plane den Umsturz, wolle die Demokratie
abschaffen, mitnichten um eine Projektion handelt. Weder sind die Träume des
Franz Strauß vom großen Umsturz diesem unbewußt, noch gar von irgendwelchen
Schuld- oder Schamgefühlen begleitet. Vorhanden allerdings, vorhanden sind
diese Putschträume durchaus.
15. Abenteuer: Wie Franz den Badewannen-Tango sang - Südamerikanische
Folklore
In Vilshofen nämlich und abermals am Aschermittwoch, diesmal
1971, meint Strauß: "Je länger das sozialliberale Regime (!) Bestand hat, desto mehr wächst die Gefahr, daß auch eine
Wachablösung auf normalem, einwandfrei demokratischem Weg, schon durch die
Aufhetzung von gewisser Seite her, zu einem schwierigen Problem, wenn nicht
überhaupt zur Unmöglichkeit gemacht werden soll."
Auf den ersten Blick scheint dies bloß, zum wiederholten
Male, die bekannte Unterstellung zu sein, die SPD wolle ihrerseits, wenn's soweit
käme, einer Ablösung durch den Stimmzettel mit Gewalt sich widersetzen. Dies.
wie gesagt, mag so scheinen. wäre da nicht der Halbsatz: "...schon durch die Aufhetzung von gewisser
Seite her", in dem eben Straußens Befürchtung steckt, durch den
Stimmzettel und nur durch den Stimmzettel sei diese SPD wohl nicht mehr von der
Macht zu trennen. Wie aber sonst? Durch ein Vollbad? Zum Beispiel.
Denn: "Die Demokratie muß gelegentlich in Blut gebadet
werden", meinte einst Franzens Freund, der General Augusto Pinochet Ugarte
aus Chile.
16. Abenteuer: Wie aus Franz Strauß ein Prof. h. c. Dr. h. c. (Santiago de
Chile) Franz Strauß wurde
Nachdem so mancher andere Freund des Franz inzwischen
verschieden ist - wie z. 8. Generalissimus Francisco Franco Bahamonde aus Spanien oder Präsident Antonio Salazar de Oliveira aus Portugal - oder
zumindest politisch bedeutungslos geworden ist - wie z. B. Oberst Georgios Papadopoulos aus Griechenland oder Dr.
h. c. (Prag) Dr. h. c. (Warschau) Schah Mohammed Reza Pahlevi aus Persien - wird die Freundschaft mit dem
chilenischen General umso kostbarer. Freundschaften wie diese muß man pflegen.
Strauß pflegte und beehrte vom 18. - 22. November 1977
General Pinochet mit seinem Besuch. Er nahm einen sehr guten Eindruck mit von
diesem Land. Ihn beeindruckte der "innere
Friede" und die "politische
Stabilität" Chiles. Sehr positiv vermerkte er das Bemühen der Militärjunta,
Chile zu einer dauerhaften und soliden Demokratie hinzuführen. Die Freiheit
hingegen fand er bereits vor. Vor Chilenen deutscher Abstammung sagte er:
"Sorgen Sie dafür, daß die Freiheit
in Ihrem Lande erhalten bleibt."
"Strauß bewertete
das Regime in Chile insgesamt als 'autoritär aber nicht als totalitär'. Die
Chilenen seien von der politischen Willensbildung ausgeschlossen, außerhalb des
politischen Bereiches hätten sie jedoch alle bürgerlichen Freiheiten. Jeder
Chilene könne Pinochet kritisieren oder auch als Trottel beschimpfen. ohne daß
dies aufgegriffen und gegen ihn verwandt werde. Insbesondere hob er hervor, daß
die rechtsstaatliche Ordnung ungeschmälert funktioniere." (FAZ, 25.
11. 1977?. Verständlich, daß man soviel rechtspolitische Einsicht honorieren
wollte - indem man Franz Strauß die Würde eines Ehrendoktors der Rechte und des
Ehrenprofessors für chilenisches Recht verlieh.
17. Abenteuer: Wie Franz perverse Spiele spielt, ein bißchen
Auch der rührigste Bademeister der Demokratie braucht
Gehilfen; Strauß hat seine CSU. Was ist die CSU? Sie ist "eine Partei, die dem Morgen verschrieben
ist, und eine Partei, die eine Sammlungsbewegung zur Rettung des Vaterlandes
ist." (Strauß auf dem CSU-Parteitag 1970 in Nürnberg.) Eine Partei, die
manchmal auch widerspenstig ist und den Meister zürnen macht: "Ich habe die ewigen Abstimmungen vor jeder
Entscheidung satt... Die Partei muß wie ein Mann hinter mir stehen."
(Im Juni 1975). Eine Partei, die aber wiederum auch gelehrig ist, wenn man sie
schilt: "Sag uns auch weiterhin, wie
es geht, damit wir es tun, jetzt und für alle Zeit." Mit welchen
Worten (auf dem Parteitag im September 1975) der damalige Ministerpräsident
Goppel, stellvertretend für die ganze Partei, dem gestrengen Herrn demütig die
Stiefel leckte. Es ist zwar schon ein bißchen eklig-klebrig, was manche
Perverse in aller Öffentlichkeit treiben, aber, bitteschön, solange ihre
Sado-Maso-Spiele auf freiwilliger Vereinbarung beruhen...
18. Abenteuer: Wie auch Heubl dem Herkules huldigt
Auf
demselben Parteitag, im 75er Jahr, der 60. Geburtstag des strengen Meisters
stand vor der Tür, steigerte ein gewisser Franz Heubl die erotischen
Unterwerfungsrituale der CSU bis hin zur koprophilen Ekstase: "Wir feiern die Stärke Deiner Persönlichkeit,
ihre Unwiederholbarkeit, Einmaligkeit, Besonderheit - einen Mann, auf den die
Politiker in der Welt schauen, wenn sie auf die CSU schauen; denn alles wird
von Dir bestimmt in der CSU, die Du bist, Du bist ein Urtalent der Politik,
ein Herkules der Geschichte." ("Koprophil" heißt: "geil auf Scheiße")
Über
diesen Heubl war ein Dossier geführt worden - in der Zeit vor diesem Erguß -
welches dann bei Gelegenheit in die Öffentlichkeit lanciert worden war.
Gedemütigt bis auf die Knochen - wie vor ihm schon Barzel und mit ihm und nach
ihm Kohl - gab Heubl auf dem Parteitag nach dieser Demütigung durch Strauß die
zitierte Ergebenheitsadresse für Strauß ab.
Aber,
wie gesagt, solange die Kerle freiwillig den Fußschweiß des Franz Strauß
zutzeln und niemand sonst zu gleichem Tun zwingen wollen...
19. Abenteuer: Was Franz zu roten Ratten rät
Als
deutscher Staatsmann liebt unser Held natürlich auch Tiere; Schäferhunde etwa,
aber auch Rautenlöwen und Schwarzrotsenfadler. Nur mit den Ratten, den roten
vor allem, hat er's nicht so besonders. "Jetzt kommen sie wieder, die roten Systemveränderer, wie die Ratten aus
allen Löchern heraus." Ist aber nicht wehrlos gegen dies Ungeziefer,
der anständige Deutsche: "Was wir
hier in diesem Land brauchen, ist der mutige Bürger, der die roten Ratten
dorthin jagt, wo sie hingehören - in ihre Löcher."
Raus
aus'm Loch, rein in's Loch. Gelangweilte Psychoanalytiker hätten ihre Kurzweil
mit dieses Manne Franz.
20. Abenteuer: Wie Franz einmal aus dem Nähkästchen
plauderte
Seit Tendenzen sichtbar sind, es könnte eines Tages das
Machtmonopol der drei Bundestagsparteien angeknabbert werden, gibt es den
Begriff der "Gemeinsamkeit der
Demokraten". Erfunden hat ihn die Union; und Gewitztere im Lager der
Sozialdemokraten argwöhnten schon längst, das Wort sei geschaffen, die SPD von
ihrem linken Umfeld abzutrennen, allweil die CSU/CDU umso ungestörter die NPD
sich einverleiben könnte. (Was beides - notabene - mittlerweile geschehen ist.)
Was sagt Strauß hierzu? Er sagt: "Und jetzt hier in demokratischer Gemeinsamkeit zu sagen, wir Demokraten
in SPD/FDP und CDU/CSU, wir halten also jetzt nun zusammen in dieser Situation,
hier müssen wir den Rechtsstaat retten - das ist alles blödes Zeug! Wir müssen
sagen, die SPD und FDP überlassen diesen Staat kriminellen und politischen
Gangstern. Und zwischen kriminellen und politischen Gangstern ist nicht der
geringste Unterschied, sie sind alle miteinander Verbrecher. Und wir kommen und
räumen so auf, daß bis zum Rest dieses Jahrhunderts von diesen Banditen keiner
es mehr wagt, in Deutschland das Maul aufzumachen. Selbst wenn wir es nicht
ganz halten können. Aber den Eindruck müssen wir verkörpern." Er sagte
dies in Sonthofen, vor den CSU-Bundestagsabgeordneten. Und meinte weiter:
"Da können wir nicht genug an
allgemeiner Konfrontierung schaffen... Stichworte: wir kämpfen für die
Freiheit, gegen den Sozialismus, für die Person und das Individuum, gegen das
Kollektiv, für ein geeinigtes Westeuropa, gegen eine sowjetische Hegemonie über
ganz Europa. Da muß man die anderen immer identifizieren damit, daß sie den
Sozialismus und die Unfreiheit repräsentieren. daß sie das Kollektiv und die
Funktionärsherrschaft repräsentieren und daß ihre Politik auf die Hegemonie der
Sowjetunion über Westeuropa hinausläuft." Und wem eine hochverräterische
Verschwörung der Bundesregierung zugunsten der Sowjetunion immer noch nicht
reicht, dem bietet er weiteres an. "...
Ich möchte wissen, wieviele Sympathisanten der Baader-Meinhof-Verbrecher in der
SPD- und FDP-Fraktion in Bonn drinsitzen. Es ist ein ganzer Haufen."
Bekannt wurde diese vertrauliche Rede durch eine
Indiskretion. Verwundern konnte sie niemanden, der Strauß kennt. "Der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß hat
am Montag in München im Anschluß an eine Vorstandssitzung auf einer Pressekonferenz
die Veröffentlichungen über seine Klausurrede in Sonthofen, die in den letzten
Tagen großes Aufsehen ausgelöst hat, als 'alten Hut' bezeichnet. Er habe sich öffentlich
schon wiederholt ähnlich geäußert, sagte Strauß. (SZ, 11. 3. 1975). Die Mär
von der Gemeinsamkeit der Demokraten aber konnte auch diese Rede nicht aus den
Hirnen wohlmeinender Sozialdemokraten treiben. Verwundern kann auch das
niemanden, der die wohlmeinenden Sozialdemokraten kennt.
21. Abenteuer: Wie Franz die Bamberger Beischlaf-Affäre brovoziert
Olle Kamellen zum Schluß.
Über 50 Jahre sind es mittlerweile her, daß es - während des
Wahlkampfes 1969 - in Bamberg zu einer APO-Demonstration vor dem Rathaus kam.
Grausige Dinge geschahen dort, so grausig, daß Strauß ein Telegramm an den
Ministerpräsidenten Goppel schickte: "Lenke
Ihre Aufmerksamkeit auf die Vorgänge im Bamberger Raum... Diese Personen...
benehmen sich wie die Tiere, auf die die Anwendung der für Menschen gemachten
Gesetze nicht möglich ist..."
Der Deutsche Richterbund schrieb hierzu in einer
Presseerklärung "Das Vokabular
erinnert an Nazi-Zeiten. Auch Rechtsbrecher sind Menschen. Die Störung der
öffentlichen Ordnung durch Gewalttaten erfordert gesetzmäßige Schutzmaßnahmen,
aber die Ordnung ist - wie Bundespräsident Heinemann jüngst in Berlin sagte -
kein Selbstzweck." Strauß hierauf, und von einer unbedachten Äußerung
in momentaner Erregung kann längst keine Rede mehr sein, in einem
Fernschreiben: "Hierzu bemerke ich,
daß Mitglieder der Gruppe, die sich gern außerparlamentarische Opposition
nennt... Verhaltensweisen zeigen, die sonst für Geisteskranke bezeichnend
sind... Ich habe aber nicht verlangt, daß Leute, die sich wie Tiere benehmen,
auch wie Tiere behandelt werden sollen. Ich habe lediglich festgestellt, daß
die Anwendung der für Menschen gemachten Gesetze nicht möglich sei, weil diese
Gesetze auch bei Rechtsbrechern noch mit Reaktionen rechnen, die der
menschlichen Kreatur eigentümlich sind.... Es ist daher schwer verständlich,
daß ausgerechnet der Deutsche Richterbund derartig menschenunwürdiges Verhalten
zu rechtfertigen versucht und mich angreift, wenn ich mich bemühe, ein
Mindestmaß an Autorität gerade der Justiz zu erhalten."
Strauß bekräftigt also seine Aussage, ja er verstärkt und
verschärft sie noch. (Von dem merkwürdigen Bilde, das unser Held von Geisteskranken
hat, wollen wir hier mal schweigen.) Und wieder der Richterbund: "Ihre von uns kritisierte und auch in Ihrem
Fernschreiben wiederholte Auffassung, daß die von Ihnen genannten
Verhaltensweisen 'die Anwendung der für Menschen gemachten Gesetze nicht
möglich' macht, impliziert die Aufforderung zu einer außergesetzlichen Verfolgung.
Gegen die Auffassung, daß bestimmte Gruppen unseres Volkes - und mögen sie sich
auch gesetzwidrig verhalten - rechtlos gestellt werden sollen, müssen wir uns
jedoch im Interesse der Rechtsstaatlichkeit wehren, dies zumal nach den
bitteren Erfahrungen, die im 'Dritten Reich' mit dem Ausschluß bestimmter
Gruppen der Bevölkerung vom Schutz der Gesetze gemacht worden sind."
Und was war geschehen, welch grausige Untat, daß es die
Täter nach Straußens Meinung außerhalb jeglicher Rechtsordnung stellte?
"Im Beisein von
etwa zweihundert Personen treibt ein APO-Mädchen innerhalb weniger Minuten mit
zwei Männern aus der Gruppe Geschlechtsverkehr", weiß der "Bayernkurier" zu berichten und
Strauß erzählt von einem Geschlechtsverkehr, den, so Strauß, "wie es nachweislich ist, eine Studentin mit
kurzfristig wechselnden Partnern vor der Öffentlichkeit, darunter Kindern von
drei bis sechs Jahren" vollzog und bißchen später spricht er sogar von
einem "Geschlechtsverkehr auf
offener Straße".
Diese Schilderung des Vorganges ist soweit richtig, im
Prinzip.
* Aber es geschah nicht "auf offener Straße",
sondern abends auf einer dunklen Wiese und konnte überhaupt nur beobachtet
werden, weil Polizisten mit Handscheinwerfern die Szene ausleuchteten.
* und es waren nicht "kurzfristig wechselnde
Partner", sondern nur ein Paar
* und auch dies eine Paar trieb keinen
Geschl-ächz-verkehr, sondern küßte sich; und selbst dieses nicht des Genusses
wegen, sondern um die umstehenden und sorgfältig die Szene ausleuchtenden
Polizisten zu provozieren.
Der Kollege Shakespeare hatte einst geschrieben, es gebe mehr
Dinge zwischen Himmel und Erde als unsere Schulweisheit sich träumen lasse. Da
ist was dran, mir fällt zu diesem Thema die Oper "Rinaldo" von Georg
Friedrich Händel ein.
Die Oper ist von 1711, das Originallibretto ist von Giacomo
Rossi in italienischer Sprache. Die Oper selbst ist nicht mehr so rasend
bekannt, zwei Arien daraus sind aber über die Maßen berühmt geworden. Die eine
ist Lascia
ch'io pianga / Mia cruda sorte (Lass
mich beweinen / Mein grausames
Schicksal).
Diese Fassung ist aus dem Film Farinelli, der Kastrat von 1994. Da es heute - gottlob! - keine
hochmusikalisch ausgebildeten Kastraten
mehr gibt wurde für den Film die Singstimme Farinelli elektronisch gezaubert. Der
US-amerikanische Countertenor Derek Lee Ragin einerseits und die
polnische Koloratursopranistin Ewa Małas-Godlewska andererseits sangen die Partien und die
Aufnahmen wurden dann elektronisch gemischt.
Das andere Gustostückerl aus dieser Oper ist die Arie Venti Turbini (Zwanzig Turbinen).
Das Bemerkenswerte daran ist der Umstand, daß in der
Entstehungszeit der Oper (1711, wie erwähnt) an Turbinen noch gar nicht zu
denken war. Zwar hatte der Schweizer Mathematiker Leonhard Euler 1707 - 1783 noch im 18. Jahrhundert mit der Eulerschen Turbinengleichung die theoretischen
Grundlagen für die Entwicklung von Turbinen gleich welcher Art gelegt, aber
erst 1827 ist es dem Ingenieur Benoît Fourneyron gelungen, die erste
Wasserturbine zu entwickeln, die wirklich funktionsfähig war. Und die Turbine,
wie wir sie heute kennen wurde 1912 von Viktor Kaplan erfunden.
Bis heute haben weder Musik- noch Wissenschaftshistoriker eine Erklärung für
dieses verblüffende Vorauswissen von Giacomo Rossi gefunden. Die von Experten
bevorzugte Theorie eines Besuchs von Außerirdischen konnte zwar nicht bewiesen
werden, scheint aber die einzig mögliche Theorie zu sein.
Ein ausgesprochen alltägliches Bild. Eine Frau [1]
sitzt auf einem Stuhl an einer nicht weiter interessanten Meerespromenade,
raucht eine Zigarette und gestikuliert dabei lebhaft mit den Händen. Keine
allzu junge Frau mehr, keine ungewöhnlich attraktive Frau, gekleidet in
bequemen und keinesfalls auf sexuelle Attraktivität spekulierenden schlabbrigen
Klamotten.
Und doch: Ich kann mir nicht helfen, dieses Bild wirkt auf
mich unheimlich sexy.
Woran kann es liegen? Vielleicht an der männlichen Sitzhaltung mit den weit geöffneten Schenkeln. Eine
Sitzhaltung, die man tatsächlich fast nur bei Männern oder dann wiederum bei
alten Frauen findet. Wahrscheinlich aber liegt es vor allem daran, daß ich eine
Vorliebe für abgebrezelte Frauen habe. "Abgebrezelt" heißt "naturbelassen": Schlabbrige
Kleidung, keine Schminke, kein Ohrringerl, kein Halsketterl, kein
Fingerringerl, kein Dingsbumserl... bloß eine Frau. Im Zweifelsfall darf sie
auch nackt sein, ich bin da nicht dogmatisch.
_____________________________________
[1]Daß es sich laut Bildunterschrift in der
Originalzeitung um Isabella Rossellini handelt, die Tochter von Roberto
Rossellini und Ingrid Bergmann, spielt keine Rolle.
Nachts auf der Straße ausgeraubt zu werden, ist ein
Mißgeschick, das jedem von uns passieren könnte. Auch ein Straßenraub, - der
nachts um halb drei in der Nähe des New Yorker Central Parks von Nutten
begangen wird, sähe so manche von uns noch als potentielle Opfer. Vorausgesetzt
natürlich, wir würden uns dort zum Schnallentreiben [1]
entschließen; und wären tollkühn genug, mitten im Herzen der Haupt-Stadt
unserer Freien Welt nachts noch auf die Straße zu gehen.
1. Abenteuer: Wie Franz einmal einen Freibrief für Verbrechen ausstellte
Unser Held - und hier enden alle Parallelen zwischen uns
halbwegs gesetzestreuen Normalbürgern und ihm - unser Held also entzog sich
seiner Pflicht, an der Aufklärung und Bestrafung eines Verbrechens mitzuwirken.
Weigerte sich, an der Gerichtsverhandlung als Zeuge
aufzutreten und zwang so die Behörden, das Verfahren unverrichteter Dinge
einzustellen. Klar, daß der Richter sauer war:
"Richter Lane bezeichnete es als eine Ironie,
daß in der Zeit der ständig zunehmenden Straßenkriminalität der Hauptzeuge
eines Verbrechens, nämlich das Opfer selbst, nicht vor Gericht erscheinen
wolle. Wenn jedermann diesem Beispiel folgen würde, wäre dies gleichbedeutend
mit der Ausstellung eines Freibriefes zum Begehen von Verbrechen! Seine
Entscheidung ist unglücklich, denn abgesehen von der Negierung der
ausgezeichneten Arbeit der Strafverfolgungsbehörden ist es ein sehr schlechtes
Beispiel für den gewöhnlichen Bürger." (SZ vom 20. 1. 1972)
2. Abenteuer: Wie
aus Franz ein Franz Josef und aus diesem dann ein Dr. Franz Josef wurde
Der Mensch, von dem hier die Rede ist, hatte einen Ruf als
einer der härtesten und entschiedensten Law-and-order-Männer, die diesen von
uns bewohnten Landstrich unsicher machen. Im Taufverzeichnis des Standesamtes,
beim polizeilichen Melderegister und im "Handbuch des Deutschen
Bundestags" von 1949 ist er als "Franz Strauß, geb. am 6. 12. 1915 in
München" aktenkundig. Allseits bekannt - aus Film, Funk und Fernsehen -
ist er aber unter seinem Künstlernamen "Dr. Franz Josef Strauß". Die
Buchstaben "D" und "r" mitsamt dem abschließenden Punkt hat
sich der gelernte Lateinlehrer auf dem Zweiten Bildungsweg erworben, durch ein
Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Innsbruck. Den zweiten
Vornamen "Josef" hat er sich irgendwann im Laufe seiner Karriere
einfach zugelegt - vermutlich des Wohlklangs wegen.
3. Abenteuer: Wie die Börse einmal fieberte vor Sehnsucht nach Franz
Er hat eine Vergangenheit, die ausreichen würde, einer
ganzen FDP-Landtagsfraktion politisch den Hals zu brechen. Nicht nur, daß er
diese Vergangenheit schadlos überstanden hat und schließlich zum Ober-Bayern wurde,
lange Zeit schien es, daß er auch noch eine Zukunft vor sich habe. Und während
man im Herbst 1980 in den Kellern, wo die roten Ratten hausen, schon mal schwitzte
vor Angst hatte die Börse längst auf den frischgekürten Kanzlerkandidaten
reagiert: mit einer "Strauß-Hausse" auf dem deutschen Aktienmarkt,
kaum daß die Nachricht von seiner Nominierung die Runde gemacht hatte. In
fiebrig-freudiger Erwartung sehnte man den Tag herbei, da ein Kanzler Strauß
sich evtl. anschicken würde, den Couponschneidern die Rendite zu sichern, noch besser
zu sichern als man dies vom Kanzler Schmidt gewohnt gewesen war. In diesen
Kreisen weiß man nur zu genau, was man an ihm hat, dem Franz. Oberhalb der
jährlichen hunderttausend DM-Grenze herrscht ein Klassenbewußtsein, von dem die
Arbeiterbewegung in Restdeutschland nur träumen kann.
4. Abenteuer: Wie
der große Franz noch ein kleines Würstchen war im Großen Verein
Der 1915 geborene Strauß war alt genug für eine 1000jährige
Vergangenheit. Frappierend dabei ist allerdings, daß jemand mit solcher
Nazi-Vergangenheit in dieser Republik derart hoch steigen kann, wie es Franz
Strauß getan hat.
Globke hatte als Rechtsgelehrter die Nürnberger
Rassengesetze NS-konform kommentiert und ist dann bei Adenauer bloß
Staatssekretär im Kanzleramt geworden. Kiesinger war immerhin in der
reichsdeutschen Ministerialbürokratie loyal tätig, ehe er es dann zum Ministerpräsidenten
und Bundeskanzler gebracht hatte. Filbinger gar mußte als Militärrichter mit
Blut auf dem Latz wirken um später Ministerpräsident werden zu können. Und auch
Carstens konnte als Befähigungsnachweis für das Bundespräsidentenamt neben
seiner Mitgliedschaft im Großen Verein auf treue Dienste in der großdeutschen
Ministerialbürokratie verweisen. Dagegen Franz:
1937 dem Nationalsozialistischen
Deutschen Studentenbund (NSDStB) beigetreten (einer Untergliederung der
marxistisch-bolschewistischen Weltverschwörung, wie uns dem Strauß sein Stoiber
und dem Stoiber sein Sauter schon mal weiszumachen versucht hatten); im selben
Jahr auch Eintritt in das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK),
woselbst er beim Sturm 23/M 6 in München "weltanschaulicher Referent"
wurde. Damit ist seine NS-Vergangenheit auch schon vollständig aufgezählt. Weit
war es gekommen mit dieser Republik, daß damals schon kleine Mitläufer beim
großen Holocaust-Spiel nach dem wichtigsten Staatsamt greifen durften. Der
NSDAP-Präsident Karl Carstens hätte sich eines simplen NSKK-Kanzlers an seiner
Seite ewig schämen müssen. Nachfolger von Helmut Schmidt wurde dann Helmut
Kohl, gesalbt mit der Gnade der späten Geburt.
Was viele nicht wissen: Helmut Kohl ist wie Strauß gebürtiger
Bayer. Als er 1930 in Ludwigshafen geboren wurde, war die linksrheinische Pfalz
noch Teil von Bayern, erst 1945 wurde sie durch ein Arrangement der Alliierten
Besatzungsmächte der französischen Besatzungszone zugeschlagen und schied 1946
aus dem bayerischen Staatsverband. 1956 gab es ein Volksbegehren zur
Wiedervereinigung des Gebietes mit Bayern, das aber - wir wissen es alle -
scheiterte.
5. Abenteuer: Wie Franz einmal ein Atom-Ei legte
Nachdem dann vorerst Schluß war mit dem Nazi-Spielen und
Völkermorden wurde Franz Strauß Landrat von Schongau; auch Gründungsmitglied
der Christlich-Sozialen Union, seit 1949 ihr Generalsekretär. Als dem
Widerstand von KPD und CSU zum Trotz (beide hatten im Parlamentarischen Rat
gegen das Grundgesetz gestimmt) die Verfassung in Kraft getreten war, zog Franz
Strauß als Abgeordneter in den 1. Deutschen Bundestag ein. Seit überhaupt
Strauß-Biographien geschrieben werden, hat es sich eingebürgert - und durchaus
als sinnvoll erwiesen - das Leben des zu beschreibenden Helden einzuteilen in
Affären. Wie die Jahresringe von Bäumen markieren sie natürliche Einschnitte in
den Fluß der Zeit. Wobei die Zählung gemeinhin beginnt mit der HS 30‑Affäre
(die jeweils letzte aufgeführte Affäre hängt natürlich ab vom Erscheinungsjahr
des Buches). Wenig - oder gar keine Erwähnung findet deshalb Straußens Amtszeit
als "Bundesminister für Atomfragen" von 1955 - 1956 (nachdem er zuvor
bereits Bundesminister "ohne Geschäftsbereich", dann einer "für
besondere Aufgaben" gewesen war). Dieser Strauß'schen Amtszeit verdanken
wir die Einführung der friedlichen Kernenergienutzung in der Bundesrepublik.
Eine Errungenschaft, die erst viel später im Bewußtsein der Öffentlichkeit zum
Ärgernis wurde. Obwohl der Startschuß in's Atomzeitalter möglicherweise die
folgenschwerste Tat von Franz gewesen ist, können wir ihm gerade diese
Hinterlassenschaft subjektiv am wenigsten vorwerfen: Bis auf ein paar schlaue
Leute wollte 1955 jeder Atomkraftwerke.
6. Abenteuer: Wie Franz einmal sehr nett war zu einigen Bayernparteilern -
und zu anderen ganz böse
Die Frage allerdings, ob dieses Atom-Ei nun als seine erste
Affäre zu zählen ist oder nicht, erübrigt sich ohnehin, da Franz bereits 1950
als Skandal-Onkel debütierte; als er nämlich in die sogenannte
"Hauptstadt-Affäre" verwickelt war. Es ging darum, daß eine Reihe von
Abgeordneten der Bayernpartei, entgegen ihrem gerade gefaßten
Fraktionsbeschluß, für Bonn als der provisorischen Hauptstadt der BRD gestimmt
hatten, hierzu motiviert durch Geldzuwendungen von Seiten der CSU. Zwar konnte
die Affäre - wie so viele politischen Affären - nie restlos aufgeklärt werden. Fest steht aber, daß die
Bayernpartei-Abgeordneten Geldgeschenke von der CSU erhalten hatten - kleine
Aufmerksamkeiten im Bereich zwischen 10.000 und 20.000 DM pro Nase, was
damals eine Menge Geld war. Die Verhandlungen mit den zu Beschenkenden führte
der nachmals selbst so reichlich beschenkte Franz Strauß, CSU-Generalsekretär damals
noch.
Verdienste um seine Partei hatte sich Strauß auch erworben,
als es ihm gelungen war, die rivalisierende, weil aus dem gleichen
Wählerpotential schöpfende Bayernpartei bis zur Bedeutungslosigkeit zu
zerschlagen. Ihre führenden Funktionäre integrierte er entweder voll in die CSU
oder - so sie sich widerborstig zeigten - er ruinierte sie politisch und sogar
in ihrer bürgerlichen Existenz - geschehen mit den Opfern der sogenannten
"Spielbanken-Affäre".
7. Abenteuer: Wie Franz schließlich rausfand, daß Nehmen doch habseliger
ist als Geben und auch danach handelte
Ein Anfang war also gemacht mit Affären und Strauß fand
Gefallen an seinem neuen Hobby.
Kaum war er 1956 Verteidigungsminister geworden, bestellte
er riesige Mengen Schützenpanzer bei der Schweizer Firma HISPANO SUIZA. Bei
einem Laden, der allerlei Tötezeug und Kriegsgerät schon gebaut hatte bis
dahin, nur eben keine Schützenpanzer. Das eben bestellte Modell HS 30
schon gar nicht; nicht mal als Prototyp. Der Verdacht, daß hier Freunde sehr
lieb zueinander gewesen waren und sich gegenseitig reich beschenkt hatten,
wurde schon bald laut, konnte aber - das alte Lied - nie ganz geklärt werden.
Geklärt werden konnte allerdings, und dies mit jeder nur wünschenswerten
Deutlichkeit, daß die dann gelieferten Panzer im Gesamtwert (besser: zum
Gesamtpreis.) von 2,5 Milliarden DM (zweitausendfünfhundertmillionen Deutsche
Mark) einen Dreck taugten. Und 2,5 Milliarden DM waren damals noch ein Geld.
Zwei Jahre darauf bestellte er den Starfighter.
Diesmal - ein Fortschritt, immerhin - bei einer Firma, die zuvor schon mal
Flugzeuge gebaut hatte, bei Lockheed. Der Starfighter speziell allerdings wurde
von Lockheed noch gar nicht produziert, war, in der von der Bundesrepublik
Deutschland gewünschten Form, auch 1964 noch nicht einsatzreif. Und als dann
schließlich der Starfighter seinen Dienst tat, hielt er genau das, was man zum
Zeitpunkt seiner Beschaffung schon von ihm erwarten durfte: er erwies sich als
ein rechts Glump, allen Verbesserungen zum Trotz. 200 abgestürzte Maschinen bis
jetzt, 100 tote Piloten und das kleine Wunder, daß keines dieser Dinger auf
eine Stadt geplumpst ist.
8. Abenteuer: Wie Franz einmal dem Evangelist Johannes eine
Empfehlungsepistel schrieb
Und abermals 2 Jahre später war Strauß wiederum nett zu
seinen Freunden, gab ihnen - als Minister - ein Empfehlungsschreiben mit auf
den Weg. Seine Freunde waren diesmal der Passauer Verleger Dr. Johann
Evangelist Kapfinger und hinter diesem ein "phosphoreszierender
Kometenschweif höchst zweifelhafter Existenzen" (so der CDU-Abgeordnete
und ehemalige Bundesanwalt Max Güde im Bundestag). Unterkünfte für die
amerikanischen Streitkräfte in Deutschland wollten sie bauen, Kapfinger und
seine Freunde, und gründeten zu diesem Zweck die "Finanzbau
Aktiengesellschaft" (FIBAG). Strauß, ein guter Freund zu jeder Zeit,
empfahl sie weiter an seinen amerikanischen Kollegen. Eine Hand wusch
solcherart die andere; das ist aktenkundig. Ungeklärt aber ist, ob auch die
andere Hand der einen ihren Liebesdienst vergolten hat - durch Waschung,
Salbung, Schmierung ihrerseits.
9. Abenteuer: Wie Franz einmal ganz entspannt war in spannungsreicher Zeit
Als die Gefahr eines direkten bewaffneten Konfliktes
zwischen den Supermächten so groß war wie nie zuvor und seither nicht wieder,
war Strauß immer noch Verteidigungsminister. Und als in der Nacht vom 24. auf
den 25. Oktober 1962 die Krise ihren Höhepunkt erreichte, als sowjetische
Frachter mit Atomraketen für Kuba an Bord geradewegs auf den Blockadering der
Amerikaner zufuhren - war Strauß auf einem Empfang in Schloß Brühl, allwo er
Alkohol in jeglicher Gestalt und fast beliebiger Menge inhalierte. Bayerische
Folklore halt in ihrer feuchtesten Form. Zunächst bloß angetrunken, pöbelte er
recht grob - und also wiederum weißblau-folklorisch - die anwesenden sozialdemokratischen
Parlamentarier an, wünschte gar den späteren Justizminister Jahn an den Galgen.
In den frühen Morgenstunden dieser Krisennacht fand man dann den Befehlshaber
der Bundeswehr in einem Gebüsch des Schloßgartens - stockbesoffen und "in
einem erbärmlichen Zustand". Nun mag man sagen: Was soll's? Was könnte uns
denn Besseres passieren, als daß Strauß in der Stunde der Entscheidung besoffen
im Busch liegt? Besser dort, jedenfalls, als auf seinem Amtssessel. Da ist was
dran, doch. So gesehen ist die "Kuba-Krisen-Suff-Affäre" gar keine
Affäre gewesen, sondern eine Chance, die ungenutzt vertan wurde.
10. Abenteuer: Wie Franz einmal eine Grube aushob und schließlich selbst
reinfiel
SPIEGEL und Strauß hatten sich noch nie gemocht. Es war der
SPIEGEL, der die FIBAG-Affäre enthüllt hatte; es war der SPIEGEL, der den
Skandal um "Onkel Aloys" Brandenstein aufgedeckt hatte (eine
Strauß'sche Klein-Affäre, auf die aus Platzmangel nicht näher
eingegangen wird. Ebensowenig wie auf die Fälle des Oberstleutnants Barth,
des Polizeihauptwachmeisters Hahlbohm - beides Strauß-Geschädigte - und des
Rechtsanwaltes und Julius-Streicher-Freundes Dr. Peter Deeg - ganz entschieden
ein Strauß-Begünstigter. "Klein" waren diese Affären natürlich nur im
Vergleich; jede von ihnen hätte ausgereicht, einen Durchschnittspolitiker um
Amt und Würden zu bringen).
Im Oktober 1962 nun erschien der SPIEGEL mit einem Artikel
über die Bundeswehr, in welchem schwerwiegende Mängel in der konventionellen
Ausrüstung der Bundeswehr aufgedeckt wurden. Die Behauptung, daß die Bundeswehr
ein nur bedingt abwehrbereiter Sauhaufen sei, wurde nicht als polemischer
Angriff gegen den verantwortlichen Verteidigungsminister aufgefaßt, sondern -
die Behauptungen trafen also zu - als Landesverrat.
Als "Abgrund von Landesverrat" gar, wie Adenauer
damals raunte. Augstein wurde verhaftet, die Redaktions- und Wohnräume
durchsucht, der Redakteur Conrad Ahlers auf Veranlassung von Strauß in Spanien
verhaftet. Eine Maßnahme, die einzuleiten Strauß keinerlei Befugnis hatte. Dies
und die Tatsache, daß er in Sachen SPIEGEL Affäre wenig später den Bundestag
kräftig angelogen hatte, hat ihn erstmal zu Fall gebracht, für paar Jahre
wenigstens. Es waren die FDP-Minister im Kabinett Adenauer gewesen, die den
längst untragbar gewordenen Kollegen nicht mehr tragen wollten und auch die
CSU/CDU-Fraktion zwangen, Strauß zum Rücktritt zu drängen.
Weiter geht's demnächst. In diesem Theater.
Wird Franz noch einmal den Weg nach oben schaffen?
[1]Bairisch, derb, für "Umgang mit Prostituierten
pflegen".