Montag, 16. Mai 2022

Ananas - mit dem Boot stromaufwärts

In der vierklassigen Volksschule Gern hatte ich mein erstes und womöglich einziges Erweckungserlebnis. Die Volksschule Gern war damals - vor den Großen Politischen Und Pädagogischen Reformen - eine vierklassige Volksschule, jeweils zwei Jahrgänge wurden zusammen in einer Klasse unterrichtet. In dieser Schule habe ich in einer Vertretungsstunde vom Rektor die Kunst des Kartenlesens und -zeichnens gelernt. Seither bin ich den Landkarten, Stadtplänen und dem Reisen verfallen.

Es traf sich gut, daß mir eben zu dieser Zeit der Osterhase ein Boot geschenkt hatte, mit dem ich dann ausgedehnte Reisen unternahm. Es war ein Motorboot mit einer kugelsicheren Plexiglashalbkugel, weder die Giftpfeile irgendwelcher Eingeborenen [1] konnten mir etwas anhaben, noch die Gewehrkugeln irgendwelcher Schurken. Eine Klimaanlage schützte mich vor der Hitze der Tropen und der Kälte der Eisregionen. Mit dem Boot konnte ich wie mit einem Auto auf dem Land fahren, ja sogar fliegen und tauchen. Ich weiß noch, wie ich vom Meer aus in den Ananas einfuhr und dann gemächlich den Strom emportuckerte. Wurde ich müde, legte ich mich schlafen, ich war ja geschützt, nichts und niemand konnte mir etwas anhaben. Und wenn ich dann aufwachte, war ich wieder daheim und mußte in die Schule. Der Trick funktionierte zuverlässig.

Auf diese Weise lernte ich die ganze Welt - oder doch einen erheblichen Teil von ihr - kennen. Es erschien mir unnötig, die Welt tatsächlich zu bereisen, es erscheint mir dies noch heute. Zu viele Globetrotter habe ich getroffen, die von Tuten und Blasen [2] keine Ahnung hatten, welche von den bereisten Ländern nur den touristenüblichen Unfug wußten, den sie sich bereits zuhause angelesen hatten. Warum also sollte ich mich den Gefahren des Dschungels und des Hochgebirges aussetzen, Malaria und Frostbeulen erdulden, wenn es genug Narren gibt, die dies schon vor mir getan hatten und mir nur zu gerne davon in Wort und Bild erzählen möchten? "Warum sich einen Hund halten und dann selber bellen?" hatte es einst Hercule Poirot auf den Punkt gebracht.

1958, ich war 8 Jahre alt, war die Fußballweltmeisterschaft in Schweden, Weltmeister wurde Brasilien und der Stern von Pelé ging auf. Mit Begeisterung schwadronierte ich vor den Stammgästen im Lokal von Brasilien. Diese Stammgäste meinten, ich solle doch nicht so daherreden, ich wüßte doch nicht mal, wo dieses Brasilien liege. Und ich erzählte ihnen von Brasilien und seiner Lage in Südamerika, dort spräche man Portugiesisch, anders als im übrigen Latein(!)amerika. 

Ich wäre allerdings glücklicher gewesen, hätte Gott nicht in seinem namenlosen Zorn István Zsolt erschaffen. István Zsolt war ein stadtbekannter Kommunist, Trunkenbold und leider auch Fußballschiedsrichter. Zsolt leitete 1958 das Halbfinalspiel Schweden-Deutschland in Göteborg. Beim Stande von 1:1 verwies der Serienlustmörder Zsolt den Düsseldorfer Erich Juskowiak wegen eines Revanchefouls vom Platz, nachdem Kurt Hamrin [3] ihm einen Tritt verpasst hatte. Hamrin wurde aber nicht vom Platz gestellt. Nachdem Fritz Walter wenig später schwer gefoult wurde und er sich dadurch am Knöchel verletzte, was vom Schiedsrichter nicht geahndet wurde, spielte die deutsche Mannschaft praktisch nur noch mit neun Spielern (damals waren Auswechslungen noch nicht erlaubt und Walter konnte kaum mehr am Geschehen teilhaben) und verlor das Spiel mit 1:3. In Deutschland wurde schon vor dem Spiel Kritik laut, dass die FIFA einen ungarischen Schiedsrichter für das Spiel ausgewählt hatte. Vier Jahre zuvor hatte nämlich Deutschland gegen Ungarn das Endspiel der Weltmeisterschaft 1954 gewonnen, "Das Wunder von Bern". Nach diesem Spiel war die kommunistische Weltverschwörung offenbar geworden und der Kalte Krieg wurde angepfiffen.

Ich wünsche Herrn Zsolt immer noch die Pest an den Hals, aber leider hat sich der feine Herr meinem Haß durch feigen Tod entzogen, 1991. Mit 70 Jahren, man stelle sich vor, was schon damalszutage kein Alter, sondern  nur ein Vorwand war, sich dem Unbill des Lebens durch frühzeitigen Tod zu entziehen.

Irgendwann - um auch das noch zu erwähnen - hat mir einer der Professoren an der Uni gesagt, es hieße gar nicht Ananas, sondern Amazonas. Ananas sei vielmehr der Schwiegervater von Kaiphas gewesen, der damals die Kreuzigung Jesu betrieben hat und sich dadurch unsterbliche Verdienste um das Seelenheil aller  nachfolgenden Generationen erworben hat. Wikipedia nennt zwar den Schwiegervater von Kaiphas beharrlich Hannas, aber das ist nur eine Machenschaft von IHNEN! Ich aber habe SIE! durchschaut.

Mein Multiplex-Boot hatte Atomantrieb, wie der funktionierte, war mir schon damals nicht recht klar. Irgendwann, bei einem sehr unerfreulichen Zwischenfall - den ich hier nicht schildern möchte, umso weniger als ich mich nicht mehr dran erinnere - sind mir einige Krümelchen Atom über Bord gegangen. Die Krümelchen haben sich vermehrt und die so entstandenen Atomkrümelkrümelchen desgleichen und so weiter, und so fort. Und so ist aus dem Ananastiefland [4] inzwischen ein riesiges Atommüllzwischenlager geworden. Wegen der Atomhitze brennen die Wälder ab, wegen der Atomstrahlen sterben Mensch und Tier und in wenigen Jahren wird es keinen Ananas-Regenwald mehr geben. Brasilien wird die Ausfuhr von Sauerstoff stoppen und wir werden alle ersticken. Die Posaunen des Jüngsten Gerichtes (angebratene Kochsalamiwürfel mit Weißen Bohnen und Spiegeleiern) werden wir schon nicht mehr hören. Drum, Leute, Bayreuth, Bayreuth [5]!

Ich geh jetzt mal kacken, das Ankündigen der Apokalypse ist doch sehr verdauungsfördernd, deswegen heißt es auch bis auf den heutigen Tag "Scheißweltuntergang".



[1]   Irgendwer ist ja immer irgendwann irgendwo geboren. Ich zum Beispiel kam seinerzeit als Eingeborener von Trizonesien zur Welt, heidi-tschimmela-tschimmela-tschimmela- tschimmela-bumm!

[2]   Wußten Sie schon, daß Urologen zwar keine Ahnung von Tuten haben, umso mehr aber von Blasen?

[3]   Wie allgemein bekannt sein dürfte ist Kurt ein türkischer Vorname, der soviel bedeutet wie "Wolf". Mein bürgerlicher Vorname lautet Wolfram, mein im Krieg getöteter Onkel Kurt hieß mit Vornamen Kurt. Daraus läßt sich viel über die Welt und die Zusammenhänge in ihr ableiten.

[4]   Ich möchte keine Reklame für die Leuteschinder-Firma amazon machen und nenne den Fluß weiterhin Ananas.

[5]   Auf Hebräisch heißt das "Beirut, Beirut", auf Deutsch sagt man, glaub ich, "bereut, bereut".

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