Der erste Satz des ersten Romans von Thomas Mann ist: "Was
ist das." Und so geht's weiter: "-- Was -- ist das ..." - "Je, den Düwel ook, _c'est la
question, ma très chère demoiselle_!"
Dieser erste Satz
eines gänzlich anderen Schriftstellers ist auch nicht schlecht: "In M..., einer bedeutenden Stadt im oberen
Italien, ließ die verwitwete Marquise von O..., eine Dame von vortrefflichem
Ruf, und Mutter von mehreren wohlerzogenen Kindern, durch die Zeitungen bekannt
machen: daß sie, ohne ihr Wissen, in andre Umstände gekommen sei, daß der Vater
zu dem Kinde, das sie gebären würde, sich melden solle; und daß sie, aus
Familienrücksichten, entschlossen wäre, ihn zu heiraten."
Mein
Lieblingsromananfang ist aber dieser: "Zugegeben:
ich bin Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt..."
Max Frisch hat einst
einen Roman über einen schwulen Bleistift geschrieben, der so begann: "Wir starteten in La Guardia, New York, mit
dreistündiger Verspätung infolge Schneestürmen." Im Folgenden kann
"Homo Faber" jedoch die geweckten Erwartungen nicht einlösen. Obwohl
die Handlung stellenweise aufregend ist schafft es Frisch, derart verschnarcht zu
erzählen, daß ich noch vor der (unwissentlichen, versteht sich) Liebesaffäre Fabers
mit seiner leiblichen Tochter eingeschlafen bin.
Aber pfeif drauf. Der
beste Romananfang ist eh dieser:
"In wollüstiger Vorfreude leckte sich Shirley
über ihre feuchtschimmernden Lippen. 'Ich glaube, wir werden heute abend noch
viel Spaß haben miteinander', gurrte sie mit rauchiger Altstimme, während sie
langsam, aufreizend langsam den schwarzseidenen BH öffnete und ihre strammen
Brüste freilegte. Buzz Kowalsky hatte eine rotglänzende Birne; rot von den
vielen Drinks, die er am heutigen Abend schon in sich hineingeschüttet hatte
und schweißglänzend vor Aufregung. Er kicherte nervös beim Anblick der
halbnackten Frau. Seine alkoholumnebelten Augen gaben ihr Bestes, einen
lüsternen Ausdruck auf sein Gesicht zu zaubern. Shirley streifte nun auch den
Slip von ihren Hüften und bot ihren schlanken, nahtlos braunen Körper ganz ohne
Hüllen den begehrlichen Blicken Kowalskys dar. Mit einem trägen, lasziven
Swingen ihres Körpers tänzelte sie auf ihn zu und kniete vor ihm nieder. Lüstern
griffen gepflegte Hände mit rotlackierten Nägeln nach Kowalskys Unterhose. Da
klopfte es an der Tür des Hotelzimmers. 'Oh, verflucht', stöhnte Kowalsky, der
längst an einem Punkt war, wo ihn nichts mehr auf dieser Welt interessierte,
nur noch der makellose Körper dieser willigen Frau. 'Kümmere dich nicht drum',
flüsterte er Shirley ins Ohr. Der unerwünschte Besucher aber ließ sich nicht
abwimmeln. Ein Schlag, ein Splittern und die aus dem Schloß getretene Tür
schlug krachend auf. Ein schwarzgekleideter, schwarzmaskierter Mann sprang
herein, brachte eine mattschimmernde MP in Anschlag und drückte ab. Eine Salve
aus der automatischen Waffe des eiskalten Killers jagte auf Kowalsky zu, Kugeln
& Kugeln & Kugeln zerfetzten seinen teigigen Leib und verwandelten ihn
in einen blutigen... Mit wohligem Schnauben schob sich ein, mit Unterhose und
Leiberl ansatzweise bekleideter Herr den letzten Löffel Rühreier zwischen die
Zähne, spülte mit schwarzem, stark gesüßten Kaffee nach und ließ sich satt
prustend gegen die Lehne seines Stuhles fallen. Er griff nach der Fernbedienung
und schaltete Videorecorder und Fernseher aus."
Daß ich's nicht
vergesse: Eine lobende Erwähnung verdient dieser grandiose Romananfang eines
geschätzten Kollegen, der mit den ersten - autobiographischen - Sätzen bereits
mitten hinein in die Handlung springt.
"Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und
die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist
Gottes schwebte über dem Wasser."
Und außer Konkurrenz: "Eine Famulatur besteht ja nicht nur aus dem
Zuschauen bei komplizierten Darmoperationen, aus Bauchfellaufschneiden,
Lungenflügelzuklammern und Fußabsägen, sie besteht wirklich nicht nur aus
Totenaugenzudrücken und aus Kinderherausziehen in die Welt. Eine Famulatur ist nicht
nur das: abgesägte ganze und halbe Beine und Arme über die Schulter in den
Emailkübel werfen. Auch besteht sie nicht aus dem ständig hinter dem Primarius
und dem Assistenten und dem Assistenten des Assistenten Dahertrotteln, aus dem
Schwanzdasein der Visite. Aus dem Vorspiegeln falscher Tatsachen kann eine
Famulatur auch nicht bestehen, nicht aus dem, daß ich sage: “Der Eiter wird
sich ganz einfach in ihrem Blut auflösen, und Sie sind wieder gesund.” Und aus
hunderterlei anderen Lügen. Nicht nur daraus, dass ich sage: Es wird schon!” –
wo nichts mehr wird. Eine Famulatur ist ja nicht nur eine Lehrstelle für
Aufschneiden und Zunähen, für Abbinden und Aushalten. Eine Famulatur muß auch
mit außerfleischlichen Tatsachen und Möglichkeiten rechnen."
Wessen Sound ist hier
zu hören? Und in welchem Roman?