27.6.19

Anarchie führt ins Chaos

Ich stelle eine Frage und bitte um eine schnelle, spontane und ehrliche Antwort.
Frage: Führt Anarchie ins Chaos?
Ich vermute mal, die meisten werden geantwortet haben: "Freilich, wohin soll Chaos auch sonst führen?"

Das letzte Mal, daß in Deutschland das genaue Gegenteil von Anarchie herrschte, war von 1949 bis 1989 in der DDR.

Das Ende vom Lied war das Chaos, der Zusammenbruch. Vom vorletzten Mal, 1933 bis 1945, will ich gar nicht erst reden.
Jeder weiß, daß Zucht und Ordnung ins Chaos führen, noch jedes Mal. Aber keiner will auch nur einmal ausprobieren, ob Anarchie vielleicht besser funktioniert. Weil nämlich jeder Narr weiß, beziehungsweise zu wissen glaubt, daß es gar nicht funktionieren kann.


Der Franze hat gsagt, eine Anarchie wär gar nicht schlecht. Allerdings, sagt er, müßte ein strenger Ober-Anarch an der Spitze sein.

Warum in Afghanistan gekämpft wird

Aus dem Stück "Die letzten Tage der Menschheit" von Karl... nein, doch nicht, sondern bloß von Wolfram Heinrich
Im Feld-Hauptquartier vor Ort in Afghanistan
GENERAL Hömma, Obergeneral, was ich dich schon immer fragen wollte...
OBERGENERAL während er eifrig einen streng geheimen Bericht in seinen Laptop klopft Ja?
GENERAL sinnend Was machen wir hier eigentlich?
OBERGENERAL klopft weiter konzentriert auf seinen Laptop ein Wir führen Krieg, wie dir vielleicht schon aufgefallen ist.
Kurzes, spöttisches Lächeln - er ist so dumm, und ich bin sein Chef - dann hämmert er weiter.
GENERAL Na ja, nun, so blöd bin nicht mal ich. Was ich meinte war - wozu führen wir diesen Krieg?
OBERGENERAL Um den Feind zu besiegen? Könnte das hinkommen?
GENERAL Ja, ja, verarsch du mich nur. Was ich mich frage: Was ist der Sinn, was ist das Ziel dieses Krieges?
Der Obergeneral blickt erstaunt auf. Sein Gesicht nimmt den Ausdruck angestrengten Nachdenkens an. Er denkt - eine zeitlang.
OBERGENERAL Hm, das ist eine gute Frage, die du da stellst.
Der Obergeneral greift zum Telefon, wählt eine Nummer und wartet. Schließlich...
OBERGENERAL Ah, du bist's. Hömma Barack, alter Nigger, was ich dich schon immer fragen wollte...

In einem Internet-Diskurs über den Afghanistan-Krieg meinte einer voll bitterer moralischer Resignation: "Das sinnlose Töten wird nicht nur nicht gestoppt. Es geht nicht nur einfach weiter. Es nimmt zu."
Ich versuchte, ihn zu trösten.
Das Wort vom "sinnlosen Töten" will ich nicht gehört haben!
Ja, sind das denn alles Idioten, die dort töten, töten lassen, getötet werden? Als wenn schon je - mals ein Krieg sinnlos geführt worden wäre.
Das Wort vom "sinnlosen Krieg" gehört in die "Rhetorik der Unfaßbarkeit". Wie gerne ist nicht die Rede davon, jemand habe mit unaussprechlicher, unvorstellbarer, unbeschreiblicher und, ja, unfaßbarer Grausamkeit gehandelt. Natürlich ist diese und jede andere Grausamkeit aussprechbar, beschreibbar, vorstellbar. Und alltäglich.
Alltagserfahrung und die sich nicht in die Behaglichkeit des Mysteriums zurückziehenden Teile der Philosophie lehren uns, daß nichts, aber auch überhaupt nichts auf dieser Welt einfach so geschieht, daß nichts, aber auch überhaupt nichts auf dieser Welt sinnlos ist. Der Sinn muß dabei nicht der Sinn sein, den ich oder du uns wünschen.
Von Spinoza stammt der schöne Satz: "Jede Erscheinung beweist ihre Notwendigkeit durch ihr Dasein." Das ist ganz früher, rasiermesserscharf [1] formulierter Darwin. Das Dasein des Pestbakteriums beruht nicht auf meiner Notwendigkeit, ich kann ganz gut ohne Pest leben, das Pestbakterium sieht das etwas anders.
Die Welt ist prinzipiell erkenn- und verstehbar.
Das ist natürlich nichts weiter als ein unbewiesener, unbeweisbarer Glaubenssatz. Ich werde diesen Satz nie beweisen können, er wäre erst dann bewiesen, wenn die Welt wirklich zur Gänze von Menschen verstanden wäre.
Aber: Der Satz ist eine Anleitung zum praktischen Denken. Ich - und das ist meine Denkmethode - tue so, als wäre der Satz richtig und bewiesen. Und ich tue das deshalb, weil mich dieser Glaubenssatz davor bewahrt, mich voreilig auf die bequem Position des prinzipiell Unerklärbaren zurückzuziehen.
Das Denken hört auf, wenn ich irgend etwas als unfaßbar, unbegreiflich, sinnlos deklariere. Die Dinge sind nicht prinzipiell unverständlich, ich kann sie lediglich von meinem Blickwinkel aus und jetzt nicht verstehen.

Zurück zu Afghanistan. Im Juni 2010 war es in allen Zeitungen zu lesen: "Ein US-Team von Geologen und Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums (!; Ausrufezeichen von mir, W. H.) will Rohstoffvorkommen im Wert von fast einer Billion Dollar [2] in Afghanistan aufgespürt haben. (...) Es gehe um Lithium, Eisen, Kupfer und Gold, zitiert die Zeitung hochrangige US-Beamte.
In einem internen Papier des Verteidigungsministeriums heißt es demnach sogar, Lithium könne für Afghanistan das werden, was Erdöl für Saudi-Arabien bedeutet." (DER SPIEGEL)
Die Meldung, die uns suggerierte, es sei dies ein brandaktuelles Forschungsergebnis, wurde einige Tage lang durch das Mediendorf getrieben, dann war Ruhe. Seither habe ich nichts mehr davon gehört. Einige Sekunden lang hat der Große Zauberkünstler aus Washington seine Karten gezeigt, dann hat er mit dem Finger geschnipst und hypnotischer Schlaf hat die weltweit verbreitet Meldung wieder aus dem Gedächtnis der Welt gelöscht. David Copperfield ist im Vergleich dazu ein Anfänger.
Und es ist nicht das erste Mal, daß diese hochbrisante Meldung dem Vergessen anheim fiel. Am 13. 10. 2001 - einen guten Monat nach 9/11 - schrieb Hubertus Erb in heise.de diesen Artikel: "Die Hauptbeute am Hindukusch sind für den Westen riesige Öl- und Erdgasvorkommen"

Das Töten in Afghanistan ist aus dem Blickwinkel kühl rechnender... äh, Investoren so sinnvoll, wie nur irgendwas auf dieser Welt sinnvoll sein kann.


[1]   Den Namen Occam habe ich überhört, Occam hat mit unseren Überlegungen nix zu tun.
[2]   Gemeint ist eine Billion nach deutschem Wortgebrauch, nicht nach amerikanischem. "A billion dollar" wäre "nur" eine schlappe Milliarde.

Die toten Augen von Wien

Ein Pinguin namens Toni hat vor kurzem meine Aufmerksamkeit auf das ÖVP-offizielle Porträt vom Kurz Wastl gelenkt.
Ich schau mir die Augen vom Burli [1] an, und... Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergeht beim Betrachten des Bildes, mir jagt es eiskalte Schauer den Rücken herab. Es ist das Gesicht eines menschlichen Haifisches mit dem Charme eines frisch geschliffenen Fallbeiles. Die Mundwinkel sind energisch zu einem Lächeln nach oben gezogen und die Augen versuchen, mitzuhalten, aber Mund und Augen passen nicht zusammen. Schneide oben und unten weg, nimm nur die Augen.
Da lächelt nix, eiskalte Fischaugen blicken dich an.
Betrachte nun wieder das ganze Gesicht, laß dich anmuten von Kurzens Lächeln. Lächeln, schon. Aber es ist das eiskalte Lächeln eines schneidigen Staatsanwalts, der alles beieinander hat, auf Tod durch das Schafott zu plädieren. Ein Lächeln, das dich durch deine Alpträume verfolgt. So jemandem möchtest du nicht in einem Gerichtssaal begegnen, auf hoher See oder sonst an einem Ort, an dem du wehrlos bist.
Weiteres Unterrichtsmaterial zum Thema "Kurz und Augen" findet der interessierte Student in dem hervorragenden Internet-Forum "Fisch und Fleisch".




[1]   Für Deutsche, die in der Nähe des Polarkreises siedeln sei's erwähnt: "Burli" ist das österreichische Wort für "Bübchen", ich bin mit diesem Wort im Ohr aufgewachsen. Der Österreicher von heute bezeichnet mit diesem Wort seinen kindlichen Ex-Kaiser.

Lippe-Lappe

Der Viehhauser Scherge kannte ein interessantes, wenn auch hagelbuchenes Spiel, welches hieß "Líppe-Láppe - Scheiß ins Káppe", auf deutsch vielleicht als "Lippel-Lappel, kack in die Mütze" zu übersetzen.
Man brauchte dazu den Líppe, einen drei, vier Zentimeter dicken,  runden und etwa zehn Zentimeter langen Zweig, der an beiden Enden ziemlich scharf zugespitzt war. Dann gab es noch den Láppe, einen (kinder-)armlangen Stock aus dem gleichen Zweig, der an einem Ende etwas abgeschrägt war. Mit diesem Ende grub man in die Erde eine nicht sonderlich breite, nicht sonderlich tiefe und auch nicht sonderlich lange Rille. Der eine Spieler, der dran war, legte den Líppe über die Rille und mußte dann diesen mit dem Láppe so weit gerade nach vorne schleudern als es irgend ging.
Die anderen Mitspieler standen dort, nach eigenem Belieben verteilt und mußten den Líppe auffangen, wodurch sich der Weg zurück verkürzte. Überdies gab's für's Auffangen Punkte. Einige Punkte, wenn man ihn mit beiden Händen auffing, mehr, wenn dies nur mit der rechten Hand geschah, für die Linke gab's noch mehr [1] und nochmal mehr, wenn man ihn wegköpfelte. Die Megapunktezahl aber war fällig, wenn man den Líppe (mit seinen beiden Spitzen!) mit dem Mund auffing. Das hört sich jetzt ein bisserl unglaubwürdig an, der Viehhauser Scherge aber hat dies mehr als einmal tatsächlich geschafft.
Nur der Viehhauser Scherge.
Nun mußten die Mitspieler reihum das Stück zurück zum Abschlagplatz werfen. Mit möglichst wenig Wurfversuchen hatten sie den Líppe in die Kuhle unter den darüber gelegten Láppe zu werfen. Direkt legen war verboten, man mußte schon werfen und wenn es am Ende nur noch ein Zentimeter war.
Konnte der Gegenspieler das weggeschleuderte Aststück irgendwie ergreifen, verkürzte sich natürlich für ihn der Weg zurück zum Abschlagplatz. Darüber hinaus konnte er durch das Fangen auch Punkte sammeln. Einige Punkte bekam er, wenn er das Stück mit beiden Händen fing, mehr, wenn er dies nur mit der rechten Hand tat, noch mehr, wenn es mit der Linken geschah. Er konnte es mit der Brust stoppen, er konnte es mit dem Kopf zurückstoßen. Das Maximum an Punkten erreichte er dann, wenn er den "Lippe" mit den Zähnen auffing.
Meine Fragen: Kennt sonst noch wer dies Spiel? Evtl. unter anderem Namen? Habe ich die Regeln im Laufe der Jahrhunderte etwas durcheinandergebracht? Oder kannte man das Líppe-Láppe nur im Rottal?



[1]   In Niederbayern gab's damals nur Rechtshänder. Linkshänder wurden seinerzeit noch in der Wiege erdrosselt.

Die Mafia und andere Automobil-Clubs

Zuzeiten kann es passieren, daß im real-Markt der ADAC einen Informationsstand aufgebaut hat, der vorrangig dazu dient, neue Mitglieder zu werben.
Einen Moment lang nicht drauf geachtet, worauf sich dein Blick richtet und schon spricht dich der ADAC-Frau an.
"Wolln's Mitglied bei uns werden?", frägt mich die ADAC-Mann [1]. Ich winke ab. "Nein, ich bin schon bei der Camorra. Die würden mich töten, wenn sie erführen, daß ich zur Konkurrenz gewechselt bin", antworte ich höflich und gehe weiter.



[1]   Hat einer gemerkt, wie elegant ich hier gegendert hab?