4.11.21

Verantwortung

Als im Januar 2012 das italienische Kreuzfahrtschiff Costa Cordalis [1] gegen einen Felsen vor der Insel Giglio donnerte und dabei das Schiff umkippte [2] schrieb jemand im Internet (wo sonst?):

Es gibt schon lange keinen Mythos des Politikers und des Kapitäns mehr. (...) Es handelt sich um verschiedene Berufe handelt, die nur eines verbindet: Die Verantwortung und die Pflicht.

Verantwortung und Pflicht sind nun weiß Gott nichts Exklusives, das für Politiker und Kapitäne gelte. Jeder Taxifahrer, jede Krankenschwester steht in der Pflicht und trägt Verantwortung. Nur: Wenn der Taxifahrer einen Moment lang unachtsam ist und einen Unfall verursacht, wenn die Krankenschwester kurz unkonzentriert ist und dem Patienten das richtige Medikament in der falschen Dosierung gibt, dann werden sie sehr schnell und ausgesprochen hart zur Verantwortung gezogen. Daß ein Politiker für einen Fehler, den er womöglich systematisch und langdauernd beging, zur Verantwortung gezogen wird, die wirklich weh tut (Rücktritt und behaglicher Ruhestand tun nicht wirklich weh), ist dagegen ausgesprochen selten.

Wilhelm II. wurde ins behagliche Exil nach Appeldoorn geschickt, nur Ludwig XVI. hat es schlechter erwischt. Gut so, man kann Robespierre gar nicht dankbar genug sein!

 



[1]   Ich erfahre gerade von Wikipedia, das Schiff habe nicht "Costa Cordalis" geheißen, sondern "Costa Concordia".

[2]   Bei der Gelegenheit starben 32 Passagiere, nicht jedoch der Kapitän oder einer seiner Offiziere, die hatten sich nämlich nach der ersten Kenntnisnahme von der Katastrophe in Rettungsboote geflüchtet.

Kein Schwein ruft mich an

In einem Film vom Woody Allen [1] gibt es folgenden running gag: Ein junger Geschäftsmann [2], taucht zusammen mit Woody Allen an den verschiedensten Orten auf. Und überall, wo er auftaucht, besteht seine erste Handlung darin, daß er zum nächsten Telefon eilt, sein Büro anruft und die Telefonnummer des Apparates durchgibt. Bis voraussichtlich so und so lang sei er unter dieser Nummer zu erreichen.

Der besondere Witz besteht nun darin, daß dieser junge Mann während des ganzen Films niemals von seinem Büro aus angerufen wird. Auch wenn er dort anruft, um die Telefonnummer durchzugeben, teilt man ihm niemals irgendeine wichtige Nachricht mit oder bittet ihn um eine Entscheidung oder ähnliches. Das heißt. der Fall, dessentwegen er ständig seine Erreichbarkeit durchgibt, tritt nie ein, das Ganze ist nichts weiter als Wichtigtuerei.

Heute hast du für sinnlose Kommunikation ein Handy oder gar ein Smartphone.

 


[1]   Kann sein es war "Manhattan".

[2]   Ich glaube, es ist der, welcher mit jener Frau verheiratet ist, hinter welcher Woody Allen den ganzen Film über her ist.

 

Das verschwundene Auto

Vor einigen Wochen war mir mein Umhängetascherl abhanden gekommen, jenes unsagbar häßliche Ding aus Plastik, schwarz-blau-weiß.

Hatte ich es beim Micky liegen gelassen oder bei der Gabi? Beide Male eine falsche Spur, wie sich herausstellte. Zuhause habe ich mehrfach alle in Frage kommenden Abschnitte der Wohnung abgesucht - nix.

Gestern dann - wie meist bei einer gänzlich anderen Tätigkeit - ist die Tasche wieder auf­ge­taucht. Sie hing an der Innenseite der Bade­zim­mer­tür, dort also, wo sie hingehört und wo ich mit Sicherheit mehrfach nachgeschaut habe.

Ich bin jetzt gespannt, wo die Packung Würfelzucker auftauchen wird, die ich seit einigen Tagen vermisse. Erfahrungsgemäß tauchen verschwun­dene Dinge dann wieder auf, wenn ich mir Ersatz verschafft habe. Das Universum verspottet mich, so habe ich immer öfter den Eindruck.

Du hast ein Bild von Dingen auf deiner Netzhaut, aber dein Gehirn nimmt dies Bild nicht wahr. Früher, als die Welt zwar auch nicht mehr gut, aber doch besser war, hat der Fachmann so etwas Hysterische Blindheit genannt.

Du kennst das Phänomen wahrscheinlich aus eigener Erfahrung. Du suchst etwas und findest es nicht und du findest es dann etwas später genau dort, wo du zuvor mehrfach nachgeschaut hattest. Bei einem unansehnlichen Umhängetascherl von schmutzdunkler Farbe kann so was leicht passieren, wirst du sagen. Was aber, wenn du ein Auto, das im strahlenden Sonnenschein steht, nicht siehst, obwohl es da ist?

Ich stelle mein Auto oben auf dem Parkdeck des Einkaufscenters ab und kaufe unten in der Mall etwas. Ich habe mir genau gemerkt, wo mein Auto steht, denn ansonsten bestünde die Gefahr, daß ich es nicht mehr wiederfinde, ich kenne mich. Daß es gestohlen würde, befürchte ich weniger, denn mein Auto hat eine Psychologische Wegfahrsperre: Das Auto ist 16 Jahre alt und man sieht es ihm an. Wer klaut schon so eine alte Kiste?

Als ich nach einer knappen halben Stunde vom Einkauf zurückkomme ist der Wagen weg. Ich habe mir, wie gesagt, genau gemerkt, wo ich das Auto geparkt habe, zudem liegt das Parkdeck im strahlenden Sonnenschein. Damit nicht genug: Das Parkdeck ist an diesem Tag sehr übersichtlich, es parken so wenige Autos, daß man ein bestimmtes Auto gar nicht übersehen kann. Dennoch: Mein Auto war nicht da, desgleichen keine Maus, die deswegen einen Faden hätte abbeißen können.

Doch halt! Könnte es vielleicht sein, daß ich mir den Standort meines Wagen nicht richtig gemerkt habe? Daß ich also 1 Depp bin, der manchmal nicht weiß, was er tut? Ich ziehe dies - wie schon so oft zuvor - in Erwägung und gehe das ganze obere Parkdeck ab, finde aber mein Auto nicht.

Schließlich gehe ich schweren Herzens zur Polizeiinspektion im Minoritenweg und melde den Diebstahl. Ich erwähne auch meine Zweifel an einem Diebstahl, so daß ich dann im Streifenwagen Platz nehmen darf. Wir fahren in das Parkhaus, in die oberste Ebene, genau dorthin, wo ich mein Auto abgestellt hatte. Und da stand es dann, es war nicht aufgebrochen worden, es stand einfach nur da.

Diese Geschichte habe ich nicht erfunden, Alder ischwör.

Neger sind eine primitive Rasse

Vor etwas mehr als einem Jahr hatte ich unter dem Titel "Zieh, Geuner!" einen Internet-Bekannten zitiert: "Viele Wege führen nach Roma. Einige aber auch nach Sinti." Worauf einer meinte: "Beim 'Freitag' fliegt man für solche 2 Sätze."

"Richtig", antwortete ich ihm. Bei "Fisch und Fleisch" dagegen wirst du rausgeworfen, wenn du etwa schriebest: "man sollte mal über die Todesstrafe nachdenken, obwohl das bei solchen Tätern auch human wäre - dann besser foltern. Der sollte spüren was er gemacht hat - als Mensch gilt der nicht mehr." Das ist begeisterte Zustimmung zur Folter, wer so was schreibt, den kann man natürlich nicht mehr in der Fisch-und-Fleisch-Community dulden, das ist eigentlich sogar ein Fall für den Staatsanwalt. Und wenn derselbe User dann noch schriebe "Nachlesen wie die Engländer die Schwarzen sahen und behandelten--da wurde von einer primitiven Rasse gesprochen - von Neger - und das war normal - weil sie ja auch recht hatten." dann würde er bei "Fisch und Fleisch" mit Schimpf & Schande vom Hof gejagt. Die Neger als primitive Rasse zu bezeichnen, das ist nackter und unverhohlener Rassismus, womit du die Grenzen des Anstands weit überschreitest, so einer kann hier nicht geduldet werden. Meines Wissens traut sich nicht mal der Bernd Höcke so was.

Aber, du hast es wahrscheinlich längst geahnt, das ist natürlich nur ein Schmarrn. Zwar wurde damals der von mir zitierte Text entfernt, aber der Folterfreund und Rassist schreibt weiter munter und unbehelligt bei "Fisch und Fleisch". Daß dagegen mein Blogbeitrag und etliche Kommentare, in denen ich auf die ultrarechten Umtriebe hierorts hingewiesen habe, gelöscht wurden versteht sich von selbst.

Wer einen guten Freund hat, dem geschieht nicht so leicht ein Leids.