5.12.21

Der unbestechliche Literaturkritiker

Dekoration einer Talk-Show. In weichen, dicken Ledersesseln sitzen der Kulturschmock Patrick Kytzler als Moderator und der Schriftsteller Thorsten Groneberg als Talkgast.

KYTZLER^Herr Groneberg, seit 11 Wochen ist Ihr neuer Roman "Schatten, so hell, so grell" auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestseller-Liste. Wie fühlt man sich als...

GRONEBERG Gestatten Sie, daß ich Sie - geringfügig Lächelt maliziös - korrigiere. Mein Roman ist seit 9 Wochen auf Platz 1 besagter Bestseller-Liste. Zuvor mußte er sich den zweiten Platz, auf den er auf Anhieb gekommen war, mit der unsäglichen Schmonzette "Schmonzette" meiner im übrigen wegen ihrer skrupellosen Geschäftstüchtigkeit hochverehrten Kollegin Silke Hoffmann-LaRoche teilen.

KYTZLER Wie auch immer... Verdreht die Augen in komischer Seelenpein nach oben ...Worauf ich  hinauswollte: Der Literaturkritiker Leander Grönlein hat jüngst ihr Buch heftig verrissen.

GRONEBERG Haben Sie sich schon mal überlegt, warum Leander Grönlein mein Buch verrissen hat? Mein Buch ist hervorragend, das merkt jeder, der es liest. Grönlein ist doch nicht dumm, er ist vielmehr ein ungemein brillanter Kopf.

KYTZLER Warum, vermuten Sie, hat Grönlein ihr Buch verrissen?

GRONEBERG Weil er bestochen wurde, natürlich.

KYTZLER Bestochen?

GRONEBERG Ja; klar. Bernd-Axel Facius hat das Buch bereits über den grünen Klee gelobt, wenn sich jetzt auch Leander Grönlein dieser Meinung angeschlossen hätte, wäre der ganze Pfeffer rausgewesen. Das Buch wäre langweilig geworden. Mein Verlag hat Leander Grönlein bestochen, daß er mein Buch verreißt. Dadurch wurde das Buch zum umstrittenen Buch und umstrittene Bücher verkaufen sich besser.

KYTZLER Sie beschuldigen also Leander Grönlein tatsächlich, er sei bestechlich.

GRONEBERG Ich beschuldige ihn gar nicht. Ich habe meinen Vorteil davon, ich lobe ihn dafür.

Die Talk-Show löst großen Wirbel aus, Leander Grönlein wehrt sich heftig gegen die Unterstellung, droht mit gerichtlichen Schritten. Bei nächster Gelegenheit, die sich in diesen Kreisen im Minutentakt ergibt, frägt ein Reporter Thorsten Groneberg.

REPORTER Ist es wirklich wahr, daß Leander Grönlein von Ihrem Verlag bestochen wurde?

GRONEBERG Nein, um Gottes Willen, natürlich nicht. Das würde mein Verlag niemals versuchen und Leander Grönlein würde so etwas niemals annehmen. Ist doch klar.

REPORTER Warum haben Sie es dann behauptet?

GRONEBERG Ich wollte einer Verleumdungsklage entgehen.

REPORTER Einer Verleumdungsklage?

GRONEBERG Na klar. Ich kann einen derart angesehenen Kritiker wie Grönlein doch nicht als inkompetenten Idioten bezeichnen. Das macht man nicht, das ist nicht comme il faut. Das macht man auch dann nicht, wenn es - wie  hier - richtig ist.

Westliche Naturwissenschaften

Auf meine Alten Tage® bin ich wieder Ordentlicher Student [1] an der Universität Regensburg geworden. Als ich einmal zwischenzeitlich viel zu viel Zeit hatte, bin ich durch die ausgedehnten naturwissenschaftlichen Gebäudekomplexe auf dem Campus gewandert.

Wenn du von der Mensa aus südwärts [2] gehst ist die erste Abteilung die Mathematik, die nährende Mutter aller Naturwissenschaften. Und was da drunter steht ist tatsächlich so wahr wie trocken Brot.

Ich wandle weiter und ich bin schockiert:

"Westliche Naturwissenschaften"... Die Nazis unterschieden seinerzeit zwischen jüdischer Physik - Relativitätstheorie etc., eh schon wissen - und einer arischen Physik. Ich war schockiert, wie gesagt. Sind wir schon wieder so weit? Westliche Naturwissenschaften vs. östlicher Karma-Hokuspokus?

Ein Herr, der mir Professor zu sein schien klärte mich auf. Der Begriff "westlich" sei hier topologisch zu verstehen, alle Institute, die im Westteil des Gebäudes untergebracht seien.

Wieder kein Skandal. Wie gut, daß ich nicht Investigativ-Journalist geworden bin. Obwohl... behaupten könnte ich es in diesen Zeiten alternativer Fakten [3] natürlich trotzdem.



[1]   Gottchen ja, was man  halt so ordentlich nennt.

[2]   Anders als in Australien ist in Regensburg der Süden dort, wo tagsüber die Sonne steht.

[3]   Fickt's the Facts!