19.7.20

Menschen und Menscher

Wenn meine Oma mir irgendwas gesagt oder etwas mich betreffend getan hatte, das mich verärgert hat, so pflegte ich, der ich weder mit Worten noch mit Taten einverstanden war, öfter mal unmittig auszurufen: "Ach, Määänsch!" Was man halt in Niederbayern öfter mal so unmutig ausruft.
Jedes Mal hat meine Oma empört drauf reagiert und es sich verbeten, von mir "Mensch" genannt zu werden (was sie definitiv war). Ich hab es nicht verstanden, warum sich die Frau so aufgeregt hat. Jahrzehnte und etliche Semester Kommunikationspsychologie mußten ins Land gehen, bis ich verstanden hatte. Meine Oma war nämlich - wie meine ganze Familie, mich eingeschlossen - Österreicherin, als Sudetendeutsche. In ihrer Jugend hatte sie mehrere Jahre in Wien gelebt und im bairischen Sprachraum gibt es nicht nur das Maskulinum "der Mensch", sondern auch das Neutrum "das Mensch", Mehrzahl "Menscher" (siehe Men(t)scherkammer). "Menscher" sind aber nicht nur weibliche Dienstboten auf dem Land, ein Mensch war auch (im entsprechenden Zusammenhang) eine liederliche Weibsperson.
Früher konnte man erst dann heiraten, wenn man ein Gerstl beinander hatte, was viele ein Lebtag lang nicht schafften, wodurch sich die Liederlichkeit und die daraus entstandenen Bankerten zwanglos erklärten.

Meine Begegnung mit Eduard Mörike

Wennst nichts verstehst, meinst halt...

In der ersten Klasse Gymnasium, ich muß also so um die 10/11 Jahre alt gewesen sein, lasen wir ein Gedicht von Mörike und der Deutschlehrer hat sich vor Begeisterung über dies Gedicht geradezu überschlagen. Ich teilte seine Begeisterung nicht und zwar ganz entschieden nicht und eine zeitlang hatt ich tatsächlich den Verdacht, der Deutschlehrer sei selbst dieser Mörike. Anders nämlich konnte ich mir seine Begeisterung nicht erklären...

Er war es aber doch nicht, was dich nicht überraschen wird.

Manches von Mörike mag ich inzwischen übrigens sehr gerne...
UM MITTERNACHT
Gelassen stieg die Nacht ans Land,
Lehnt träumend an der Berge Wand;
Ihr Auge sieht die goldne Waage nun
Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn.
Und kecker rauschen die Quellen hervor,
Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.

Das uralt alte Schlummerlied
Sie achtet's nicht, sie ist es müd';
Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
Der flücht' gen Stunden gleichgeschwungnes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort,
Es singen die Wasser im Schlafe noch fort
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.
Vor Wut könnt ich schreien, daß mir so was nicht einfällt. Nie.