Montag, 30. November 2009

Fragen

Der Franze hat gsagt, wer nicht frägt, bleibt dumm. Wer frägt, sagt er, zwar auch, aber doch nicht so.

Sonntag, 29. November 2009

Unbeirrbar

Auf www.prisma.de las ich in einem Artikel über Amedeo Modigliani den Satz "Bestens bewandert in antiker Bildhauerei, befolgte der scheinbar so labile junge Mann unbeirrbar, was man heute ein Konzept nennen würde:..."
Ich bin zusammengezuckt beim Lesen, so wie ich jedes Mal zusammenzucke, wenn ich das Wort "unbeirrbar" lese oder höre ( 1).
Merkwürdigerweise nämlich liest man dieses Wort so gut wie nie im Rahmen einer Beschimpfung, man liest es vielmehr häufig in Festreden und Nachrufen: "Unbeirrbar ging sie ihren Weg" oder "Unbeirrbar verfolgte er seine Ziele".

"Unbeirrbar" gilt offensichtlich als positiver Begriff. Stünde da "unbeirrt", ich könnte nicht meckern.
Wenn ich nachträglich den Lebensweg eines Menschen betrachte und feststelle, daß er eine einmal gewählte Richtung unbeirrt verfolgt hat, dann heißt das, daß er sich durch Widerstände und Anfechtungen letztlich nicht hat beirren lassen, daß er konsequent seinen Weg gegangen ist. Ich habe keine Mühe damit, in dieser Beschreibung etwas Positives zu erkennen.

Es steht da aber "unbeirrbar".
Ein unbeirrbarer Mensch dagegen erscheint mir als ein dumpfer, stumpfer Hund der Sonderklasse, als einer, der sich durch keine Vernunft, kein Argument, keine Erfahrung beirren läßt, der einfach stur seinen Weg voranschreitet, durch nichts zu beeindrucken und zu belehren. Der schaut nur direkt nach vorne, schaut nicht nach links und nicht nach rechts, nach hinten sowieso nicht. Der ist für Erfahrungen und Irritationen, die andere Leute zu einer Kurskorrektur veranlassen, nicht zugänglich.

In einer Usenet-Diskussion entgegnete mir einer, "unbeirrbar" sei für ihn auch einer, "der sich von dem üblichen Getöse, das die um ihn herum scharwenzelnden Verirrten veranstalten, nicht von seinem geraden Weg ablenken läßt. Seelenruhig, in sich gefestigt, die Ruhe selbst, eine sehr positive Eigenschaft."
Ich entgegnete ihm mit einem Zitat "Der unerschütterliche Glaube ist keine Tugend, sondern ein Laster. (BERTRAND RUSSELL)" und fuhr fort: "Daß man sich nach jedem 'öhm, aber' nicht gleich neu taufen läßt ist eine Sache. Jahrzehntelang dieselbe Überzeugung zu vertreten ist dagegen schon etwas verhaltensauffällig. Man bleibt sich treu, indem man sich ändert. Andere Leute haben auch gute Ideen und von ihnen zu lernen, ist durchaus empfehlenswert."

Aber, wie es mit dem Wortgebrauch halt manchmal ist: Bei uns und bei Leuten, die uns zustimmen, reden wir von Prinzipientreue und Konsequenz, bei Leuten, die eine andere Meinung vertreten, nennen wir dasselbe Phänomen Sturheit.

Trotzdem: Unbeirrbare Leute sind gefährliche, weil brunzdumme Leute.

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(1) Daß es "verfolgte" heißen müßte statt "befolgte" lassen wir hier mal außen vor.

Samstag, 28. November 2009

Das Geheimnis der Einkaufswägen

Gottchen, wie lange gibt es das inzwischen schon, daß man in einen Einkaufswagen 50 Cent einschlitzen muß, ehe man das Ding benutzen kann?
Das Einkaufswagenpfand, sei notwendig geworden, so erzählen uns die Supermarktbetreiber, weil zu viele Einkaufswägen aus dem Gelände geschleppt worden seien, wo sie dann endgültig verschwunden oder erst Tage später, beim nächsten Einkauf, zurückgebracht worden seien.
Was, so frage ich mich, geht in Menschen vor, die sich von 50 Cent davon abhalten lassen, den Einkaufswagen aus dem Supermarktgelände zu fahren? Bringe ich den Wagen beim nächsten Einkauf wieder zurück, dann sollte es mir eigentlich wurscht sein, ob ich die 50 Cent sofort zurückbekomme oder erst einige Tage später. Will ich den Einkaufswagen aber klauen (wozu eigentlich?), dann sind 50 Cent als Preis dafür sicher nicht zu hoch.
Als Kunde hast du jedenfalls das Geschiß, daß dir bei jedem zweiten Mal die zum Auslösen des Wagens nötige Münze fehlt.

In Süditalien löst der Kundige das Problem dadurch, daß er zur Kasse geht und dort um eine Münze für den Wagen bittet. Man öffnet die Kasse und der Kunde bekommt ein 50-Cent-Stück ausgehändigt (ausgehändigt, nicht gewechselt!). Das gibt er dann nach dem Einkauf wieder an der Kasse ab.
Das glaubt mir natürlich wieder kein Schwein. Es stimmt aber.

Montag, 16. November 2009

Stadtgedicht

Im Usenet berichtete einst einer von der Aufgabe zu einer Klassenarbeit für den Deutsch-Grundkurs: "Stellen Sie knapp dar, wie Ihrer Meinung nach ein Stadtgedicht des 21. Jahrhunderts in Wahrnehmung und Haltung des lyrischen Ich die Traditionslinie von Eichendorff über Heym modifizieren (weiterziehen, abwandeln, brechen u.a.) müßte."

"Hum", werden Sie fragen. Ein Mitdiskutant tat genau dies und präzisierte: "Was ist denn ein Stadtgedicht?"

Ich antwortete ihm:
So was:
Der Mensch tritt auf in großen Schaan
Und fährt dann mit die Straßenbaan.

Im Gegensatz dazu das Landgedicht:
Ach, Haufen du von güldnem Mist,
Was du mir eine Freude bist.

Donnerstag, 5. November 2009

Ohne Ordnung ist Sex einfach nur...

Im Usenet geschah es, daß sich einer Gedanken darüber machte, wie man denn die verschiedenen archäologischen Schichten vergangener Geschlechtspartnerinnen bezeichnen könnte. "Ex-Freundin" etwa, "Doppel-Ex-Freundin" oder wie.

Ein anderer kam zu Hilfe: "Nochmal über dein Promiskuitätsproblem sinnierend, kam mir folgender Vorschlag in den Sinn:
- Ex
- Vor-Ex
- Vor-vor-Ex
- Vor-vor-vor-Ex"

Ich schlug eine pragmatischere Lösung vor:
Der... äh, der Dings... ah ja, der Herr Johann aus Spanien hatte einen Diener namens Leporello und der hat ihm eine saubere Liste geführt. Jetzt brauchst du nur noch die Damen durchnumerieren und du hast eine eindeutige Terminologie: FV 217 ("Die magere Romantische") oder FV 173 ("Die sinnliche Dicke mit den Sommersprossen").

Ohne Ordnung ist Sex einfach nur Ficken.

Sonntag, 1. November 2009

Aus dem "Handbuch für Intellektuelle Angeber"

Wer auf Parties, auf Reisen mit der Bahn oder sonstwie beim Zusammensein mit anderen Menschen einen guten Eindruck hinterlassen, gar glänzen möchte, kann dies durch Schönheit, Anmut oder Liebreiz erreichen. Wer auf diesen Gebieten die Arschkarte gezogen hat, kann ersatzweise auch durch intellektuelle Brillanz auf sich aufmerksam machen.
Obacht aber! Keiner weiß alles und so tut man gut, viel zu reden und das Gespräch dezent und rasch auf ein Gebiet zu lenken, auf dem man Bescheid weiß.

Man sollte auch die Gebiete, auf denen man glänzen möchte, weise wählen. Sicher kannst du mit profunden Kenntnissen über Goethes "Faust" den einen oder anderen Punkt sammeln, aber das Risiko ist relativ groß, daß auch dein Gesprächspartner den "Faust" kennt und dir Unsauberkeiten in Zitat oder Argumentation nachweist. Es sind halt doch relativ viele, die den "Faust" gelesen haben, traurig, aber wahr.

Nimmst du dagegen ein Buch, das viele vom Titel her kennen, aber nicht gelesen haben ("Ulysses" - mein Gott, wer liest schon *wirklich* James Joyce! Die berufsmäßigen Joyce-Leser natürlich ausgenommen.), wirst du auf wesentlich sichererem Boden stehen. Den Vogel schießt du aber ab, wenn du ein weitgehend unbekanntes Buch von einem relativ bekannten, aber nicht zu prominenten Autor nimmst: "Geschichte des Herrn William Lovell" von Johann Ludwig Tieck, nur so als Beispiel. Damit schindest du Eindruck, wenn du irgendwo eine Diskussion über dieses Buch vom Zaun brichst! Nach dem Motto: Wenn der über Tieck und diesen, wie hieß der noch: Lovell, so gut Bescheid weiß, wie gut muß der erst über Goethe und den Faust oder Shakespeare und Hamlet Bescheid wissen.

Oder nimm ein anderes Feld. Ihr diskutiert über das rechte Eigenschaftswort von Porzellan. Es heiße "porzellanen" schreit dir dein Gesprächspartner entgegen und hat einen Punkt gewonnen. Du aber konterst und merkst an, das sei ein relativ modernes Wort, zu Goethens Zeiten sei noch eher "porzellös" im Gebrauch gewesen. Bleibt man skeptisch, so verweist du auf die - angeblich - bekannte Stelle: "Eine zarte Röte überhauchte ihren porzellösen Teint" aus der Erzählung "Der tolle Invalide aus dem Fort Ratonneau" von Achim von Arnim. Achim von Arnim kennt der Gebildete, von besagter Erzählung hat auch schon mancher gehört, also wird keiner nachschlagen, ob sich denn besagte Stelle dort wirklich findet. Tut's doch einer, weist du ihn drauf hin, daß du diese Stelle aus einer sehr alten und seltenen Ausgabe der Erzählung hast, die du drei Tage vor dem Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek eingesehen hast.

All das funktioniert natürlich nur, wenn du beim Schwadronieren einen Gesichtsausdruck hinbringst, als wärest du Marcel Reich-Ranicki und Joachim Kaiser in einer Person. Aber dergleichen läßt sich üben.