Freitag, 29. Mai 2015

Rhetorik

Vor vier Wochen beim "Wirtshauser" in München. Ich sitz im Wirtsgarten, am Nebentisch haben zwei schon etwas ältere Paare eben ihr Mahl verzehrt, als die - im übrigen sehr liebreizende - Kellnerin kommt und ihnen schwungvoll die längst bestellten Getränke hinstellt. "Sooo", flötet sie, "das wird Ihnen jetzt besonders gut schmecken, wo Sie so lange drauf warten mußten."

Ein eigenes Versäumnis als besonderen Service hinstellen... Ob Kellnerinnen im Rahmen ihrer Ausbildung einen Rhetorik-Kurs besuchen?

Donnerstag, 28. Mai 2015

Schweinebraten für den Sextäter

"Schweinebraten für den Sextäter" ist diese Woche im "Regensburger Wochenblatt" als Schlagzeile zu lesen. Eine Sternstunde des doitschen Schurnalismusses! Daß der "Mittelbayerischen Zeitung" solche Schlagzeilen nie einfallen...
(Der Kaschperl mit Axt und Vollbart ist übrigens nicht der o. g. Sextäter, dazu hat er nicht das Format. Der Narr macht angeblich Reklame für den Freistaat Bayern. Hl. Muttergottes von Tschenstochau!)

Montag, 25. Mai 2015

Leben mit Kopien

2013 war in Berlin die Ausstellung "Gesichter der Renaissance" zu sehen. Die Ausstellung war ein Riesenerfolg, aber sie war nur für drei Monate dort zu sehen, so daß sich an vielen Tagen die Warteschlange der Besucher bis hinaus auf die Straße hinzog.
Hätte man, so dachte ich mir damals, statt der ausgestellten Originalkunstwerke und -dokumente Kopien und Faksimiledrucke genommen, so hätte man die Ausstellung viel länger zeigen können, man hätte sie zeitgleich auch in Dresden, Bielefeld, Stuttgart oder München zeigen können. Der Besucheransturm wäre entzerrt worden, die Besucher hätten die Ausstellung in sehr viel entspannterer Atmosphäre genießen können. Der ästhetische Eindruck wäre für die Besucher exakt der gleiche gewesen, der pädagogische Gewinn sowieso.
"Was für eine blöde Idee", wirst du nun womöglich sagen, "zwischen den Kopien historischer Relikte herumzuwandeln." Und du vergißt dabei, durch wie viele Kopien historischer Hinterlassenschaften du schon gewandelt bist.
Wenn es sich ergibt, solltest du mal das Kloster Montecassino, zwischen Nea­pel und Rom gelegen, besuchen, es ist allemal einen Besuch wert. Nicht nur deswegen, weil es eines der ältesten Klöster auf europäischen Boden ist, 529 von Benedikt von Nursia [1] gegründet.

Wenn du heute das Kloster besuchst, dann findest du eine im Kern mittelalterliche Anlage, die aber in späterer Zeit erweitert und drastisch verändert wurde, so daß heute Renaissance und Barock dominieren. Du gehst durch diese alte Anlage, du bist schon durch viele alte Anlagen gegangen, an dieser aber ist etwas ganz entschieden merkwürdig. So merkwürdig, daß du es zunächst gar nicht genau bestimmten kannst, du hast nur das merkwürdige Gefühl, daß etwas überhaupt nicht stimmt, obwohl alles ganz wunderbar aussieht.
Und irgendwann, wie immer dann, wenn du an was anderes denkst, kommst du drauf: Dieser alten Klosteranlage fehlt die Patina, sie sieht rundum und in jedem Detail nagelneu aus.
Und genau das stimmt. Das uralte Kloster ist nagelneu.
1944 waren alliierte Truppen im Golf von Salerno gelandet und von dort aus nach Norden vorgedrungen, die Nazis aus Italien zu vertreiben. Die Wehrmacht hatte sich im Kloster verschanzt und von dort aus die Alliierten unter Artilleriefeuer genommen. Innerhalb von drei Stunden ist die gesamte Klosteranlage durch einen alliierten Bombenangriff völlig zerstört worden.

Das wodurch du wandelst, ist eine zeitgenössische Rekonstruktion nach alten Plänen und Fotos. Nicht in dem Zustand, wie das Kloster irgendwann im Mittelalter ausgesehen haben mag, sondern auf dem status quo ante vor der Zerstörung.
Man hätte natürlich das von Bomben zerstörte Kloster so stehen lassen können, wie es ab 1944 dagestanden war. Es wäre dann ein Denkmal geworden für die zerstörerische Kraft des Krieges, auch keine schlechte Idee. Ein Riesenmonument, viel beeindruckender als der Turm der Berliner Gedächtniskirche.
Als Bub bin ich mal mit meinem Vater durch München spaziert, wobei wir auch einige Kirchen und die Residenz besichtigt haben. Mein Vater war begeistert von der Pracht. "So schön wie damals", meinte er, "kann man heute gar nicht mehr bauen." Irgendwas stimmt an dieser Aussage nicht, sagte ich mir, kam aber nicht drauf was. Dabei hätte ich es wissen müssen, Ende der fünfziger Jahre waren in München noch genügend nicht wiederaufgebaute Häuser und Baudenkmäler zu sehen.
Du brauchst also gar nicht nach Süditalien zu fahren, wenn du durch Kopien als echt empfundener Kunstwerke wandeln willst. Es sind in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs hinreichend viele Städte zu Klump gehaut worden.

[1]        Als Historiker forschende Benediktinermönche haben herausgefunden, es sei der Hl. Benedikt eine Legendenfigur. Er habe, wie viele Heilige aus dieser Zeit aller Wahrscheinlichkeit nach nie gelebt.