Aus dem Stück "Die
letzten Tage der Menschheit" von Karl... nein, doch nicht, sondern
bloß von Wolfram Heinrich
Im Feld-Hauptquartier
vor Ort in Afghanistan
GENERAL Hömma, Obergeneral, was ich dich schon immer fragen
wollte...
OBERGENERAL während er
eifrig einen streng geheimen Bericht in seinen Laptop klopft Ja?
GENERAL sinnend Was
machen wir hier eigentlich?
OBERGENERAL klopft
weiter konzentriert auf seinen Laptop ein Wir führen Krieg, wie dir
vielleicht schon aufgefallen ist.
Kurzes, spöttisches
Lächeln - er ist so dumm, und ich bin sein Chef - dann hämmert er weiter.
GENERAL Na ja, nun, so blöd bin nicht mal ich. Was ich
meinte war - wozu führen wir diesen Krieg?
OBERGENERAL Um den Feind zu besiegen? Könnte das hinkommen?
GENERAL Ja, ja, verarsch du mich nur. Was ich mich frage:
Was ist der Sinn, was ist das Ziel dieses Krieges?
Der Obergeneral blickt
erstaunt auf. Sein Gesicht nimmt den Ausdruck angestrengten Nachdenkens an. Er
denkt - eine zeitlang.
OBERGENERAL Hm, das ist eine gute Frage, die du da stellst.
Der Obergeneral greift
zum Telefon, wählt eine Nummer und wartet. Schließlich...
OBERGENERAL Ah, du bist's. Hömma Barack, alter Nigger, was
ich dich schon immer fragen wollte...
In einem Internet-Diskurs über den Afghanistan-Krieg meinte
einer voll bitterer moralischer Resignation: "Das sinnlose Töten wird nicht nur nicht gestoppt. Es geht nicht nur
einfach weiter. Es nimmt zu."
Ich versuchte, ihn zu trösten.
Das Wort vom "sinnlosen Töten" will ich nicht
gehört haben!
Ja, sind das denn alles Idioten, die dort töten, töten
lassen, getötet werden? Als wenn schon je
- mals ein Krieg sinnlos geführt worden wäre.
Das Wort vom "sinnlosen Krieg" gehört in die
"Rhetorik der Unfaßbarkeit". Wie gerne ist nicht die Rede davon,
jemand habe mit unaussprechlicher, unvorstellbarer, unbeschreiblicher und, ja,
unfaßbarer Grausamkeit gehandelt. Natürlich ist diese und jede andere Grausamkeit aussprechbar, beschreibbar, vorstellbar.
Und alltäglich.
Alltagserfahrung und die sich nicht in die Behaglichkeit des
Mysteriums zurückziehenden Teile der Philosophie lehren uns, daß nichts, aber
auch überhaupt nichts auf dieser
Welt einfach so geschieht, daß nichts, aber auch überhaupt nichts auf dieser Welt sinnlos ist. Der Sinn muß dabei
nicht der Sinn sein, den ich oder du uns wünschen.
Von Spinoza stammt der schöne Satz: "Jede Erscheinung beweist ihre Notwendigkeit
durch ihr Dasein." Das ist ganz früher, rasiermesserscharf [1]
formulierter Darwin. Das Dasein des Pestbakteriums beruht nicht auf meiner Notwendigkeit, ich kann ganz gut
ohne Pest leben, das Pestbakterium sieht das etwas anders.
Die Welt ist prinzipiell erkenn- und verstehbar.
Das ist natürlich nichts weiter als ein unbewiesener,
unbeweisbarer Glaubenssatz. Ich werde diesen Satz nie beweisen können, er wäre
erst dann bewiesen, wenn die Welt wirklich zur Gänze von Menschen verstanden
wäre.
Aber: Der Satz ist eine Anleitung zum praktischen Denken.
Ich - und das ist meine Denkmethode - tue
so, als wäre der Satz richtig und bewiesen. Und ich tue das deshalb, weil
mich dieser Glaubenssatz davor bewahrt, mich voreilig auf die bequem Position
des prinzipiell Unerklärbaren zurückzuziehen.
Das Denken hört auf, wenn ich irgend etwas als unfaßbar,
unbegreiflich, sinnlos deklariere. Die Dinge sind nicht prinzipiell
unverständlich, ich kann sie
lediglich von meinem Blickwinkel aus
und jetzt nicht verstehen.
Zurück zu Afghanistan. Im Juni 2010 war es in allen
Zeitungen zu lesen: "Ein US-Team von Geologen und Mitarbeitern des
Verteidigungsministeriums (!; Ausrufezeichen von mir, W. H.) will Rohstoffvorkommen
im Wert von fast einer Billion Dollar [2]
in Afghanistan aufgespürt haben. (...) Es gehe um Lithium, Eisen, Kupfer und
Gold, zitiert die Zeitung hochrangige US-Beamte.
In einem internen Papier des Verteidigungsministeriums heißt
es demnach sogar, Lithium könne für Afghanistan das werden, was Erdöl für
Saudi-Arabien bedeutet." (DER SPIEGEL)
Die Meldung, die uns suggerierte, es sei dies ein
brandaktuelles Forschungsergebnis, wurde einige Tage lang durch das Mediendorf
getrieben, dann war Ruhe. Seither habe ich nichts mehr davon gehört. Einige
Sekunden lang hat der Große Zauberkünstler aus Washington seine Karten gezeigt,
dann hat er mit dem Finger geschnipst und hypnotischer Schlaf hat die weltweit
verbreitet Meldung wieder aus dem Gedächtnis der Welt gelöscht. David Copperfield
ist im Vergleich dazu ein Anfänger.
Und es ist nicht das erste Mal, daß diese hochbrisante
Meldung dem Vergessen anheim fiel. Am 13. 10. 2001 - einen guten Monat nach
9/11 - schrieb Hubertus Erb in heise.de diesen Artikel: "Die Hauptbeute am Hindukusch sind für den Westen riesige Öl- und Erdgasvorkommen"
Das Töten in
Afghanistan ist aus dem Blickwinkel kühl rechnender... äh, Investoren so
sinnvoll, wie nur irgendwas auf dieser Welt sinnvoll sein kann.
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