Donnerstag, 12. Oktober 2023

Der Todesschrei der Rose

Es geschah in den sechziger Jahren, noch war Science-Fiction in Deutschland weitgehend unbekannt. Okay, es gab die mir leicht dubios erschienenen Hans-Dominik-Romane in Hardcover, Jules Verne gab's bei Fischer als Taschenbuch, die US-amerikanischen Klassiker aber kannte kein Schwanz, nicht mal Asimov, Heinlein etc. pp. waren damals in Deutschland bekannt. "In Deutschland auf dem Buchmarkt bekannt..." müßte man eigentlich schreiben, denn Heinlein, Asimov etc. pp. wurden damals als Heftromane (vulgo: Schundromane) für 70 Pfennige, später 80 Fennje verkauft. Die bekanntesten Reihen waren "Utopia" vom Pabel-Verlag und "Terra" vom Moewig-Verlag (oder war's umgekehrt?). Aus Gründen, die ich hier nicht näher erläutern möchte, war ich damals mehrere Jahre lang auf Schundromane und nur auf Schundromane fixiert und lernte so - aus Versehen, wenn man so will - die Hohe Literatur der USA kennen. Den Begriff "Hohe Literatur" verwende ich hier ausdrücklich nicht ironisch, ein Gutteil der damals als Schundroman vermarkteten Erzählungen sind in die Literaturgeschichte eingegangen.

Worauf ich hinaus will: In einer Science-Fiction-Kurzgeschichte erwarb ein Typ die Fähigkeit, die Sprache der Pflanzen zu verstehen. Anfangs erfreute ihn dies, er sprach mit den Disteln und Dornen und mit dem Kürschbaum auch, dann aber fraß sich das Schmerzensgewimmer jedes einzelnen, hingemähten Grashalms in sein Jehürrn. Als er den Todesschrei gefällter Bäume vernahm ging etwas in ihm entzwei und er verfiel dem Wahnsinn, noch ehe er Vegetarier werden konnte.

Ach.

Kafka ist heitere Schmunzellektüre im Vergleich.

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