Dienstag, 26. September 2023

Kolaric

Vor etlichen Jahren schrieb Marius Jung: "Wenn humorlose Sprachpolizisten fordern, Worte wie Neger ganz aus der Sprache zu tilgen und zu verbieten, ist das Fundamentalismus. Und alles, was wir tabuisieren, bearbeiten wir inhaltlich nicht."

In den frühen siebziger Jahren waren jugoslawische Gastarbeiter in Österreich das, was heute und hierzulande Türken sind. Das abwertende Wort für Jugoslawe war (und ist) "Tschusch". Hier ein Dialog von Lukas "Kottan" Resetarits (man beachte den Familiennamen) zwischen Branko und Kimmeltirk.

1973 hing überall in Österreich ein Plakat der "Aktion Mitmensch", welches das Problem präzise auf den Punkt brachte.

Dazu muß man wissen, daß in Österreich ein Drittel (wahrscheinlich sogar mehr) aller Familiennamen slawischen Ursprungs ist. "A echter Weaner is a Tschech" hat mal einer gesagt.

Da gibt es österreichische Minister-, bzw. Bundespräsidenten wie Bruno Kreisky, Fred Sinowatz, Franz Vranitzky, Viktor Klima, Wilhelm Miklas und Thomas Klestil. Und umgekehrt findest du tschechische, bzw. tschechoslowakische Staats-, bzw. Ministerpräsidenten wie Václav Klaus, Stanislav Gross und Jan Fischer.

Die slawischen Familiennamen finden sich vorzugsweise im Osten und Süden des Landes, in Tirol sind sie nicht so verbreitet.

In der "Tante Jolesch" erzählt Torberg von einem Prager Bankier (mit Innsbrucker Migrationshintergrund) namens Tschurtschenthaler, der seinen Familiennamen in Taussig ändern ließ (ein Name, der vor allem unter deutschsprachigen Juden sehr verbreitet war), weil man, so argumentierte er, in Prag niemals einem Mann mit Namen Tschurtschenthaler sonderliche Fähigkeiten im Bankfach zutrauen würde.

Weil ich grad bei Torberg, der Tante Jolesch und Namensproblemen bin:

"Um eine konkrete Namens-Angelegenheit ging es im Fall des ehrgeizigen Bankbeamten Nelkenblum, der seinen Namen geändert haben wollte – wie das in jenen Jahren von den Inhabern ausgefallener oder komisch klingender und obendrein deklariert jüdischer Familiennamen häufig gewünscht wurde (meistens als Vorbereitung zur Taufe).

Herr Nelkenblum reichte also ein Gesuch um Namensänderung ein und wurde von der zuständigen Behörde aufgefordert, eine ausreichende Begründung für seinen Wunsch beizubringen.

Der Name Nelkenblum sei ihm bei seiner Berufskarriere hinderlich, brachte Herr Nelkenblum bei. Das müssten seine Arbeitgeber bestätigen, antwortete die Behörde.

Herr Nelkenblum begab sich zu seinen Arbeitgebern in die Direktion der Prager Kommerzbank, trug ihnen sein Anliegen vor und verließ das Direktionszimmer mit einem Dokument folgenden Wortlauts:

‘Auf Wunsch von Herrn Bernhard Nelkenblum bestätigen wir gerne die Notwendigkeit der von ihm angestrebten Namensänderung, da sich der Name Nelkenblum auf ein berufliches Fortkommen nachteilig auswirken könnte. (Gezeichnet) Feilchenfeld, Generaldirektor, Rosenblatt, Prokurist.’"

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