Beim real,- in Regensburg-Reinhausen haben sie im Kühlregal [1] ganz hinten, also ganz links und ganz unten zwei kleinere Fächer, in denen Produkte liegen, die in Bälde ihr Ablaufdatum erreicht haben werden. Gleich drüber werden vegetarische und vegane "Fleisch"-Produkte angeboten.
Immer mal wieder stehe ich vor den Fächern mit den Schnäppchen, immer mal wieder sehe ich fast zwangsläufig auch das Fake-Fleisch. Und jedes Mal wird mir dabei ganz melancholisch um's Herz, denn - klar - ein Vegetarier, der einen Veggie-Döner ißt, ist nur ein sogenannter Vegetarier. Wer ein vegetarisches Schnitzerl verspeist, trägt seine Lust auf Fleisch zur Schau. Ein Beispiel, um klarzumachen, was ich meine: Sähe ich einen trockenen Alkoholiker, der seinen Eistee aus dem Cognacschwenker schlürft, dann muß ich kein scharfsinniger Psychologe sein, um mir große Sorgen über die Dauerhaftigkeit seiner Abstinenz zu machen. In einer kleinen Stadt in den Abruzzen sah ich einst einen Mann, der während eines Gespräches einen Stift hielt, als wäre dieser eine Zigarette, der immer wieder einen Zug aus dieser fiktiven Zigarette machte und zwischendurch gedankenverloren die Asche vom Glimmstengel streifte. Der Mann hatte offensichtlich mit dem Rauchen aufgehört, allerdings erst vor kurzem und seine Abstinenz war alles andere als stabil. Seine Seele rauchte immer noch.
Der Umstand, daß fleischfreie Wurst hergestellt, verkauft und verzehrt wird gibt zu denken. Kannst du dir vorstellen, daß ein Fleischesser sich danach sehnt, sein Wienerl, optisch und geschmacklich als Karfiol gestaltet zu verzehren? Der Fleischesser mag entweder auch Blumenkohl, dann ißt er ihn, oder er mag ihn nicht, dann ißt er ein anderes Gemüse zur Wurst.
Wenn der Vegetarier vegetarisches Döner ißt, dann macht er damit dem Wolf in sich eine Freude. "Eigentlich würde ich jetzt am liebsten richtiges Döner essen", sagt er uns, "aber eine gottverschissene dreckige Möhrenmümmelideologie hindert mich daran."
Es liegt so viel Traurigkeit und menschliches Elend in einem Veggie-Burger. Alleine wenn ich mir vorstelle, wie viel künstliche Gewürze und Farbstoffe, wieviel Nahrungsmittelergänzungen man in einen Gemüsepapp geben muß, damit er optisch und geschmacklich so leidlich als Fleisch durchgeht,
In den sechziger Jahren gab es bei Tengelmann (ich denk jedenfalls, daß es Tengelmann war) Sojafleisch [2] zu kaufen. Ich bin in einem Metzgerhaushalt [3] aufgewachsen, Mein Vater war ein neugieriger Mensch und so gab es eines Tages Sojafleisch. Jeder hat gekostet und wir haben viel gelacht. "Schmeckt scheiße, das Zeug" war das einhellige Urteil. Wobei... so schlecht war das Zeug eigentlich gar nicht. Wäre es als Sojakügelchen oder wie oder was angeboten worden, man hätte sich damit anfreunden können. So aber mußte das arme Ding sich als etwas ausgeben, das es nicht war. Sojafleisch, ein Fleischersatz. (Fast) jeder Ersatz fällt gegenüber dem Original deutlich ab, außer vielleicht das Wichsen. Bei uns in Niederbayern hat man seinerzeit auf dem Bau gesagt: "Ficken kann gar nicht so schön sein, wie du's dir beim Wichsen vorstellst." [4]
Denk da mal darüber nach.
P. S.: Hast du dir je klargemacht, daß Wodka und Wixi streng vegan sind, Stillen aber nicht? Prost!
Damits ihr allesamt nicht dumm sterbts, noch ein kleines Kapitelchen Kunstgeschichte. Der Österreicher Giuseppe Arcimboldo [5] hat anno seinerzeit ein Topferl Gemüse, das ihm seine Frau auf dem Markt von Prag oder wo gekauft hatte, gemalt.
Viele Jahrhunderte später erst hat ein Forscher-Team der Università Federico II. in Napoli herausgefunden, daß es sich in Wirklichkeit um das Porträt eines Vegetariers handelte.
[1] regalo da culo sagt man auf Italienisch.
[2] Kein Mensch wußte damals, was Soja ist, sowenig wie Jute. Als Zehnjähriger mußte ich beim Erlernen des Zehnfingermaschinenschreibens Geschäftsbriefe abtippen, in welchen einem Kunden Jutesäcke angeboten wurden. "Aha", sagte ich mir. Vorstellen, so richtig vorstellen konnte ich mir unter "Jute" aber nix.
[3] Meine Mutter hat sich stets (und vergeblich) bemüht, mir Gemüse und Salat schmackhaft zu machen. "Iß, Junge, das ist sooo gesund."
[4] Niederbayern sind grobschlächtig, Bauarbeiter auch... Nur damit du einen Begriff bekommst von der Grobheit niederbayerischer Bauarbeiter.
[5] Arcimboldo wurde 1526, vielleicht auch erst 1527 in Mailand geboren. 1525 war Mailand habsburgisch geworden und blieb dies jahrhundertelang, bis 1866 ein gewisser Giuseppe Garibaldi erst den Schnellkochtopf und wenig später Italien erfunden hat.
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