Nicht, daß ich die "Kronenzeitung" täglich läse - es gibt Grenzen des Wahnsinns. Gelegentlich aber werde ich von jemandem drauf aufmerksam gemacht, was in der "Kronenzeitung" gestanden hätte und jedesmal - je-des-mal - greife ich in den schandbarsten Schlamm. Schlimmer als die BILD-Zeitung, und das heißt was.
In einem von einer ungenannt bleiben müssenden Userin verlinkten Artikel lese ich: "Denn genau jener junge Mann (für ihn gilt die Unschuldsvermutung), der mit Van der Bellen und dem grünen Landesrat Anschober vor den Kameras stand, wird nun ein Fall für den Verfassungsschutz. Auf seiner Facebook-Seite soll sich der Flüchtling mutmasslich als Fan der libanesischen Terrororganisation Hisbollah gezeigt haben. Auch dem Iran-Regime sei er nicht abgeneigt."
Heißt: Ich weiß gar nichts, schreib's aber mal hin. Der Österreicher Johann Nestroy hätte geschrieben: "Dös is klassisch"
Wenn du in der Schul Latein gehabt hast, dann kennst du wahrscheinlich den Sallust. Wenn nicht, suchst du dir einen Querbalken und hängst dich dran auf. Ich nehme zum Exempel die alte Klatschtante Gaius Sallustius Crispus, weil der Fall Catilina inzwischen doch jede Tagesaktualität verloren hat:
Sallust nämlich schrieb einst: "Meines Wissens glaubten manche Leute, daß die Jugend, die in Catilinas Haus verkehrte, sich in entehrender Weise schamlos benommen habe; das wußte zwar niemand zuverlässig, doch aus verschiedenen Gründen hielt sich dieses Gerücht."
Das ist Berichterstattung nach Art der Kronenzeitung: Er ist sich nicht sicher (1. Stufe des Gerüchts), ob manche Leute glauben (2. Stufe des Gerüchts), daß die Jugend ... sich ... schamlos benommen habe (3. Stufe des Gerüchts). Dann betont er noch mal, daß das alles wilde Gerüchte seien und zieht schließlich die Trumpfkarte: "Doch aus verschiedenen Gründen hielt sich dieses Gerücht." Ich weiß gar nichts, nicht mal ansatzweise, aber ich erzähl's euch halt mal.
Sallust gilt unter Altphilologen immer noch als lateinischer Klassiker und zitierenswerter Geschichtsschreiber.
Ich mein, daß Gaius Sallustius Crispus als Mensch eine Drecksau gewesen sein muß (und zwar so drecksäuig, daß man ihn der Jugend zweitausend Jahre später definitiv nicht mehr zumuten sollte), ist eine Sache. Daß er als Schriftsteller (eigentlich ja Chronist seiner Zeit) ein Totalausfall war, unerachtet dessen aber immer noch hoch geschätzt wird, ist ausgesprochen betrüblich. Anscheinend gilt tatsächlich das Gesetz: Je länger ein Schriftsteller bereits tot ist, desto nachsichtiger sind wir in seiner Beurteilung.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen