Wo ein Wille ist, ist auch eine Konservendose.
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"Die Päpstin
Johanna wurde, wie die Sage berichtet, als die Tochter eines englischen
Missionärs zu Mainz (nach andern zu Ingelheim) geboren. Sie erwarb sich durch
ihre Neigung zu den Wissenschaften sowie durch ihre Schönheit bald den Ruf
eines Wunders der Zeit, entfloh mit einem Mönch aus dem Kloster Fulda in
männlicher Kleidung nach England und bereiste später Frankreich, Italien und
Griechenland, wo sie in Athen sich griechische Bildung aneignete, bis ihr
Geliebter starb. Johanna ging nun nach Rom, unter dem Namen Johann Anglicus die
männliche Rolle fortspielend, legte daselbst eine Schule an und wurde nach dem
Tod Leos IV. (855) wegen ihrer Gelehrsamkeit, Frömmigkeit und Sittsamkeit
einstimmig vom Klerus und von dem Volk als Johann VIII. auf den päpstlichen
Stuhl erhoben. Nachdem sie fast zwei Jahre zur allgemeinen Zufriedenheit
regiert hatte, kam sie während eines öffentlichen Aufzugs auf der Straße
zwischen dem Amphitheater und der Klemenskirche nieder, gab jedoch vor Scham
auf der Stelle samt ihrem Kinde den Geist auf. Auf dem Platz ihrer Niederkunft
wurde eine Kapelle nebst Denksäule errichtet; doch vermieden seitdem die Päpste
bei der Krönung und bei Prozessionen die Stelle beim Kolosseum, wo dieser
Vorfall stattgehabt hatte. Um indessen für die Zukunft einem ähnlichen Skandal
vorzubeugen, mußte sich fortan jeder Papst vor seiner Ordination auf eine Art
Nachtstuhl (sella stercoraria) setzen, um von einem der jüngsten Diakonen sein
Geschlecht prüfen zu lassen. Dieser machte sodann das günstige Resultat mit dem
dreimaligen Ausruf "Habet!" bekannt, worauf Klerisei und Volk mit
einem frohlockenden "Deo gratias!" antworteten. Diese Erzählung, die
zuerst Marianus Scotus (gest. 1083) in seinem "Chronicon",
ausgeschmückter dann Sigbert von Gembloux (gest. 1113), am vollständigsten
Martin Polonus (gest. 1278) mitteilte, galt bis in das 16. Jahrh. als
historische Wahrheit, bis David Blondel 1649 ihren Ungrund darlegte. Es ist
geschichtlich bewiesen, daß auf Leo IV. unmittelbar Benedikt III. folgte. Die
Sage ist wohl eine Satire auf das Weiberregiment (Pornokratie), welches in Rom
herrschte, als die Päpste Johann X. bis Johann XII. (914-963) den päpstlichen
Stuhl innehatten. Sie lieferte den Stoff zu einem der ältesten und berühmtesten
deutschen Dramen, zu Th. Schernbecks "Ein schön Spiel von Fraw
Jutten" (1480, gedruckt Eisleb. 1565); in der Neuzeit dichtete Achim von
Arnim ein Schauspiel: "Die Päpstin Johanna" (1823). Das Vorhandensein
der sella stercoraria ist allerdings erwiesen, aber auch ihr Zweck. Wenn
nämlich ein Kardinal zum Papst erwählt wurde, setzte man ihn zuerst auf diesen
Stuhl, und während er von ihm aufstand und sich auf einen andern, prächtigen
Sessel niederließ, sang man die Worte: "Suscitat de pulvere egenum et de
stercore erigit pauperem" (Ps. 103, 7. 8). Der Gebrauch kam im 16. Jahrh.
ab. Vgl. Döllinger, Die Papstfabeln des Mittelalters (Münch. 1863)."
Meyers
Konversationslexikon, Vierte Auflage, 1885-1892
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