Bevor jetzt jemand auf die Idee kommt, Schuhplattln wär ein
typisch bayerischer Tanz - Schuhplattln gibt’s im Alpengebiet Bayerns [1],
sowie in der vorgelagerten Hügellandschaft, dem sogenannten Oberland [2].
Ferner in Teilen Österreichs und in Südtirol.
Es gibt durchaus ernstzunehmende Menschen, die das
Schuhplattln zu einem Phänomen der sogenannten "Erfundenen Tradition"
erklären.
"Schuhplattler
ist der Name eines Tanzes, der in Teilen Oberbayerns, Österreichs und Südtirols
populär ist. Er ist aus dem Ländler entstanden. Aufgrund seiner Bekanntheit
wird er meist als alpenländischer Volkstanz wahrgenommen, gilt jedoch wie der Sirtaki
als erfundene Tradition."
(...)
"Der Name „Schuhplattler“
stammt etwa aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Idee von regional
differenzierten Volkssitten entstand während der Romantik und war mit der
Vorstellung des Gewachsenen und Autochthonen als Antithese zur
Industrialisierung verbunden. In der Gründerzeit wurde dieses angeblich
bäuerliche Brauchtum in Städten wie Wien, München, Salzburg und Innsbruck zum
festen Bestandteil der bürgerlichen Selbstdarstellung."
Für erfundene
Traditionen gibt es viele bekannte Beispiele:
*
Der Sirtaki, ein
griechischer Tanz, welcher erst seit 1964 bekannt ist. (Genau, seit dem
Film "Alexis Sorbas")
*
Die Vuvuzela, ein
populäres südafrikanisches Blasinstrument aus den 1990er Jahren.
*
Die Vedische Mathematik,
Rechenregeln, die von Bharati Krishna Tirthaji zwischen 1911 und 1918 angeblich
aus dem Veda
herausgearbeitet wurden.
*
Der
balinesische Kecak-Tanz,
dessen moderne Version der deutsche Künstler Walter
Spies Anfang der 1930er Jahre für den Film Insel der Dämonen von Friedrich Dalsheim erfand.
*
Der Umzug
anlässlich des „Tages der Toten“ in Mexiko.
Ursprünglich gab es zu diesem Feiertag keinen Umzug. Aber in dem James-Bond-Film
Spectre war ein solcher zu sehen.
„Wir mussten einen Karneval zum Tag der Toten erfinden“, so der mexikanische
Tourismusminister Enrique de la Madrid. „Nach dem James-Bond-Film wären die
Touristen sonst gekommen, um den Umzug zu sehen und hätten ihn nicht
vorgefunden.
*
nachträglich
zusammengestellte Königslisten, um daraus eine vorgeschichtliche Staatlichkeit
herzuleiten. Als historische Beispiele für derartige Erfindungen vor dem 16.
Jahrhundert können etwa die frühen Dynastien der irischen
Hochkönige, die achtzehn Hùng-Könige
von Vietnam oder die frühesten Dynastien in Korea gelten.
(vgl. auch Herkunftssage)
Schon im Allgäu und in Niederbayern ist das Schuhplattln erst
durch den Bayerischen Rundfunk bekannt geworden. Von Franken rede ich erst gar
nicht, das ist, wenngleich im selben Bundesland gelegen, ein gänzlich anderer Kulturkreis.
Zur Abrundung des Bildes von der unglaublichen kulturellen
Vielfalt Bayerns noch ein Schreittanz aus der Gegend südlich von Hebertsfelden
(Niederbayern, Landkreis Rottal-Inn). (Man beachte die deutlich
androgyne Note des Künstlerins.)
Ciao
Wolfram
P. S.: Als Sonderbonus noch ein Liedl zum Thema "Papa, Pipi und sexuelle Rollendifferenzierung"
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