Du glaubst es nicht, du magst es nicht glauben, was mir
alles so passiert, das dir genau so zustoßen könnte.
Da hat jemand im Internet - Sie kennen den Ort? - was
geschrieben über eine Frau BK. Was habe ich gerätselt, wer diese "Frau
BK" eigentlich sein könnte, von der so viel die Rede war. Tags darauf kam
ich nochmal, eher zufällig, auf die Seite, grüble wieder ein wenig und
plötzlich fällt es mir wie Schuppen aus den Haaren: BK heißt
"Bundeskanzlerin".
Diese eine Frage ist beantwortet und sofort stellt sich die
nächste: Wieso schreibt der nicht "Bundeskanzlerin" hin, wenn er "Bundeskanzlerin"
meint, wieso schreibt er stattdessen BK? Ein schlauer Mensch wird antworten,
das mache er der Bequemlichkeit halber, "BK" sei nun mal deutlich
kürzer und also leichter zu schreiben als "Bundeskanzlerin". Schon,
entgegne ich, aber das Hinschreiben kryptischer Abkürzungen nimmt im Internet
unzweifelhaft überhand. Und das Lesen kryptischer Abkürzungen nimmt dir viel
von deiner kostbaren Lebenszeit. Du grübelst und grübelst über der letztlich
belanglosen Frage nach "BK" und könntest eigentlich schon längst
dabei sei, zu prüfen, ob die Bemerkung über die Frau Bundeskanzlerin Unfug ist
oder doch.
Denn, bedenken wir es recht: Noch niemals zuvor ist dem Menschen
das Schreiben, technisch gesehen, so leicht gemacht worden wie heute mit dem
Computer.
Früher, ich mein jetzt sehr viel
früher, hieß "Schreiben" noch, daß Mönche in entlegenen [1] Klöstern den Gänsekiel in eine Art Tinte tauchten und
ganz, gaaanz sorgfältig Buchstabe für Buchstabe auf Pergament, also die
Bauchhaut junger Schafe malten. Das Schreiben war zeitaufwendig wie Sau, das
Pergament schwei... äh, schafsteuer. Ich habe jedes Verständnis der Welt dafür,
daß die weiland Mönche Abkürzungen verwendeten, um kostbare Arbeitszeit und
vielleicht noch kostbareren Platz zu sparen.([2] Früher, ich mein jetzt ganz früher, zu Zeiten der
Scriptoriumsmönche, hat man Abkürzungen,
wenn man sie denn verwendet hatte,
sorgfältig eingeführt. In einer theologischen Abhandlung etwa hat der gelehrte [3] Mönch beim erstmaligen Auftauchen der Abkürzung AGNAA
mitgeteilt, es stehe AGNAA für "Ach, Gottchen, nein aber auch".
Wir aber, wir Schoßkinder des
Glücks (Gustav
Gans), leben in den Zeiten des Computers, das Schreiben (und Korrigieren)
des Geschriebenen ist heute so einfach und preisgünstig wie noch nie zuvor in
der Geschichte. Platz ist auf der Festplatte oder auf dem Server nahezu
unbegrenzt vorhanden. Die weiland Mönche im scriptorium
hätten geweint vor Glück, wenn sie einen Laptop mit Internet-Anschluß gehabt
hätten.
Ich, Leute, habe nicht nur einen
Computer (jeder Depp hat heute einen Computer), sondern auch ein abartig geiles
Programm. Mit PhraseExpress
kannst du Kürzel für lästig zu schreibende Ausdrücke (km/h), Wörter (Alkohol)
oder auch gaaanz lange Texte definieren und das Programm schreibt dann den
richtigen Text hin, und zwar in jeder
beliebigen Anwendung. Ich schreibe "voa" und es erscheint
"vor allem", "gw" und es erscheint "gewesen". Das
Programm ist für Privatanwender kostenlos, du darfst halt bloß keine typisch
geschäftlichen Begriffe abkürzen wie Umsatzsteuer, Rechnung etc. Und nach
einiger Zeit des Gebrauchs erscheinen immer mal wieder Einblendungen, die
nachfragen, ob du nicht doch die Vollversion erwerben willst. Kostet 30 EUR in
der einfachen Version (mehr Features braucht man als Privatanwender eh nicht).
Die einzige Mühe ist das erstmalige Erstellen der
Abkürzungen. Hier mußt du vor allem darauf achten, daß die Kürzel erstens
mnemotechnisch einfach, also leicht zu merken sind (wie eben "voa"
für "vor allem") und daß es die Kürzel nicht auch noch als richtige
Wörter gibt.
[1] Damals war jeder Platz auf Gottes Erde entlegen, denn es war stets ein
Riesenaufwand, von jedem anderen
Platz aus dorthin zu kommen.
[2] Um Platz zu sparen begann man nach einem Absatz keine neue
Zeile, sondern fügte stattdessen ein Doppel-S ein, das für "signum
sectionis" stand. Um noch mehr Platz zu sparen (so kostbar war der Platz
seinerzeit in den Zeiten der Bauchhaut von Schafen) schrieb man die beiden
"s" untereinander, wodurch das §-Zeichen entstand.
[3] "Gelehrt",
das ist vielleicht der Schlüssel zum Verständnis. Früher hat man nur solche Leute an die Schreibfeder und das Pergament gelassen,
die ein Mindestmaß an Bildung nachweisen konnten (und sich überdies das Ficken
verkniffen hatten). Ohne Latein, dafür mit Homo-Ehe o. dergl. etwa ging da gar
nichts, einer ohne Latein wurde zum Arbeiten auf's Feld geschickt. Heutzutage
dagegen darf jeder Anti-Alphabetiker, der von sich auch nur behauptet, er habe einen E-Mail-Freund
in Lateinamerika, im Internet publizieren.
Tja. Bei mir heißt voa immer noch Voice of America. Das Problem sind nicht die Abkürzungen - das Problem ist, dass zu viele Leute sich ihre eigenen machen.
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