Wer fotografiert muß damit rechnen fotografiert zu werden.
Wer nicht fotografiert, muß auch damit rechnen, so ist es nicht.
Vor langer, langer Zeit gab es nämlich mal
eine Zeit, da ich regelmäßig "DIE ZEIT" las. Die Reisebeilage habe
ich selbst damals nur rasch überblättert, bei obigem Bild aber bin ich schon
beim Blättern hängengeblieben, das Bild ist in mein Ausschnitt-Archiv gewandert.
Dem zuständigen Redakteur schien das Bild
nicht mehr bedeutet zu haben, als eine kleine Kuriosität am Rande, das legt die
eher harmlos spöttelnde Unterzeile nahe:
"Je pittoresker, desto besser: Touristen
in Tibet".
Der Mann ist vielleicht ein tibetischer
Mönch, wahrscheinlich aber ganz einfach ein alter Tibeter in der
landesüblichen Tracht. Er muß sich die kleine Steigung des Weges recht mühsam
hoch kämpfen, tut dies aber auf eine ruhige Weise, die ihn zwar langsam aber
eben doch vorankommen läßt. In der linken Hand hält er eine Gebetsmühle,
gewohnheitsmäßig, wie zu vermuten ist. Jedenfalls macht er das, was immer er
macht, mit großer Ruhe und bewundernswerter Würde.
Und dann die beiden fotografierenden, filmenden Touristen, die den alten Mann gestellt haben wie ein zu jagendes Wild. Die sich vor ihn hinstellen und ihm die Kameras vor Gesicht halten, als wäre er nichts anderes als eine Hausfassade oder ein interessantes Detail an einem Brunnen.
Und dann die beiden fotografierenden, filmenden Touristen, die den alten Mann gestellt haben wie ein zu jagendes Wild. Die sich vor ihn hinstellen und ihm die Kameras vor Gesicht halten, als wäre er nichts anderes als eine Hausfassade oder ein interessantes Detail an einem Brunnen.
Ein
absolut schamloses, obszönes Bild. So was würde sich das Paar zuhause nie und nimmer trauen.
Obwohl... Das Bild ist aus den siebziger
Jahren [1], mein Kommentar ebenfalls. Damals gab es
noch keine Telefone, mit denen man auch fotografieren oder gar filmen konnte. Damals,
liebe Kinder, galt es als wahn - sin -
nig unschicklich [2], einen anderen Menschen zu fotografieren,
ohne ihn zuvor gefragt zu haben.
Um noch mal auf den alten Tibeter
zurückzukommen: Ich bin sonst ein wenig allergisch gegen das Wort
"Würde", es ist gar zu abgelutscht und viel zu oft mißbraucht worden.
Hier erscheint es mir angebracht:
Geschändete Würde.
[1] Man beachte die Schmalfilmkamera des Mannes.
Die jüngeren unter uns kennen vermutlich nicht mal mehr das Wort
"Schmalfilmkamera", außer sie arbeiten zufälligerweise im "Museum
für Kulturgeschichte der Neuzeit" in Würselen.
[2] Wer von euch, liebe Kinder, kennt noch das
Wort "unschicklich"?
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