Oh Doctor, I'm in Trouble
Als ich in Italien noch auf Urlaub war, haben mich die
Leute, denen ich auf Anfrage meinen Beruf gesagt habe, von da an "dottore" genannt. Ich wollte mir
das nicht bieten lassen und habe wieder und wieder dagegen protestiert.
Freundlich, aber nachdrücklich habe ich sie darauf hingewiesen, ich sei kein Doktor,
sei vielmehr ein ganz gewöhnlicher Diplom-Psychologe, von denen es in
Deutschland zum Schweinefüttern gebe. Geholfen hat es nichts, eigensinnig
bestanden die Leute auf der Anrede dottore.
Als ich später nach Italien umgezogen war, habe ich mir
meinen deutschen akademischen Abschluß in Italien anerkennen lassen, um dort
als Psychologe arbeiten zu können. Das Italienische Generalkonsulat in München
und das Justizministerium in Rom bestätigten mir schließlich zu meiner
Verblüffung, ich dürfe mich dottore in
psicologia nennen.
Sakra, die Leute in Italien hatten also recht, ich war
wirklich ein dottore. Sachen
gibt's...
In Italien, so ließ ich mir sagen, trägt jeder, der einen -
welchen auch immer - Universitätsabschluß (laurea)
hat, den Titel "dottore".
Man reicht seine tesi ein, was auf
Deutsch etwa der Diplomarbeit entspricht, und fertig. In Neapel habe ich im
Viertel rund um die Universität Hunderte von Anschlägen gesehen, in denen tesi feilgeboten wurden, Billigangebote
von der Stange, maßzuschneidernde für den verwöhnteren Geldbeutel. In Zeiten,
da durch Fremdbesamung auch eine Jungfrau zu einem Kind kommen kann, wird auch
ein Dodel schnell mal Doktor.
Wenn ich jetzt - wieder in Deutschland - eine E-Mail oder
einen Brief verschicke, dann steht im Absender "Dott. Heinrich"
("Dr. Heinrich" wäre strafbar, habe ich mir sagen lassen). In der
Antwort heißt es dann jeweils "Sehr geehrter Herr Dr. Heinrich". Ich
will kein Klugscheißer sein und korrigiere diesen kleinen Fehler natürlich
nicht.
Vielleicht, diesen Traum habe ich, werde ich doch
noch mal "Dok-Tor des Monats". Zuspiel von Freud auf Heinrich, dieser
paßt zu Watzlawick, Heinrich stürmt nach vorne, hochgeschlagene Flanke von
Watzlawick. Heinrich nimmt sie volley und drischt die Kugel ins linke obere
Eck. Toooor,
Toooor, i wer narisch, 3:2 für Österreich [1].
Wir schalten um in die Sportredaktion.
Bei Spaziergängen durch Castellabate war mir aufgefallen, an
wie vielen Haustüren dort Prof. Spaghetti, Prof.ssa Lasagne, Prof. Saltimbocca
stand. Wie kann das sein, fragte ich mich, daß in so einer kleinen Gemeinde
(15.000 Einwohner), 60 km von der nächsten Universität (Salerno) entfernt, so
viele Professoren wohnen? Sind es vielleicht emeritierte Professoren, die sich
hier ihren Altersruhesitz eingerichtet haben oder sind es Sommerwohnungen noch aktiver
Professoren?
Weder noch. Grundschullehrer in Italien heißen maestro/maestra,
ab dem Hauptschullehrer dagegen sind die Lehrer professori/professoresse. Überhaupt ist dort (fast) jeder, der
irgend etwas unterrichtet ein professore.
Der Sohn eines Freundes hatte damals eine Berufsfachschule für das Hotelwesen
besucht, und er erzählte mir von seinem professore
di sala e bar. Was?, so fragte ich irritiert und erfuhr, besagter
Professor unterrichte das korrekte Servieren im Speisesaal (sala) und an der Bar.
In Österreich scheint es nicht viel anders (gewesen?) zu
sein. Du schreibst eine Arbeit, die nicht mehr ist als die bei uns übliche
Diplomarbeit und bist dann Doktor. Der gelernte Altphilologe Franz Josef Strauß
hatte in den sechziger Jahren an der Universität Innsbruck
Volkswirtschaftslehre studiert und trug seither den zusätzlichen Vornamen
"Dr.". Der lokale CSU-Vorsitzende hat mir damals erzählt, in der CSU
nenne man den frischgebackenen Doktor spöttisch Dr. inns.
Je höher einer in der
sozialen Rangordnung steht, desto länger wird gemeinhin die korrekte Anrede. Ganz
kleine Leute heißen Karli, kleine Leute müssen sich mit Karl Müller zufrieden
geben, während etwas größere sich bereits als Herr Dr. Karl Müller anreden
lassen dürfen. Wirklich große Leute heißen dann Karl Ludwig Maria Graf von
Brockenstein und zu Lichtenfels.
Dieser Trend kehrt
sich interessanterweise bei den ganz Großen wieder um. Da heißt der Obermotz
dann nur noch Karl. Es gab im ganzen Frankenreich nur einen Karl von echtem
Rang und das war der Kaiser. Weiß jeder, wer gemeint ist, mit Karl; nur Karl.
In der Hierarchie der
Wissenschaft findet sich ebenfalls eine solche an- und absteigende Leiter der
prächtigen Bezeichnungen. Hier führt der Weg vom Dipl.-Dings über den Dr. bums
bis zum Professor Dr. Müller.
Die wirklichen
Koryphäen ihres Fachs, jene, die jeder auch außerhalb der engen Fachgrenzen
kennt, heißen dann nur noch Konrad Lorenz oder noch einfacher Einstein.
Es wäre eine arge
Minderung des Rufes und Ranges von Prof. Dr. Albert Einstein, würde man ihn in
einer Abhandlung über die Geschichte der Physik als Prof. Dr. Albert Einstein
bezeichnen. Es hieße, es würde ihn so kein Schwein erkennen, nur im vollen
Namenswichs wäre er als Großmeister erkennbar. "Prof. Dr. Albert
Einstein" ist eine respektlose Anrede.
Mir Ackerdemiker san schon ein
verrückter Haufen.
Und was Adelstitel betrifft: Bei uns in der Metzgerei war
seinerzeit eine Freifrau von Irgendwie Kundin. Sprach man mit ihr, sagte man "Frau Freifrau" (welche Frau möchte so
was auf ihrem Grabstein stehen haben?), sprach man von ihr, so als "Frau Frei". Es gab noch eine echte Frau
Frey, die nannte man dann gerne "Freifrau". Pöbel halt, der sich über
den Adel lustig macht.
[1] Die wenigsten werden es wissen, ich weiß es
ja selbst kaum, aber ich bin von der Abstammung her eigentlich Österreicher.
Mein Vater wurde 1912 im Sudetenland als k.u.k.-Untertan geboren, alle meine
vier Großeltern sind gebürtige Österreicher. Lediglich meine Mutter, 1920 im
selben Dorf wie mein Vater geboren, hat das Österreichertum um lediglich
schlappe 2 Jahre verpaßt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen