Sonntag, 3. Juli 2011

Tragischer Tod eines Milliardärs

Die Nachricht vom Tod Adolf Merckles im Januar 2009 hat mich damals sehr erschüttert. Nein, nichts Privates, keine sentimentalen Gefühle, ich wußte bis zu dieser Todesnachricht nicht mal, daß Adolf Merckle gelebt hatte.
Was mich verwundert und bewegt hat, ist das Motiv für seinen Entschluß. Merckle war Milliardär, er hatte ein riesiges Firmenimperium und ein riesiges Privatvermögen. Sein Firmenimperium war in Gefahr, es ist inzwischen durch Verträge mit Banken gerettet, Merckle ist nicht bankrott gegangen. Was sich für ihn geändert hat, war lediglich der Umstand, daß er nicht mehr in seinem Imperium schalten und walten kann, wie er wollte. Das Große Wort hatten mit einem Mal die Banken. Das mag unangenehm sein, nein, das ist unangenehm für einen, der es jahrzehntelang gewohnt war, das Heft in der Hand zu halten.
Aber immerhin: Der Mann war 74 Jahre alt, ein Alter, in dem andere längst in Rente sind, ihre Firma an andere Leute abgegeben haben. Merckle war nicht plötzlich verarmt, er wäre nicht auf Hartz IV angewiesen gewesen.

Vom Kopf her kann ich seine psychologische Situation durchaus verstehen, ich kann mich sogar ein gutes Stück weit in seine Situation hineinfühlen. Und genau das ist der Punkt:
Merckle war auch mal ein fröhlicher Dreijähriger, der leben wollte. Irgendwann hat er gearbeitet, müssen wir (fast) alle, wenn wir leben wollen. Und dann war er - wohl ziemlich bald - an einem Punkt, wo er eigentlich nicht mehr hätte arbeiten müssen, um leben zu können. Er hätte arbeiten können, was und inwieweit er Lust gehabt hätte, aber abstressen hätte er sich nicht mehr müssen. Er hätte sich mit seinem Geld das Kostbarste kaufen können, was man mit Geld überhaupt kaufen kann: Zeit. Zeit für sich.
Stattdessen hat er gerackert (diese Art von Unternehmern rackert wirklich noch), um Dinge konsumieren zu können, die er im Grunde gar nicht gebraucht hat, selbst wenn er sich einen luxuriösen Lebensstil gegönnt hätte [1]. Und er hat auch dann noch weitergerackert, als er so viel Geld hatte, daß er es selbst bei verschwenderischem Lebensstil gar nicht mehr hätte konsumieren können, sondern sich nur noch den Kopf zerbrechen mußte, wie er es anlegt.
Dergleichen Dinge muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Da schmeißt einer ein Leben lang sein Leben weg, weil er haben will, befehlen will. Dann bröckelt ihm sein Imperium unterm Arsch weg und jetzt, als 74jähriger, könnte er endlich den Rest seiner Tage ein gut gepolstertes Rentnerleben führen - morgens ein Kaffeetscherl trinken, ein bisserl spazierengehen, ein bisserl in der Sonne sitzen, lesen, schreiben, mit Leuten plauschen... Eine derart grauenvolle Vorstellung für ihn, nicht mehr der Chef zu sein, daß er sich lieber vom Zug zermautscheln ließ.
Wie krank, psychisch krank, muß ein Mensch sein, der in dieser Situation sagt: "Ich mag nicht mehr. Das Leben hat keinen Sinn mehr"? Was für eine kaputte Existenz, was für ein verpfuschtes Leben. Was für ein Wahnsinn!
Und: Was für ein bedrückender Gedanke, daß Wahnsinnige seiner Art unser Land (und nicht nur dieses) regieren und über unser Schicksal bestimmen.
Um es auf den Punkt zu bringen: Jeder, der sich danach drängt, Chef zu werden, beweist damit seine Unfähigkeit, Chef zu sein.

Die Tragik scheint mir nicht im Tod dieses Menschen zu liegen, sondern in seinem Leben.



[1]   Er erzählte, so las ich, gerne, daß er im ICE prinzipiell nur 2. Klasse fahre.

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