Montag, 2. November 2020

Letzte Worte

Als ich noch der Waldbauernbub war, wollte ich eine zeitlang den Moment des Einschlafens bewußt erleben. Ich hab's damals fast geschafft, aber Sekundenbruchteile vor dem Einschlafen bin ich eingeschlafen.

Den Trick mit dem Einschlafen bei vollem Bewußtsein habe ich immer noch nicht raus. Derzeit grübele ich über die für mich passenden Letzten Worte nach, also wie - zum Beispiel - "Mehr Licht!" vom Altmeister Goethe. Führende Goethologen meinen allerdings, der aus Frankfurt/Main stammende Meister habe "Mer licht hier so unbequem" gesagt, sei aber wegen des sterbensbedingten Nuschelns und seines hessischen Dialektes von den anwesenden Thüringern mißverstanden worden.

In den dunklen Momenten rabenschwärzester Depression fürchte ich, es werde im Augenblick meines Hinscheidens - wenn das Leben sekundenkurz an mir vorüberrollt, ehe es verlischt - eh kein Schwanz (oder Eckermann oder wer) da sein, meine Letzten Worte zu protokollieren.

Eine "Fisch und Fleisch"-Userin (m/w/d), dessen Name hier nicht genannt werden soll, wandte ein: "Mal ehrlich, was nützen dir die schönsten eigenen letzten Worte, wenn du nachher tot bist?"

Da hat sie natürlich recht. Anschließendes Totsein ist gewiß der Nachteil bei der Geschichte mit den Letzten Worten, obwohl es Leute gibt, die behaupten, es werde Zeiten gegeben haben, in denen die Lebenden die Toten beneidet haben würden. Wie auch immer: Wenn ich Letzte Worte flüsterte und dann doch nicht stürbe, würde ich disqualifiziert und man würde noch eine Ewigkeit lang über mich spotten.

Von Machiavelli ist folgende - höchstwahrscheinlich erfundene - Anekdote überliefert: Auf dem Sterbebett nimmt ihm der Priester die Beichte ab und meint dann, er solle jetzt den Teufel und all seine Werke verfluchen. Machiavelli soll angeblich den Kopf geschüttelt und gesagt haben: "Dies ist nicht der Moment, sich Feinde zu machen."

Im übrigen merke ich an: Letzte Worte werden nur dann von dir überliefert oder dich betreffend erfunden, wenn du ein Mindestmaß an Bekanntheit erreicht hast. Prominentsein ist für uns Menschen der einzige Weg, auf Dauer unsterblich zu werden. Prominent kannst du werden, wenn du dir zum Beispiel den Nobelpreis für Physik ergeierst, einfacher ist es hingegen, wenn du dir vor laufender Kamera irgendwelche Schwänze in Möse oder Mund oder wohin sonst stecken läßt.

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