"Dieses Geständnis, daß den Kommunisten die Zukunft
gehört, machte ich im Tone der größten Angst und Besorgnis, und ach! diese
Tonart war keineswegs eine Maske! In der Tat, nur mit Grauen und Schrecken
denke ich an die Zeit, wo jene dunklen Bilderstürmer zur Herrschaft gelangen werden:
mit ihren rohen Fäusten zerschlagen sie alsdann alle Marmorbilder meiner
geliebten Kunstwelt, sie zertrümmern alle jene phantastischen
Schnurrpfeifereien, die dem Poeten so lieb waren; sie hacken mir meine
Lorbeerwälder um, und pflanzen darauf Kartoffeln; die Lilien, welche nicht
spannen und arbeiteten, und doch so schön gekleidet waren wie König Salomon,
werden ausgerauft aus dem Boden der Gesellschaft, wenn sie nicht etwa zur
Spindel greifen wollen; den Rosen, den müßigen Nachtigallbräuten, geht es nicht
besser; die Nachtigallen, die unnützen Sänger, werden fortgejagt, und ach! mein
"Buch der Lieder" wird der Krautkrämer zu Tüten verwenden, um Kaffee
oder Schnupftabak darin zu schütten für die alten Weiber der Zukunft – Ach! das
sehe ich alles voraus, und eine unsägliche Betrübnis ergreift mich, wenn ich an
den Untergang denke, womit meine Gedichte und die ganze alte Weltordnung von
dem Kommunismus bedroht ist – Und dennoch, ich gestehe es freimütig, übt derselbe
auf mein Gemüt einen Zauber, dessen ich mich nicht erwehren kann, in meiner
Brust sprechen zwei Stimmen zu seinen Gunsten, die sich nicht zum Schweigen
bringen lassen, die vielleicht nur diabolische Einflüsterungen sind – aber ich
bin nun einmal davon besessen, und keine exorzierende Gewalt kann sie bezwingen
– Denn die erste dieser Stimmen ist die Logik - Teufel ist ein Logiker, sagt
Dante - ein schrecklicher Syllogismus behext mich, und kann ich der Prämisse
nicht widersprechen: "daß alle Menschen das Recht haben zu essen", so
muß ich mich auch allen Folgerungen fügen: Sie ist längst gerichtet,
verurteilt, diese alte Gesellschaft. Mag ihr Gerechtigkeit widerfahren! Mag sie
zerschlagen werden, diese alte Welt, wo die Unschuld zugrunde ging, wo der Egoismus
gedieh, wo der Mensch ausgebeutet wurde durch den Menschen! Mögen sie von Grund
aus zerstört werden, diese übertünchten Gräber, wo die Lüge und die schreiende
Ungerechtigkeit hausten! und gesegnet sei der Krautkrämer, der einst aus meinen
Gedichten Tüten verfertigt, worin er Kaffee und Schnupftabak schüttet für die
armen alten Mütterchen, die in unsrer heutigen Welt der Ungerechtigkeit vielleicht
eine solche Labung entbehren mußten "fiat
justitia, pereat mundus!"
Und die zweite der beiden zwingenden Stimmen, von welchen
ich rede, ist noch gewaltiger, als die erste, denn sie ist die des Hasses, des
Hasses, den ich jenem gemeinsamen Feinde widme, der den bestimmtesten Gegensatz
zu dem Kommunismus bildet, und der sich dem zürnenden Riesen schon bei seinem
ersten Auftreten entgegenstellen wird - ich rede von der Partei der sogenannten
Vertreter der Nationalität in Deutschland. Aus Haß gegen die Nationalisten
könnte ich schier die Kommunisten lieben. Wenigstens sind sie keine Heuchler,
die immer die Religion und das Christentum im Munde führen; die Kommunisten, es
ist wahr, besitzen keine Religion (einen Fehler muß doch der Mensch haben), sie
sind sogar Atheisten (was gewiß eine große Sünde ist), aber in ihren obersten
Prinzipien huldigen sie einem Kosmopolitismus, einer allgemeinen Völkerliebe,
einem Weltbürgertum aller Menschen, welches ganz übereinstimmend ist mit dem
Grunddogma des Christentums, so daß sie in Wesen und Wahrheit viel christlicher
sind als unsere deutschen Maulchristen, die das Gegenteil predigen und üben.
Heinrich Heine, Vorrede zu "Lutetia", April 1855
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