Montag, 6. Februar 2012

Jiu-Jitsu auf die Pädagogik gewendet

Als Mensch bleibt dir (fast) nichts erspart. Hast du Kinder, dann mußt du erleben, daß sie eines Tages vor dich hintreten und in deiner Gegenwart schmutzige, gar unflätigste Wörter verwenden. Das ist so normal wie der tägliche Aufgang der Sonne. Die Fratzen wollen austesten, wie du drauf reagierst. Die meisten Eltern - habe ich mir sagen lassen - die mit Wörtern wie "Arsch" und "ficken" aus dem Mund ihrer Lendenfrüchte konfrontiert werden, reagieren darauf mit dem gleichermaßen ungehaltenen wie strikten Verbot, dergleichen schmutzige Wörter zu verwenden, wohl wissend, daß ein solches Verbot schon in ihrer eigenen Kindheit nicht funktioniert hat [1].
Als meine Söhne mich seinerzeit (als Mensch bleibt dir, wie gesagt, fast nichts erspart) mit Wörtern wie "Arsch" und "ficken" etc. konfrontiert haben, habe ich auf einen Schelmen anderthalbe gesetzt. Meiner erzieherischen Verantwortung wohlbewußt antwortete ich, locker parlierend, mit Wörtern wie "Arschficken". Ich sprach über grobe Sachverhalte mit den denkbar möglichen groben Wörtern und meine Söhne wanden sich vor Verlegenheit, ihren eigenen Vater derart grob sprechen zu hören. Ich habe mit meinen beiden Söhnen natürlich nicht in der Sprache eines Zuhälters über Weiber und Kerle, und was die manchmal so miteinander treiben, gesprochen. Ich habe vielmehr über Gossensprache und ihre Verwendung geredet und dabei bewußt grobe bis sehr grobe Formulierungen verwendet.
Mein hinterfotziges pädagogisches Konzept ging auf. Von Stund an hörte ich keine groben Wörter mehr von ihnen, es wäre denn in Anführungszeichen, wenn wir nämlich über grobe Wortwahl sprachen. Wie sie unter Gleichaltrigen sprachen weiß ich nicht, ich war nicht dabei. Und wäre ich dabei gewesen, so hätte ich sie nicht verstanden. Meine Kenntnis des Gossen-Italienisch ist begrenzt, vom Cilentano (dem regionalen, dem Neapolitanischen verwandten Dialekt) ganz zu schweigen. Ich weiß nur noch, daß ich sie mehrmals (aus rein wissenschaftlichem Interesse, versteht sich) gebeten hatte, mich die gängigsten (süd-)italienischen Wörter aus der Gossensprache zu lehren. Sie haben sich, schamrot, geweigert, dies zu tun. (Sie kannten sie also, das Mindeste, was man von aufgeweckten Jugendlichen erwarten darf.)
Inzwischen sind sie längst erwachsen und können sich in zwei Sprachen, dazu zwei Dialekten (bairisch und cilentano) von einer Stilebene (Analkoitus) locker in die andere (Arschficken) wechselnd, verständlich machen.

Ach so, ja, falls einer die Überschrift nicht versteht:
Jiu-Jitsu ist eine japanische Technik der Selbstverteidigung. Der Grundgedanke ist, dem kraftvollen Schlag des Angreifers nicht die eigene abwehrende Kraft entgegenzusetzen, sondern die Kraft des Gegners so umzulenken, daß sie sich gegen den Angreifer wendet.


[1]   Es ist eines der faszinierendsten Sachverhalte menschlicher Psychologie: Seit Jahrtausenden konfrontieren Eltern ihre Kinder mit Ge- und Verboten, welche diese Eltern im entsprechenden Alter selbst mißachtet haben. Den Menschen als intelligentes Lebewesen zu bezeichnen, erscheint unter diesen Umständen als doch eher gewagt.

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