Das Volk ist in der Demokratie der Empfänger von Macht, nicht ihr Ursprung
Was Wahrheit letztendlich und eigentlich ist, ob es überhaupt eine gibt und wenn ja, ob wir diese je erkennen können, und - falls wiederum ja - wie diese Wahrheit nun genau aussieht - darüber haben sich Generationen von Philosophen Gedanken gemacht. Eine Lösung hat bislang offensichtlich noch keiner gefunden, denn hätte es einer, so gäbe es nur noch 1 Philosophie, und zwar die richtige.
Was Wahrheit letztendlich und eigentlich ist, ob es überhaupt eine gibt und wenn ja, ob wir diese je erkennen können, und - falls wiederum ja - wie diese Wahrheit nun genau aussieht - darüber haben sich Generationen von Philosophen Gedanken gemacht. Eine Lösung hat bislang offensichtlich noch keiner gefunden, denn hätte es einer, so gäbe es nur noch 1 Philosophie, und zwar die richtige.
Nach langem Grübeln
über das Leben, das Universum und den ganzen Rest bin ich für mich zu dem Ergebnis
gekommen, daß wir niemals hinter die Wahrheit kommen werden und daß das auch
ganz gut ist. Ich bin zum Anhänger des Jameiismus geworden, welcher besagt: Ja
mei, da kannst nix machen, es is halt wies is.
Daß die Frage nach der
Wahrheit
immer noch unbeantwortet ist, sollte niemanden mehr freuen als die Philosophen
selber. Die ewige Suche nach der
Wahrheit ist für einen berufsmäßigen Philosophen nämlich ein wesentlich günstigeres
Geschäftsmodell als ihr Finden. Käme
tatsächlich einer dahinter, woher wir kommen, wohin wir gehen und welcher Sinn
in dem Schlamassel dazwischen steckt, und könnte er zudem seine Antwort auch
stichhaltig und unwiderleglich beweisen, so wäre die Luft aus aller Philosophie
und Theologie heraus.
Aus, Äpfel, Amen.
"Laden zu vermieten - Wegen
mangelnder Nachfrage mußten wir die Firma 'Sein & Nichts GbR - Sinn en gros
und en detail' leider schließen."
Wer den verlinkten
Wikipedia-Artikel durchliest, wird merken, daß meine Schlußfolgerung natürlich
Unsinn ist. So klar und eindeutig kann
eine Antwort gar nicht sein, daß sich nicht doch Leute fänden, die nach der
Antwort hinter der Antwort suchen.
Douglas Adams hat sich
mit seiner Episode vom Computer Deep Thought (siehe wiederum den obigen Link
auf die Wikipedia) über die Sinnsucher lustig gemacht. Nach einer Rechenzeit
von 7,5 Millionen Jahren liefert der Supercomputer die Antwort: 42. Diese
Antwort aber, so verkündet der Computer, bleibe sinnlos, solange man nicht die
dazu passende Frage genau formuliert habe. Im weiteren Verlauf des Romans kommt
der Held des Romans zufällig hinter die passende Frage: "Wie
viel ist neun multipliziert mit sechs?". Wer das kleine Einmaleins noch im Kopf hat, dem wird auffallen,
daß die Frage nicht zur Antwort paßt. Klar, Adams macht sich über die
Sinnsucher lustig.
Und was passiert? Adams
hätte es sich absurder nicht ausdenken können: Rudel von Sinnsuchern versuchen,
hinter das Geheimnis der von Adams formulierten Lösung 42 zu kommen. Sie
bemühen Lewis Carroll [1], das 13er-Zahlensystem, die Weisheit
tibetischer Mönche etc., um auf die Spur eines bewußt formulierten Unsinns zu
kommen. Adams selbst merkt dazu an: "Die Antwort darauf ist ganz einfach. Es war ein Scherz. Es musste eine
Zahl sein, eine gewöhnliche, relativ kleine Zahl, und ich entschied mich für
diese. Binäre Darstellungen, Basis 13, Tibetische Mönche, das ist alles
kompletter Unsinn. Ich saß an meinem Schreibtisch, blickte in den Garten hinaus
und dachte ‚42 wird gehen‘. Ich schrieb es hin. Ende der Geschichte."
Dem wahren Sinnsucher jedoch ist klar, daß das nur ein Täuschungsmanöver von
Adams sein kann, eine Finte, um die eigentliche Wahrheit zu schützen.
Was lernen wir
daraus? Wer bekannt genug ist, um überhaupt wahrgenommen zu werden, der kann
sagen und schreiben, was er will, er kann sogar ausdrücklich hinzufügen, daß
all das, was er geschrieben habe, ein übermütiger Scherz gewesen sei - es nützt
nichts. Einer hermeneutet immer.
Aber, Leute, ich habe
mich verschwatzt. Eigentlich nämlich wollte ich von Peter Gauweiler erzählen,
der einmal aus Versehen die Wahrheit gesagt hat.
Um die
Jahrtausendwende hatte die CDU mit einer der üblichen, routinemäßigen Finanz- und Spendenaffären
zu kämpfen. Im Januar 2000 hat Peter Gauweiler der Passauer Neuen Presse
dazu ein Interview gegeben.
Dabei ist ihm ein Satz entschlüpft, den der zuständige Redakteur
für so wichtig hielt, daß er ihn als Überschrift zum Interview wählte:
"Wir müssen dem
Volk wieder mehr Macht geben."
In diesem kleinen Satz eines kompetenten Menschen [2]
ist die ganze Wahrheit über die politische Realität der Bundesrepublik
Deutschland enthalten.
Im Grundgesetz findet sich der lakonische Satz: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke
aus." Der Dichter Bertolt Brecht hat diesen Satz einmal um eine Frage
ergänzt: "Wo aber geht sie
hin?"
Zu Peter Gauweiler und seinen Freunden in Politik und
Wirtschaft geht sie hin. Das wissen wir zwar schon lange, aber die Mächtigen in
diesem Lande blasen normalerweise empört die Backen auf, wenn einer dergleichen
behauptet. Sie verdächtigen ihn, er wolle eine andere Republik, eine andere
Demokratie und natürlich haben sie recht mit diesem Verdacht. Nun aber hat
einer aus dem Inneren Zirkel der Macht sein Nähkästchen geöffnet und uns
plaudernd bestätigt, was wir bereits wissen.
Denn eines ist klar: Nur wer die Macht hat, kann ein Stückchen davon dem Volk abgeben.
Ich habe damals einen Leserbrief an die Passauer Neue Presse
geschrieben, der Leserbrief wurde nicht abgedruckt (sie haben damals die
meisten meiner Leserbriefe abgedruckt, das nebenbei). Und einen Internetanschluß
hatte ich seinerzeit noch nicht. Denn das Internet vermag, recht genutzt,
einiges in Bewegung zu bringen, was sonst unbeweglich geblieben wäre.
Als seinerzeit Bundespräsident Köhler in einem
Rundfunk-Interview ein streng gehütetes Staatsgeheimnis ausplauderte, wurde er
unverzüglich aus dem Amt gemobbt. Das Staatsgeheimnis war, daß Deutschland
nicht wegen der Menschenrechte in Afghanistan Krieg führt, sondern in
Wirklichkeit zur Wahrung seiner wirtschaftlichen Interessen [3].
Dieses Geheimnis kennt zwar jeder, der sich fünf Minuten Zeit nimmt, drüber
nachzudenken, aber unter Politikern war (und ist) es strengster Comment,
darüber nicht öffentlich zu sprechen.
Köhler hatte ein Tabu gebrochen, er hatte die große
Lebenslüge bundesdeutscher Außenpolitik in die allgemeine Diskussion gezerrt.
Der Skandal war nicht, daß er etwas Falsches gesagt hätte, er hat im Gegenteil etwas
sehr, sehr Richtiges ausgesprochen,
was aus Sicht der politischen Klasse besser ungesagt geblieben wäre.
Ich darf an dieser Stelle an das bekannte Wort von George
Bernard Shaw erinnern: "Die
Lebenserfahrung, diese Wissenschaft nach Hausmacher-Art, lehrt die von ihr
Befallenen, daß es nicht die gänzlich neuen, für alle völlig überraschenden
Nachrichten und Erkenntnisse sind, die aufgeregten Wirbel verursachen.
Verblüffende Neuigkeiten machen uns allenfalls staunen, wirkliche und
nachhaltige Empörung hingegen lösen jene Tatsachen aus, die jedermann längst
bekannt sind, die lediglich von irgend jemandem irgendwann einmal ausgesprochen
werden."
Wobei der Verplapperer von Köhler zunächst mal gar keine
Empörung, noch nicht mal Wirbel verursacht hat. Keiner von den bekannten oder
weniger bekannten Kommentatoren in den großen oder weniger großen Zeitungen
oder Rundfunkanstalten hat sich darüber aufgeregt oder die Aussage auch nur
erwähnt. In den Medien wurden die Äußerungen Köhlers nicht weiter beachtet, man
könnte auch sagen, sie wurden totgeschwiegen. Das ging so weit, daß der
Deutschlandfunk, der das entsprechende Interview gesendet hatte, auf seiner
Website zunächst eine komplette
Version des gesendeten Interviews brachte, nach einigen Stunden jedoch war
an dieser Stelle eine geschnittene
Fassung des Interviews zu hören, in welcher der brisante Satz fehlte!
Lediglich im Internet haben einige Blogger (unter anderem
ein gewisser mcmac im
"Freitag") das Thema aufgegriffen und die Leute auf diese Äußerung
aufmerksam gemacht. Erst als im Netz die Wogen der Empörung so hochkochten, daß
man sie nicht mehr ignorieren konnte,
griffen auch die Medien die Geschichte auf.
Man hat die Affäre sehr geschickt gelöst, indem man Köhler
zum Rücktritt veranlaßte. Durch seinen Rücktritt wurde viel über den Rücktritt und
das durch die Kritik an Köhler angeblich beschädigte Amt gesprochen. Das
eigentlich Interessante an dieser Geschichte, der Satz nämlich, der letztlich
zum Rücktritt geführt hatte, wurde dadurch überwirbelt und unsichtbar gemacht und
ist nach anderthalb Jahren bereits so gut wie vergessen.
Was man aus der Geschichte um Peter Gauweiler lernen kann? Ich
glaube, es war Hercule Poirot, der einmal sinngemäß sagte: Wenn man sich mit
den Leuten lange genug unterhalte, sie einfach plaudern lasse und ihnen
aufmerksam zuhöre, dann komme man hinter ihre verborgenen Geheimnisse. Irgendwann
verplappere sich jeder.
[1] Lewis Carroll ist der Verfasser von
"Alice im Wunderland" und war im Zivilberuf Mathematiker.
[2] Das meine ich jetzt ernst und gar nicht
sarkastisch.
[3] "Meine
Einschätzung ist aber, daß insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der
Breite der Gesellschaft zu verstehen, daß ein Land unserer Größe mit dieser
Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen
muß, daß im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um
unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze
regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere
Chancen zurückschlagen negativ, bei uns durch Handel Arbeitsplätze und
Einkommen zu sichern."
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