Donnerstag, 21. Juli 2011

Der geheimnisvolle Teelöffel

Von Kugelschreibern, Feuerzeugen und Teelöffeln liest man öfter, daß sie die Angewohnheit hätten, auf äußerst mysteriöse Art und Weise zu verschwinden. Sehr viel weniger häufig wird berichtet, daß diese Dinge je auch wieder auftauchten, woraus scharfsinnige Menschen schlossen, es würden die genannten Dinge in Wurmlöchern des Universums unwiederbringlich verschwinden. Weniger scharfsinnige Menschen, so etwa ich, sind da eher skeptisch, wahrscheinlich weil sie, so wie ich, das Konzept des Wurmlochs (auch Einstein-Rosen-Brücke genannt) nicht wirklich verstehen.

Wie auch immer - manchmal ist das Erscheinen dieser Dinge nicht minder geheimnisvoll wie ihr Verschwinden.

Im letzten Herbst nämlich habe ich zwanzig Meter von meinem Haus entfernt einen Kaffeelöffel gefunden [1], der garantiert nicht aus meinem Bestand war. Und wäre er aus meinem Bestand gewesen, so wäre es erst recht völlig unerklärlich, wie er dahin gekommen sein könnte. Weder vermißte ich einen Kaffeelöffel noch paßte er vom Design her zu meinen Löffeln, noch gar pflege ich Kaffeelöffel mit außer Haus zu nehmen.
Dazu sollte ich erklären, daß mein Haus ziemlich abseits liegt. Von der Hauptstraße, die in Wahrheit eine Sackgasse ist und beim nächsten Bauern endet, sind es 100 m Feldweg hinab zu meinem Haus. Aus. Ende auch der spärlichsten Wegsamkeit. Dort gehen keine Passanten vorbei, noch nicht mal verirrte Wanderer.
Dennoch lag der Löffel dort, nicht eingetreten und schlammverkrustet, wie er es nach längerer Lagerung sein sollte, sondern offen auf der Grasnarbe, fast sauber. Jedesmal, wenn ich das Haus verlassend oder dem Hause zustrebend dort vorbeigegangen bin, hätte ich ihn sehen müssen. Sah ihn aber erst an dem bewußten Tag.

Sagt Deuter ihr und Hermeneuten mir, was dieses mag bedeuten? Gibt es Gott doch, setzt er Zeichen? Und wenn ja, warum gibt er sich dabei mit Kaffeelöffeln ab?

Als ich diese Frage kurz nach dem Vorfall im Usenet stellte, antwortete mir einer und es entspann sich folgender virtueller Dialog:
ER Dein Gott ist tot jetzt, er hat den Löffel abgegeben.
ICH So hat der Nietzsche seinerzeit auch getönt und dann hat's ihn selber derbröselt.
ER Von dem ist aber nicht überliefert, dass er den Löffel seines Gottes gefunden hätte.
ICH Aber abgeben hat er den seinen doch müssen. Dies habt zur Mahnung.
ER Es trägt ein jeder seinen eigenen Löffel.
ICH Das ist so wahr wie trocken Brot.

Zum Thema "Mysteriöse Vorgänge in Neustift" siehe auch mein nicht minder geheimnisvolles Erlebnis mit dem Fisch auf dem Acker, am gleichen Orte.


[1]        Ich nenne den Teelöffel Kaffeelöffel, weil es ein Kaffeelöffel war.

4 Kommentare:

  1. Vorüberfahrende Picknicker mit wenig sorgsam verschlossenem Transportgepäck?

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  2. Und ich sag noch extra, "daß mein Haus ziemlich abseits liegt. Von der Hauptstraße, die in Wahrheit eine Sackgasse ist und beim nächsten Bauern endet, sind es 100 m Feldweg hinab zu meinem Haus. Aus. Ende auch der spärlichsten Wegsamkeit. Dort gehen keine Passanten vorbei, noch nicht mal verirrte Wanderer."

    Trotzdem schönen Dank für den Vorschlag.

    Ciao
    Wolfram

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  3. Nun, es mag klingen wie aus dem Reiche der Phantasie entsprunge, aber: Könnte eine Elster das Löffelchen im Fluge verloren haben? Das Vorhandensein einer Elsterpopulation machte (konjunktiv benutzt) diese Erklärung natürlich etwas möglicher ...

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  4. @der Emil
    Ja, Elster liegt nahe, ist aber natürlich nicht so romantisch. Außerdem war das Ende November und ich habe Mühe mir vorzustellen, wie eine Elster um diese Jahreszeit ein offenes Küchenfenster findet, um dort einen Löffel zu klauen.
    Ob es eine Elsterpopulation hier gibt, weiß ich nicht, ich erkenne keine Elster, wenn ich sie sehe.

    Ciao
    Wolfram

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