Früher, als die Welt zwar auch nicht mehr gut aber doch besser war als heute hatte ich einen Punktetäter (alles Verstöße im Zusammenhang mit Schnellfahren) bei der Beratung, der dann anschließend seine MPU gemacht hat. Er ist dort durchgefallen, was mich nicht gewundert hat. Anschließend haben wir - das gehört zum kostenlosen Service - das Gutachten analysiert, das heißt ich habe ihm erklärt, warum er durchgefallen ist.
Im Gutachten wurde eine Äußerung über seine Ziele für die Zukunft so wiedergegeben: "...und wenn wo 30 steht, dann fahre ich 30, aber es ist eben keiner mit einem Heiligenschein geboren, die 20 km/h werde ich nie mehr überschreiten". So weit, so gut, wenn auch die Bemerkung mit dem Heiligenschein schon wieder eine sehr bedenkliche Äußerung ist. Dann aber fährt er fort: "auch meine Lebensgefährtin fährt ganz ruhig, auch wenn ich neben ihr tobe, daß sie zufahren soll, fährt sie nicht schneller."
Ich habe ihm gesagt, mit diesem Satz alleine, auch wenn sonst alles einwandfrei gewesen wäre, habe er sich sein Grab geschaufelt. Ich denke, auch einem Laien ist unmittelbar klar, warum das so ist. Da hat er (anscheinend) die allerbesten Vorsätze, aber als Beifahrer (notgedrungen, sein Führerschein ist weg) treibt er die Fahrerin an, doch gefälligst schneller zu fahren.
In MPU, Kursen und Beratung habe ich die Erfahrung gemacht, daß Promillefahrer sehr rückfallgefährdet sind, außer sie hören mit dem Saufen auf. Und ich habe auch gelernt, daß Punktetäter (aus dem Bereich "Rasches Vorwärtskommen") noch sehr viel beratungsresistenter sind als Promillefahrer. Manchmal kommen mir diese Leute wie Triebtäter vor.
Es ist ja auch klar: Sie verlieren ihren Führerschein sehenden Auges. Der Promillefahrer tut etwas Verbotenes und er wird nicht und nicht erwischt, sein Verhalten ist erfolgreich und so setzt er es fort. Wird er dann irgendwann doch erwischt, so kommt gleich die große Keule auf ihn zu - der Führerschein ist weg.
Der Punktetäter macht von der Struktur her das Gleiche. Er setzt ein erfolgreiches Verhalten immer weiter fort. Wird er irgendwann erwischt (Radarfallen sind wahnsinnig selten, aber irgendwo sind sie halt doch), so folgt nicht gleich die große Katastrophe. Er muß Bußgeld bezahlen, er bekommt 2 Punkte, ärgerlich, aber nicht fatal. Er könnte daraus lernen, viele tun das, etliche aber nicht. Sie fahren weiter schnell, viel zu schnell, man wird ja fast nie erwischt. Bis sie zum zweiten Mal erwischt werden. Diesmal haben sie bereits 5 Punkte auf ihrem Konto. Ärgerlich, aber nicht weiter tragisch. Und so geht das weiter.
Für den Promillefahrer kommt das Verhängnis jäh und unvermutet (es ist ja so, so lange gut gegangen), der Punktetäter sieht auf seinem Weg zum Führerscheinentzug ständig Warnsignale. Achtung, du hast bereits 5 Punkte! Irgendwann kommt die Ermahnung der Führerscheinstelle, dann eine weitere. Und trotzdem erreichen sie irgendwann 8 Punkte, und ihr Führerschein, den sie lieben wie sonst nichts auf der Welt, ist auf einmal weg. Nein, nicht auf einmal, sondern planmäßig.
Ein Fun-Fact am Rande: 90 % aller Autofahrer mit deutschem Führerschein haben keinen Eintrag in Flensburg. Von den verbleibenden 10 % haben fast alle nur einen einzigen Eintrag. Nur eine verschwindend winzige Gruppe sammelt Punkte.
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