Freitag, 14. Mai 2021

Herrensprache

Im Herbst 2020 habe ich unter dem Titel "Die Bürde des Menschen ist unantastbar" einen kleinen Artikel zu einem Nebenaspekt der Kolonialgeschichte  hier eingestellt. Ich hatte nämlich in der Wikipedia folgendes Bild gefunden:

Die Bildunterschrift von Wikipedia ist "Britischer Kaufmann, von einer Frau aus Sikkim, West-Bengalen, auf ihrem Rücken getragen, ca. 1903"

Der Großintellektuelle von "Fisch und Fleisch", Wirtschaftsexperte und Philosoph, hatte hierzu einen Kommentar unter sich fallen gelassen: "Der Gentleman hat der Dame einen ehrlichen Job verschafft, mit dem sie ihren Lebensunterhalt verdienen kann. Ein Revoluzzer würde stattdessen den Herrn erschießen, und die Dame anschließend in Würde verhungern lassen. Beides ist doof, aber letzteres tödlich. Wer nur mit dem Herzen denkt, denkt gar nicht."

Eine Dame antwortete ihm: "Entweder man erschießt den 'Gentleman' (...) oder die Dame verhungert. Das ist Logik vom Feinsten."

Ich antwortete wiederum ihr, denn dem Großintellektuellen, Wirtschaftsexperten und Philosophen antworte ich schon länger nicht mehr direkt:

Das ist Herrenlogik. Das Weltbild der Herren (m/w/d) geht davon aus, daß sie es sind, die Ordnung in eine ansonsten wilde und heillos wirre Welt bringen. Daß sie es sind, die dem Volk Arbeit geben, weswegen sie sich auch Arbeitgeber nennen, die Arbeiter dagegen Arbeitnehmer, ganz so als seien Arbeiter Empfänger einer großzügigen Spende, ganz so, als würde der Arbeitgeber den Arbeiter "in Lohn und Brot setzen" und nicht umgekehrt [1].

Die Sprachlüge geht weiter. Bei den Sozialabgaben gibt es einen Arbeitgeber-Anteil, ganz so, als würde der Chef die Hälfte meiner Arbeitslosen- und Krankenversicherung aus seiner Tasche bezahlen. In Wirklichkeit ist es so, daß ich 100 % Arbeitsleistung (Mehrwert) gebe und als Entlohnung 70 oder 80 oder 90 % des von mir erarbeiteten Mehrwerts erhalte. Das ist das Grundgesetz des Kapitalismus, wäre es anders gäbe es für mich als Unternehmer nicht mehr den allermindesten Grund, Leute einzustellen. Auch der Arbeitgeber-Anteil ist vom Arbeitnehmer erarbeitet, natürlich.

Es muß inzwischen auch dem allergrößten Idioten aufgefallen sein, daß Unternehmer umso reicher sind, je mehr Arbeiter sie beschäftigen. Das muß einen Grund haben, wer ihn rausfindet ist danach ein Stückerl schlauer.



[1]   An dieser Stelle möchte ich anmerken, daß ich fast mein ganzes Berufsleben lang Unternehmer war. Ich war der Kapitalist und gleichzeitig mein eigener (und einziger) Prolet. Du merkst den Denkfehler, den ich gemacht habe?

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