Das letzte mal, da ich merkwürdige
Erscheinungen am Himmel beobachtet habe, war am 3. Oktober 1988 gewesen.
Wir wohnten damals in Regensburg-Königswiesen, der westliche Teil
Regensburgs war von unserem Balkon aus ganz wunderhübsch zu sehen,
einschließlich der Autobahn von München nach Weiden, oder umgekehrt, je
nachdem, wie man es sehen will. Weiter als nach Weiden ging die Autobahn
seinerzeit noch nicht, wozu auch? Hinter Weiden kam nur noch ein
bisserl Franken, dann legte sich die DDR quer, da war kein Durchkommen.
An besagtem Tage machte es wupp-wupp-wupp, ganz so, als flöge da ein
Hubschrauber. Und siehe, es flog tatsächlich einer, von rechts, also aus Richtung Passau kommend und Kurs auf das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder nehmend,
das unten im Tale lag
[1].
Das fliegende Stück Blech regte uns aber nicht weiter auf, denn, wir
wissen es alle, Krankenhäuser werden häufig von Hubschraubern
angeflogen.
Dann aber machte es abermals wupp-wupp-wupp, und dann noch- und ein
weiteres mal. Das Ganze wiederholte sich, und alle Hubschrauber kamen
nunmehr aus Richtung München und hielten auf die Barmherzigen Brüder zu.
"Nanu?", sagten wir uns nun doch, vermochten das Rätsel aber nicht zu
deuten. Das lag zum Teil daran, daß der Erstgeborene gewickelt werden
mußte
[2],
zum anderen war uns kürzlich der Zweitgeborene vom Engel des HErrn
verkündet worden: "Siehe, Weib, du wirst einen Sohn gebären und sein
Name wird sein Michael." Der gebildete Mensch weiß, daß Mikha'el
(hebräisch מיכאל) soviel bedeutet wie "Wer ist wie Gott?". Der gebildete
Mensch, deren es nur noch wenige gibt, wird also verstehen, daß wir das
Schraubelhubertum am Oberpfälzer Himmel vorerst nicht weiter
beachteten.
Aus dem Fernsee erfuhren wir wenig später, es sei der damalige
Bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß bei der Wildschweinjagd
unweit von Regensburg mit
Akutem Bauch zusammengebrochen und kurze Zeit später verstorben.
Franz Josef Strauß, die Älteren werden sich noch dumpf an den Namen erinnern können
[3],
die Jüngeren wissen ohnehin von nichts gar nichts mehr. "Wie?", flötet
der junge Mensch von heute, "was heißt Mittwoch? Heute ist Donnerstag,
das muß vorerst reichen." Ja, okay, meine Söhne erinnern sich sogar noch
an den Reichsdeputationshauptschluß
[4]
vom 25. Februar 1803. Aber das liegt zum einen daran, daß beide in
Regensburg geboren und aufgewachsen sind, wo seinerzeit besagter
Hauptschluß beschlossen worden war, Weltgeschichte in Regensburg also im
Rahmen der Heimatkunde gelehrt wird. Zum anderen liegt es daran, daß
ich seinerzeit bei mir dachte, es müßte doch möglich sein, auf
spielerische Weise ein bayerisches Kind so weit zu bringen, daß es beim
Eintritt in die Grundschule so viel wisse und könne wie ein Berliner
nach dem Abitur
[5].
Um auf den Anlaß meiner kleinen Plauderei zurückzukommen: Ich halte
es - obzwar ebenso Metzgersohn, wie der an jenem Tage verblichene Herr
Strauß - bei der Jagd grundsätzlich zu den Tieren. Wenn ich von einem
Jäger lese, den sein Jagdhund versehentlich erschossen hat, dann
jubiliere ich. Gleiches gilt, wenn ein Jäger von einer Wildsau in seine
Bestandteile zerlegt worden ist. Ich weiß, dergleichen ist geschmacklos,
passiert aber leider viel zu selten.
Besagter Franz Josef Strauß ist nicht von einer Wildsau zerlegt
worden, wie man es - gäbe es einen Gnädigen Gott - von einem Menschen
mit Jagdschein hätte erwarten können, es hat ihn einfach so derbröselt.
Scheiß drauf, der bayerische Volksmund ist dennoch zufrieden -
Hauptsach, er ist verreckt - und noch heute wird der 3. Oktober, da Gott
den Alpdruck Franz Josef Strauß von seinem Volk genommen hat, in ganz
Deutschland als Nationalfeiertag begangen.
Ich mein, natürlich wär's schöner und lustiger gewesen, Franz Josef Strauß wäre mit 77
Ochsenziemern
über die Steinerne Brücke von Regensburg geprügelt worden, um
anschließend in Stadtamhof zu verröcheln. Aber, mein Gott, man soll GOtt
den Herrn auch nicht überfordern.
Hinweis, nachgeschobener:
In Georg Danzers Ballade vom versteckten Tschurifetzn kommen (außer
dem Wort "Tschurifetzn" selbst) mindestens zwei Wörter vor, die nicht
jedem Piefke geläufig sein dürften.
Ich greif, wie unter'm Bett ich's suach,
Nur eine in an Murdstrum Luach.
Bei uns wird nämlich nie gesaugt,
Weu der Marie des ned so taugt.
Statt saugen tuat sie lieber wetzen,
desweg'n brauch i den Tschurifetzen!
Ja, gut, Murdstrum gibt vielleicht auch Rätsel auf. Ein
Murdstrum ist ein Mordstrumm, also ein sehr großes Exemplar von was auch
immer. Diesmal handelt es sich um einen Mordstrumm-Lurch. Lurch
meint hier keine Amphibie sondern den zusammengeballten, mit Fasern
durchsetzten Staub, der sich mit Vorliebe unter dem Bett ansammelt. Nach
dem, was wir inzwischen wissen, erklärt sich das Wort wetzen zwanglos aus dem Zusammenhang.
[1] Es liegt dort immer noch, um der Wahrheit die Ehre zu geben.
[2]
Scheiße aus der Falte eines Kleinstkindes zu kratzen ist für den Lauf
der Weltgeschichte allemal vordringlicher als das Philosophieren über
dies & das.
[4] Gottchen, was für ein Wort. Dabei geht mir jedesmal einer ab. Ich muß also mit einem
Tschurifetzn das tun, was man mit einem Tschurifetzn gemeinhin tut.
[5]
Was soll ich groß sagen, es ist mir gelungen. Bei der Einschulung
sprachen sie so, wie Thomas Mann zeitlebens gern geschrieben hätte.