Dann aber berichtet ein Reporter über einen leckgeschlagenen Tanker, der eine ganze Küstenregion verseucht hat. Die Stimme aus dem Off erklärt dir, wie es zu dem Unfall kam und eigentlich willst du vor allem das wissen. Zum Text aber siehst du ölverschmierte Wasservögel, die sich mühsam in den nahen Tod dahinschleppen. Das fördert deine Konzentration auf den teilweise abstrakten Text nicht.
Noch schlimmer ist es, wenn dir der Korrespondent die unheimlich komplizierte politische und militärische Lage im Bürgerkrieg in Weithintistan erklärt. Die Erklärung ist notgedrungen äußerst knapp und gedrängt, denn mehr als ein bis drei Minuten hat er in der "Tagesschau" nicht zur Verfügung. Während er spricht und du eigentlich voll drauf konzentriert sein müßtest, siehst du gleichzeitig Leute, die um ihr Leben rennen, davon einige vergeblich.
Wenn schon Bilder unvermeidlich sind, dann solltest du eigentlich bloß den Korrespondenten sehen, der vor einem neutralen Hintergrund steht oder im Studio sitzt. Aber er hat, wie gesagt, nur ein bis drei Minuten, also muß er dir sein - interessantes, das zweifellos - Bildmaterial gleichzeitig zu seiner Analyse übermitteln. Und wenn du diesen Bericht in einem privaten Nachrichtensender siehst (was niemand, der noch einen Funken Verstand im Hirn hat, tun sollte), dann läuft unter dem konzentrationsstörenden Kontrast zwischen Bild und Ton noch ein Text über den Bildschirm, der sich mit einem völlig anderen Thema befaßt. Und, als wäre dies noch nicht genug, laufen unter dem Nachrichtentextband noch die Börsenkurse durchs Bild. Selbst wenn du es schaffst, nicht bewußt auf diese Laufbänder zu achten, so stört allein die aus den Augenwinkeln wahrgenommene Bewegung zusätzlich die Konzentration.
Wenn das nicht Wahnsinn ist, was dann?
Hier wird informiert und gleichzeitig die eigene Information sabotiert.
In historische Dokumentationen, die ich früher sehr gerne gesehen habe, haben sie inzwischen genau dieselbe Pest eingeschleppt wie in die Nachrichten. Vor einiger Zeit habe ich eine Sendung über die Schlacht von Waterloo gesehen (ich glaube, es war sogar ein öffentlich-rechtlicher Sender, denn Privatsender schaue ich seit geraumer Zeit so gut wie nicht mehr, nicht länger jedenfalls, als ein Furz dauert).
Während der Sprecher aus dem Off die historische Situation schildert und analysiert siehst du Bilder, die anscheinend aus einem Spielfilm stammen, darüber Musik. Du siehst Wellington am Spieltisch hocken, Napoleon wütend die Treppe hochlaufen und dann wieder - immer noch wütend - die Treppe runterlaufen, dann hebt ein Soldat das Gewehr und zielt genau in deine Richtung, dann wieder Schlachtengetümmel...
So wirst du unter dem Vorwand von Aufklärung blöd gemacht, kannst dich auf nichts mehr richtig konzentrieren und hast das meiste gleich nach dem Ausschalten schon wieder vergessen. Psychologische Untersuchungen bestätigen dies übrigens: Je mehr Information pro Zeiteinheit und über verschiedene Kanäle vermittelt wird, desto weniger bleibt hängen. Da lob ich mir den Rundfunk, da nehme ich mir eine Sendung zu einem Thema auf und höre sie mir dann beim Abspülen an oder bei sonst einer Tätigkeit, die mein Hirn frei läßt.
Dabei können Bilder, gezielt eingesetzt, so viel vermitteln. Dazu müßte man aber, während das Bild da ist, zwischenzeitlich auch mal das Maul halten oder das Bild so wählen, daß es genau zum Text paßt.
Sage keiner, das ginge nicht. Es gab mal im Bayerischen Rundfunk diese wunderbare Reihe "Topographie" von Dieter Wieland (sie wird auf BR alpha immer mal wieder wiederholt). Es geht dabei um Südtiroler Urwege, Stadtbaukunst im Mittelalter, erklärt anhand von Dinkelsbühl, die barocken Kanäle in und um München, die Burg von Burghausen... Informationen also, die ich brauche, um die Welt von früher und jene von heute und morgen zu verstehen. Das meine ich nicht sarkastisch, sondern durchaus ernst.
Dieter Wieland versteht was vom Thema, er macht nur Filme über Dinge, von denen er etwas versteht und wenn er es nicht versteht, macht er sich sorgfältig und gründlich kundig. Er spricht langsam (wenn auch nicht langweilig) und bedächtig, er gibt dir Zeit, während des Zuhörens über das Gehörte nachzudenken, ein ungeheurer Luxus und Komfort in diesen Zeiten. Die Bilder, die er über das Gesagte legt, passen genau zu dem, was er grad sagt, die Bilder sind ruhig, es gibt keine schnellen Schwenks oder Zooms, die Einstellungen sind lang, so daß du tatsächlich sehen kannst, was du siehst und nicht mit vorbeihuschenden Impressionen überschwemmt wirst. Wenn du den Film gesehen hast, bist du schlauer als zuvor, man stelle sich vor.
Der folgende Link zeigt einen Ausschnitt aus einem Film von Dieter Wieland, vielleicht nicht der charakteristischste, aber der einzige, den ich auf die Schnelle im Netz gefunden habe.
Ein Foto sagt entweder alles - oder alles mit einer vernünftigen Bildlegende. - Meistens sagt ein Foto einem nichts, oder alles.
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