Sonntag, 19. September 2010

Internet - Bericht aus der Wüste

Wir schreiben das Jahr 2010. Ganz Deutschland ist mit mehr oder weniger schnellen DSL-Internetverbindungen wohlversorgt. Ganz Deutschland? Nein, ein schäbiger Rest von 1 % aller Haushaltungen trotzt dem technischen Fortschritt und verzichtet auf diese Segnung der Neuzeit. Muß verzichten.

Ich gebe zu, eine Abdeckung von 99 % ist ziemlich beeindruckend und 1 % Fehlbestand sind nicht wirklich viel, damit sollte unser Land leben können. Nun hat es aber das Schicksal gewollt, daß ich seit kurzem meinen Wohnsitz in der Gemeinde Aldersbach genommen habe.

Oh, nichts gegen Aldersbach, es ist ein wunderschöner Ort in Niederbayern, bei den einen bekannt wegen seines Biers, bei den anderen wegen der barocken Asamkirche (wer nicht weiß, was eine Asamkirche ist, möge es sich ergoogeln). Aber: Aldersbach ist DSL-Diaspora, die abstrakte Prozentzahl 1 ist hierorts konkrete Realität, es gibt hier keine schnelle Internetverbindung über Netz. Eine Breitband-Initiative kämpft seit geraumer Zeit dafür, daß sich das ändert, bislang hielten sich ihre Erfolge allerdings eher in Grenzen. Immerhin werden jetzt bis zum Jahresende 2010 die Ortsteile Haidenburg und Uttigkofen mit DSL-Verbindungen versorgt sein, hieß es im Gemeindeanzeiger. Damit das so sein wird, muß die Gemeinde Aldersbach der Camorra ein Schutzgeld von mehr als 200.000 EUR überweisen, nicht ganz wenig für eine Gemeinde mit etwas über 5000 Einwohnern.

Pech für mich, daß ich weder in Haidenburg noch in Uttigkofen wohne.

Es mußte also Abhilfe her. UMTS, also die Versorgung über die Handy-Schiene, geht zwar auch in Aldersbach, ganz allgemein, nicht aber bei mir. Mein Haus liegt in einer Senke am Bach, selbst das Handy funktioniert hier ausschließlich am Schreibtisch und auch da nur, wenn ich eine ganz bestimmte, etwas unbequeme Körperhaltung einnehme. Lehne ich mich zurück oder neige ich mich zur Seite, schon beschwert sich mein Gesprächspartner, der Empfang sei gestört, er könne mich nicht mehr richtig hören.

Oben an der Straße am Waldrand, nur 100 m entfernt und 9 Meter höher, ist der Empfang ganz ordentlich. Allerdings konnte ich mich noch nicht dazu entschließen, meinen Schreibtisch nach draußen zu verlegen, so verlockend es in mancher Hinsicht wäre.

Was also blieb, war die Satellitenschüssel. Die örtliche Firma, an die ich mich gewandt hatte, empfahl mit eine Schüssel der Firma X., die habe zwar, wie die der anderen Anbieter, auch nur eine Downloadgeschwindigkeit von 3.500 kbit/s, die Uploadgeschwindigkeit sei aber höher.

Also gut, machen wir das so. Ich gab die Bestellung per Internet auf, denn ich wohnte damals, eben wegen der noch fehlenden Internetverbindung, noch nicht in Aldersbach. Bei der Angabe der Bankdaten aber machte das Programm schlapp, so daß ich bei der Firma anrufen mußte, wo die Bestellung von einer Dame in Berlin mit allen Daten angenommen wurde. Sie sagte mir, die Lieferung käme in etwa 10 Tagen beim Händler in Aldersbach an. Fein.

Einige Tage später rief mich die Dame aus Berlin zurück, um mir mitzuteilen, es habe da einen Fehler im System gegeben und wir müßten die Bestellung nochmal aufnehmen. Die 10-Tage-Frist lief nun erst ab diesem Tage. Na gut, soll sein, ich bin ein geduldiger Mensch.

Nach Ablauf der 10 Tage war die Satellitenschüssel immer noch nicht angekommen, ich mußte also ein weiteres Mal bei der Firma X. anrufen. Die Firma hat, was ich ihr bei aller Kritik hoch anrechne, keine dieser von Gott im Zorn erschaffenen Service-Hotlines, sondern eine normale Telefonverbindung,. Man vertelefoniert also nicht Unsummen, ehe man dann nach fünf Minuten doch frustriert auflegt. Bei einer normalen Telefonleitung kommst du entweder durch oder es ist besetzt. Meistens war besetzt.

Aber gut, nach einigen Tagen erwischte ich dann doch einen. Der Herr sagte mir, er könne mir momentan nichts Konkretes sagen. Die Abteilung sei vor kurzem von Berlin nach Hamburg ausgelagert worden, es seien noch nicht alle benötigten Informationen von Berlin nach Hamburg übermittelt worden. Wahrscheinlich ist der Reitende Bote irgendwo im Schlamm der Norddeutschen Tiefebene steckengeblieben. Der freundliche Herr versicherte mir aber, er werde sich drum kümmern und mich noch am selben Tage zurückrufen. Es rief natürlich kein Schwein zurück, so daß ich tags drauf nochmal anrief. Er habe bislang noch keinen in Berlin erreichen können, so erfuhr ich, er werde mich aber heute noch zurückrufen. Ich bat ihn dringend, er möchte mich auch dann zurückrufen, wenn er nichts erreicht habe, was er versprach.

Er rief natürlich nicht zurück. Was soll ich erzählen - irgendwann war die Schüssel doch da und kurz drauf auch montiert.

Allerdings kam kein Signal.

Der Chef der örtlichen Firma, die auf die Montage von Satellitenschüsseln spezialisiert ist, konnte mit den Angaben in der Begleitbroschüre nichts anfangen, da diese aus Sicherheitsgründen auf Französisch verfaßt waren. Er führte dann, zu Lasten meines Handykontos, ein längeres Gespräch mit einem Experten in der Zentrale der Firma X., viel Fach-Chinesisch ging hin und kam wieder zurück, am Ende erhielt ich die Empfehlung, ich möge mich doch an den örtlichen Vertragsmonteur der Firma X. wenden. Dieser hatte seinen Wohnsitz am anderen Ende von Niederbayern, kam aber prompt und - kurz: Ich konnte mit meiner Satellitenschüssel tatsächlich Signale aus dem Internet empfangen und auch dorthin senden. Allerdings machte mich der Monteur drauf aufmerksam, daß wir März hätten. Dies sei mir klar, stammelte ich ängstlich, aber was denn die Jahreszeit...

Nun, meinte er, wenn der Mai komme, dann sei zu befürchten, daß die Bäume wie jedes Jahr ausschlügen und Blätter an ihre Äste und Zweige hefteten. Der jetzt freie Platz zwischen den beiden Bäumen am Bach, durch den im Moment noch das Signal aus dem All unbehindert gleite, sei dann wahrscheinlich zugegrünt.

Mit dieser verfluchten Natur hast du aber auch nichts als wie Geschiß, wenn du mitten in der Natur wohnst und nicht von einer Stadt drum rum vor ihr geschützt bist.

Was soll ich erzählen - der befürchtete Angriff der Killerblätter blieb aus. Ab und zu hab sogar ich etwas Glück. Allerdings erwies sich die Internetverbindung, Blatt hin, Blatt her, insgesamt als sehr unstabil und launisch. Mal war sie da, mal nicht und wie beim Tod wußte ich weder den Tag noch die Stunde, noch gar den Moment, da die Verbindung wieder da wäre. Ich nahm die Sache theologisch und dachte mir, wenn dich schon weder 1 Gott noch 1 Religion Geduld und demütige Ergebenheit lehren, so möge dies eben das Internet tun.

Manchmal allerdings, wenn ich zum Beispiel eine Überweisung am Machen bin, ist das Zusammenbrechen der Verbindung doch sehr, sehr lästig und ich erhebe dann meine Hände gen Himmel und lästere in bitteren Worten den Hl. Geist des Internets.

Es bleibt noch zu erwähnen, daß ich die Firma X. bei Gelegenheit meiner viel zu häufigen Telefonate mit ihr viele Wochen lang angefleht habe, man möge mir doch endlich etwas Schriftliches zusenden, so eine Art Vertrag wäre vielleicht ein ganz guter Anfang. Dies sah man ein und man sagte man mir mehrmals zu, mir einen Vertrag zukommen zu lassen.

Gekommen ist nichts. Die erste schriftliche Nachricht aus dem Hause bestand in der Mitteilung, man habe meine Bankdaten, die man - Sie erinnern sich noch? - zweimal telefonisch erhoben hatte, inzwischen verschlampt und ich möge sie Ihnen doch per Brief mitteilen, damit sie eine Einzugsermächtigung veranlassen könnten. Vielleicht ist es nachvollziehbar, daß inzwischen ich kein Interesse mehr hatte, einer Firma wie dieser eine Einzugsermächtigung zu geben. Ein Vertrag kam im übrigen auch nicht, was nach einiger Zeit kam war die Mitteilung, ihr internes Risikomanagement habe eine Prüfung meiner Daten vorgenommen und man wolle auf Grundlage aller ihnen vorliegenden Tatsachen von einem Vertragsabschluß mit mir absehen. Nach einem weiteren Anruf bei der Firma zeigte sich der zuständige Herr überrascht, meinte aber, er werde dem nachgehen und mir Bescheid geben. Der Bescheid - Sie wundern sich inzwischen nicht mehr - kam nie. So läuft die Verbindung also ohne Vertrag und Einzugsermächtigung und ich bin's zufrieden. Vertrag hieße zweijährige Bindung, ich aber möchte dem Wahnsinn entfliehen, sobald die Technik mir eine Chance gibt.

Nein, mein Bericht aus der elektronischen Wüste im Dreieck zwischen Hamburg, Berlin und dem Unteren Vilstal ist noch nicht ganz zu Ende. Leider, säufts!, ist doch die penible Niederschrift all dieser Vorgänge für mich so ermüdend, wie es die Vorgänge selber waren.

Die Situation wird nämlich verschärft durch den Umstand, daß du als Satellitenschüssel-Abhängiger keine Flatrate hast wie jeder andere Depp, der sich ins Internet einklinkt. Dein Traffic ist vielmehr auf 3,5 GB pro Monat beschränkt, was eine ganze Menge sein mag, zugegeben. Der Haken ist: Vielleicht aber auch nicht. Denn die Evolution hat mir kein - und zwar überhaupt kein - Gespür dafür mitgegeben, wieviel 3,5 GB sind und wieviel davon ich mit dieser oder jener Aktivität verbrauche.

Du holst E-Mails runter, irgendein Depp hängt 10 Graphiken mit jeweils wunderwaskommasieben MB an seine E-Mail an, in einem Forum argumentiert einer mit einem YouTube-Video, das du dir anschaust... Und du schickst ein Stoßgebet zum Himmel, nein, nicht zum Herrgott, der nichts dafür kann, sondern zum Satelliten.

Und irgendwann ist es passiert, du hast deine Tages- oder gar Wochenration verbraucht und du merkst es, weil sich mit einem Mal die Seiten im Zeitlupentempo aufbauen. Du bist ein geduldiger Mensch und du wartest, es ist dir halt wichtig. Durch das - nunmehr unglaublich langsame - Weitersurfen verbrauchst du weiter Kapazitäten und die Geschwindigkeit reduziert sich weiter.

Es ist eine absolut alptraumhafte Situation. Das Verhängnis ist da, es bleibt und du weißt nicht, wann es weicht, verzweifelst dran, ob je. Du stellst das Surfen ein, schaust nur in gewissen Zeitabständen nach, ob der Fluch von dir gewichen ist, aber jeder Versuch, nachzuschauen, ist ein neuer Grund dafür, daß es länger dauert.

Ich also wieder am Telefon und nachgefragt, ob es denn eine Möglichkeit gebe, den Verbrauch von Up- und Downloads zu messen, so daß man sehen könne, daß man sich allmählich der Grenze nähere und so sein Surfen sparsamer gestalten könne. Nein, sagte man mir, so etwas gebe es bei der Firma X. bislang noch nicht, man habe aber den Mangel erkannt und man werde in Kürze der geschätzten Kundschaft diesen Service zur Verfügung stellen.

Nun, so wie ich die Firma X. bislang kennengelernt habe, wird diese Neuerung am Feiertag des Hl. St. Nimmerlein eingeführt werden.

Tu alle Hoffnung ab.

Bete zu Gott um Gnade und um einen neuen UMTS-Funkmast, denn siehe, auch die Telekom wird dich am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Eher nämlich wird Josef Ackermann zum Bolschewiken als Aldersbach, Ortsteil Walchsing, zum DSL-Anschlußgebiet.

3 Kommentare:

  1. Ah, und ich schick immer die ganzen Youtube-Links. Wenn dich das tröstet: Mein Kollege wohnt in Bad-Kreuznach-Planig, also fast in der Zivilisation und hat praktisch das gleiche Problem (Inklusive UMTS-Loch). Er allerdings versucht, mit ISDN, Kanalbündelung durchzukommen. Hoffentlich muss ich nie umziehen.
    Joachim

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  2. Stell sich einer vor... ich wohne auch in Planig.
    Alles ist super angebunden, der Bus in die Stadt fährt z.B. alle 20 Minuten.
    Aber die Daten kommen langsamer ausm Netz als Wasser aus einem zugedrehten Wasserhahn.
    Und zum Thema Telekom und Ausbau:
    -Wir schreiben das Jahr 2006 die Gemeinde fragt bei der Telekom an, wegen einem DSL Ausbau -> wartet noch ein Jahr.
    -2007 Telekom: Also wir wären für ca. 30.000€ bereit euch anzuschliessen aber erst 2009/2010
    -Sept. 2010 Vertreter der Stadt müssen leider bekannt geben, dass die Telekom ihr Angebot nicht hält (jetzt fast 300.000€, dafür aber 16er DSL)
    -2011 was nun?

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  3. Ach Gottchen, da hat also einer genau die gleichen Probleme. Dabei liegt Planig nicht mal irgendwo im Wald, hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen, sondern ist Stadtteil von - immerhin - Bad Kreuznach.

    Solidarische Grüße von Wüste zu Wüste
    Wolfram

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