Dienstag, 24. Dezember 2019

Die Spesen des Göttlichen Ratschlusses

Die bekannteste Kurzgeschichte des Rechtsanwaltes Ludwig Thomas ist vermutlich "Ein Münchner im Himmel". Sie handelt von Alois Hingerl, Dienstmann Nummer 172 auf dem Münchner Hauptbahnhof, der einen Auftrag mit solch einer Hast erledigt, daß er vom Schlag getroffen zu Boden fällt und stirbt.
Nachdem Alois Hingerl im Himmel mehrfach unangenehm aufgefallen ist wird er von Gott persönlich in Teilzeit mit einer Aufgabe zurück auf die Erde geschickt. Er soll der bayerischen Regierung die göttlichen Ratschlüsse übermitteln; dadurch komme der Münchner ein paar mal jede Woche nach München und die liebe Seele habe ihre Ruhe.
Wieder in München geht Alois zuerst ins Hofbräuhaus, wo er sich eine Maß nach der anderen bestellt (und trinkt, versteht sich), darüber seinen Auftrag vergißt und dort bis zum heutigen Tage sitzt.
Wegen des Schlußsatzes "...und so wartet die bayerische Regierung bis heute auf die göttlichen Eingebungen" wurde Thoma zu einer Geldstrafe verurteilt [1].
Das war, als in Bayern noch die Scharia galt.
Apropos Scharia. Eben habe ich nachgeschlagen, wann der Gotteslästerungsparagraph in Deutschland abgeschafft worden ist. Wikipedia schleuderte mir die Wahrheit gnadenlos ins Antlitz: Der § 166 StGB (in Österreich ist es der § 188 StGB [2]) gilt immer noch.
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Als Atheist haste natürlich wieder mal die Arschkarte gezogen.
Auf der Website juraforum.de ist zu lesen: "Auffällig an der Formulierung des § 166 StGB ist die Tatsache, dass durch ihn nicht Gott, sondern der öffentliche Frieden geschützt werden soll." Nun, ein Paragraph, der tatsächlich Gott schützen sollte, wäre so was von erzblasphemisch, das glaubst du nicht. Auch nur zu denken, ich kleines Menschenwürstchen wäre imstande, den Gott, der alles erschaffen hat, zu erzürnen, ist so arrogant und gotteslästerlich, daß es sogar einem Erz-Atheisten wie mir die Zehennägel aufkranzelt.


[1]   Wegen einer Satire auf den Kaiser in Berlin (in der Palästina-Nummer des "Simplicissimus") ist Thoma übrigens auch mal zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Diese Strafe saß er in jener Zelle in München-Stadelheim ab, in der Jahre später Adolf Hitler einsaß. Wahrscheinlich bedeutet diese Koinzidenz etwas, höchstwahrscheinlich werden wir aber den Zusammenhang niemals erkennen.
[2]   Der Gesetzestext ist in Österreich wesentlich bescheuerter, was sag ich: verschwiemelter formuliert als der entsprechende deutsche Text. Wann wäre Österreich schon mal fortschrittlicher gewesen als Deutschland? Obwohl... Das k.u.k.-Imperium war ein gigantisches Multi-Kulti-Projekt, Jahrhunderte bevor Gott die Grünen erschuf. Kurz und Strache haben Österreich weit, weit hinter Kaiser Franz Joseph I. zurückgeworfen. Niemand sollte das je vergessen!


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