Donnerstag, 4. Juli 2019

Eigentumsprobleme

2. Ob die Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, vorliegt, hängt von den Umständen ab: Herrenlos sind Rabattmarken, die dem Kunden übergeben, aber von ihm absichtlich im Geschäft zurückgelassen werden (RGSt. 42, 43); nicht aber Hülsen von Patronen, die von Truppen verschossen wurden und im Gelände liegenblieben (RMG 9, 158; vgl. RGSt. 39, 28), nicht der abgeschossene Torpedo (Schleswig SchlHA 1953, 265), ebensowenig der auf dem Grabe niedergelegte Kranz (Düsseldorf Recht 1936 Nr. 128, 496: die Beamten der Friedhofsverwaltung haben den Gewahrsam). Herrenlos ist zunächst die Kugel in der Wunde des Soldaten, da der Abschießende das Eigentum daran aufgegeben hat; der Verwundete hat aber ein Aneignungsrecht und dieses hindert es, daß ein anderer z.B. der Arzt, der die Kugel herausnimmt, Eigentum daran erwirbt (Francke Recht 1913, 94; vg. Zitelmann ebenda 163, der nur das Aneignungsrecht des Verwundeten leugnet; a. M. Lange DJZ 1914, 1382: der Staat ist Eigentümer der Geschosse im Körper der eigenen Soldaten kraft Beuterechts und im Körper der in seine Macht gelangten Feinde, weil er an diesen sein Eigentum nie verloren hat). Bekleidungsstücke der gefallenen Soldaten oder solche, die im Stich gelassen werden, sind nicht herrenlos, solange nicht der Berechtigte, das ist der Staat, darauf verzichtet hat (RGSt. 49, 194; a. M. Friedrichs GesuR 1917, 130; vgl. Delius Recht 1916, 29: selbst wenn aber herrenlos, wäre Aneignung unerlaubt, weil das Reich das ausschließliche Aneignungsrecht hat). An Pferden, die sich auf dem Schlachtfeld herumtreiben, hat der Fiskus nur das Beuterecht, wenn es feindliche sind (Königsberg OLG 39, 227). Herrenlos wird eine Sache nicht dadurch, daß sie auf der Flucht zurückgelassen (LG Dortmund MDR 1950, 546) oder vergraben wird (Kiel MDR 1947, 271), vgl. allgemein Baur DRZ 1949, 219 und BGHZ 16, 307, 311. Eine Aufgabe des Eigentums an künstlichen Ersatzstücken von Körperteilen oder der Leiche beigegebenen anderen Sachen (Oertmann LZ 1925, 511) liegt nicht in der Bestimmung der Beerdigung oder Feuerbestattung; s. auch § 953 Bem. 2 und 958 Bem. 2.

(Aus Soergel-Siebert: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 4, Sachenrecht, 10. Auflage, § 959 "Herrenlosigkeit durch Aufgabe des Besitzes" Abs. 2, verfaßt von Bundesrichter a. D. Prof. Dr. Mühl, Mainz)

 

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